Vor einem Jahr erfand Will.i des Glasscherbenspiel. Aus zerbrochenen Verglasungen von Bildern, die verschmutzt und teilweise etwas bemalt im Garten lagen, legten wir Bildergeschichten.
Heute entdeckt Dora das Bild, wo Will.i als großer gläserner Zampano auftritt, und verlangt zu wissen, wer dieser Will.i – oder Will.ie? – eigentlich sei, von der die Myriade ihr gestern schrieb. „Ich habe dich mit deiner Vorgängerin Will.ie verglichen, die ganz anders war, hat sie gesagt. War Will.ie ein Mädchen wie ich?“
Während ich ihr von Will.i, der zeitweilig zu Will.ie wurde, erzähle, lege ich aus ein paar schwarz bemalten Scherben ein Bild.
„Die Große, das ist dann wohl die Myriade oder du oder all die anderen Erwachsenen, und die Kleine, die da gescholten wird, die bin dann wohl ich?“ fragt Dora und blickt mich mit einer Mischung aus Verletztheit und Wut an.
O weh! Kinder haben es tatsächlich nicht leicht. Sie sollen Freude schenken, aber bitte schön auf die Art, wie es den Erwachsenen passt. Sie sollen fleißig lernen und kindliche Sprüche loslassen, damit man was zum Lachen hat, und zugleich eine Reife zeigen, die Erwachsene selten erreichen. Sie sollen selbstbewusst und gehorsam sein, sollen spielen und ihr Spielzeug mit Freunden teilen, sich dabei nicht schmutzig machen und nicht streiten… Ich hör schon auf. Es ist jedenfalls eine ganze Latte an Erwartungen, denen Kinder gerecht werden sollen.
„Wie möchtest du das Bild denn haben?“ frage ich schließlich. „Na so!!“ antwortet Dora und schwupps! hat sie die Teile ein wenig anders gerichtet.
Und wenn sie groß ist, wird sie genau das tun, was jetzt die Erwachsenen mit ihr tun. Ich kann nicht behaupten, dass mir der Gedanke gefällt. Aber ich verstehe die Logik. Kinder ahmen nach, und so lernen sie.
Ich sammle nebenher die Scherben ein und lege ein weiteres Bild. Da hockt ein böses Kind auf den Schultern einer schwachen am Boden zusammengesunkenen Erwachsenen. Diesmal begnügt sich Dora damit, zwei Scherben umzulegen: sie tauscht die Köpfe und die Arme aus. Das Kind wirkt jetzt ganz unschuldig, gruselig und zurecht am Boden zerstört wirkt der Erwachsene.
Ein drittes Bild entsteht, wobei ich versuche, diesmal keine „pädagogische“, sondern eine gleichberechtigte Szene zu legen. Auch daran macht Dora kleine Veränderungen. Welche? Und was bewirkt sie dadurch?
Gerda, da kommt ja die Pädagogin in Dir wieder hervor. Jedenfalls merkt man, daß Du Kinder magst und ihre „Launen“ gut deuten kannst.
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Also ja, ich mag Kinder. 😉 🙂
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🧍🤾🤹
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Liebe Gerda, deine Legebilder sind grundsätzlich interessant. Spannend werden sie, wenn mir bewusst wird wie sehr ihre Wirkung sich verändert, wenn Kleinigkeiten umgestellt werden. Gerade auch im letzten Bildpaar, bei dem das zweite auf mich „maßregelnd, schimpfend“ wirkt und damit ganz anders als das erste. Eine schöne Form sich auszudrücken. Ich vermute gerade für Kinder.
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Ja, es ist erstaunlich, was kleine Veränderungen ausmachen. Bei dem von dir erwähnten Bild ist es die Haltung der Hände, die aus einer tänzerischen Selbstdarstellung eine eindringliche Kommunikation macht. Wir kennen das ja auch bei Strichmännchen oder bei Emojis: eine winzige Veränderung und ein neue Emotion entsteht. In der Pädagogik beachtet man diese „analoge“ Kommunikation viel zu wenig.
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Was hat Dora im letzten Scherbenbild verändert? Das „Herzstück“ der Erwachsenen wurde zu Doras Kopf. Warum das?
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Du hast es ganz richtig erfasst, Gisela. Das Herzstück der Erwachsenen wurde zum Kopf der Kindes und umgekehrt. Du solltest nun nicht „warum?“ fragen, sondern: Was verändert sich dadurch? Welche Wirkung hat es auf dich?
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Vorläufig weiß ich die Antwort nicht, hätte sie gern von Dir. Natürlich verrätst Du es nicht. Oder Du hast uns nur eine Aufgabe gegeben, damit wir nachdenken. Ach, ich denke schon über soooooo vieles nach.😶
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Ich kann dir leider nicht mit einer Antwort dienen, Gisela, denn ich weiß ja nicht, wie es auf dich wirkt. 😉 🙂
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Ich sehe darin keinen großen Unterschied. Ist der denn für Dich so groß, oder für Dora so wichtig?
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Verblüffend, wie sich bei dem letzten Bilderpaar die Bedeutung verschiebt durch ganz kleine Veränderungen der Elemente. Obendrein entstehen bei mir verschiedene Interpretationen je nachdem auf welchen Bereich der Figuren ich mich konzentriere Kopf oder Arme. Natürlich gibt es hier keine allgemein gültige Interpretation, die Deutung entsteht beim Betrachter/ bei der Betrachterin. Ich bin fasziniert. Darf ich diesen spannenden Scherbenpädagogik-Beitrag zur Impulswerkstatt stellen als Fortsetzung des Holzbeitrags ?
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Danke für deine feine Rückmeldung, Myriade. sehr gerne kannst du es zur Impulswerkstatt dazustellen, es ist ja derselbe Kontext. Dora wird es stolz machen, gleich zweimal bei dir mit ihren Ansichten zu lesen zu sein.
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Fein, dann grüße doch Dora nochmal herzlich 🙂
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klasse!
danke, gerda, für diesen spannenden beitrag zur glasscherben-pädagogik. auch diese wortschöpfung, glasscherben-pädagogik, finde ich sehr vielschichtig.
lieben gruß❣️
pega
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Dankeschön, Pega! Ich freu mich, dass dir meine Wortschöpfung gefällt! 🙂
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Bri den beiden letzten Bildern müßte das linke Bild die gleichberechtigte Szene sein, Gerda.
Auf Bild rechts könnte die Mutter mit dem Kind schimpfen und es zieht sich in sich selbst zurück.
Meine jüngere Tochter ist machmal etwäs nervös, weil sie alles perfekt machen möchte und es nicht gelungen ist. So empfinde ich sie manchmal.
Bei ihrer kleinen Tochter (2 Jährchen jung) schwindet diese Nervosität sofort, wenn die Kleine ein Anliegen hat und ich bemerke, wie ihre Anspannung sich in Luft auflöst und sie einfach nur liebevoll auf ihr Kindchen eingeht.
Als ich ihr meine Beobachtung mitteilte, strahlte sie über das ganze Gesicht und freute sich sehr, daß es mir aufgefallen war.
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