Dora zum Dritten: Über das Nörgeln der Beschenkten

Dora besteht darauf, mir beim Bloggen auf der Schulter zu hocken. Sie will wissen, was ich über sie berichte, und auch, was meine Leser*innen so kommentieren. Gestern wurde sie ganz aufgeregt, als ich bei Elsbeths Kommentar ankomme. Da steht nämlich: . „Dora faziniert mich!“ –  „Ha!“ ruft sie begeistert und hüpft mir auf der Schulter herum. „Endlich jemand, der mich zu schätzen weiß!“ – „Na, na, sie ist doch nicht die Erste!“ gebe ich ihr zu Bedenken. „Da waren doch auch schon andere da, die dich sehr liebevoll begrüßten“ – „Ja, schon“, gibt Dora zu. „Aber manche waren auch recht misstrauisch. Du übrigen auch. Und eine möchte lieber einen Tiger als mich. Fasziniert war bisher keine. Was schreibt die Elsbeth denn noch so?“

„Hat das Grundwort ihres Namens, doron, wie in vielen Sprachen, nicht auch den Doppelcharakter von empfangen UND geben ?“

„Genau!“ ruft Dora, „Ich bin ein Doppelcharakter!! Zuallererst geht es natürlich ums Geben! Ich gebe und gebe und gebe und verlange nichts dafür.  Aber was nützt all das Geben, wenn niemand die Geschenke haben will und zu schätzen weiß?  Es ist wie Perlen vor die Säue schmeißen. Richtig gute Empfänger kannst du mit der Lupe suchen. Fast alle haben an meinen Geschenken irgendetwas auszusetzen. Das fängt schon bei der Geburt an: ich schenke einem Winzling das Leben, und das fängt gleich an zu schreien und sich zu beklagen! Und später dann: Mal ist die Mama nicht die richtige, mal der Papa, mal stimmt die Farbe vom Anorak nicht, mal ist die Marke vom Schuhwerk die falsche, mal kommt ein Brüderchen und man muss die Mama und den Papa teilen, mal kommt keins und man bleibt einsam und allein. Oder es ist eine Schwester, wo man doch einen Bruder wollte.  Des Nörgelns ist kein Ende. Warum hast du es mir so und nicht anders geschenkt? Du bist mir noch etwas schuldig geblieben! schreit und weint die Menschheit.“

Diese Dora hat mehr Temperament, als ich ihr zutraute. Mir dröhnen die Ohren. Bin ich etwa auch eine schlechte Empfängerin? Habe ich nicht auch immer irgendwas zu nörgeln? Ja, ich weiß, sie hat recht. Schon mein erstes Portrait – ich war damals etwa drei Jahre alt – drückt es aus: der handgestrickte Pullover, den ich zwecks Fototermin trage, ist hübsch, „aber er kratzt“.(Wo ist das Foto? Ich wollte es hier einfügen, aber…., Mist.)

Immer dieses ABER. Die Rose blüht herrlich, aber leider wird sie bald verwelkt sein. Das Essen schmeckt köstlich, aber musstest du so viel Salz verwenden? Wir leben in einer Demokratie, aber wenn es so weitergeht, ist es aus mit ihr. Nichts als Nörgelei.


Die obige Zeichnung ist ein altes Selbstportrait. Ist gar nicht mal so schlecht, ABER die Nase ist total verkorkst! Das Foto der Rose ist ein paar Tage alt. Schön war sie da, ABER inzwischen beginnen ihre Blütenblätter die Spannkraft zu verlieren und werden auch von Insekten angeknabbert. Im Hinterkopf höre ich Dora. „Gehts noch? Wie wäre ein Tag ohne ABER, liebe Gerda?“

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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20 Antworten zu Dora zum Dritten: Über das Nörgeln der Beschenkten

  1. Myriade schreibt:

    Das Selbstportrait gefällt mir sehr. Allerdings wird Dora womöglich finden, dass es sehr viel „aber“ ausstrahlt 🙂

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  2. Leela schreibt:

    Dora zeigt sich immer vielschichtiger. Jetzt ist sie schon ein Doppelcharakter. Dora, bist du schizophren? Oder denken so nur Schubladenmenschen? Jene, die alles fein säuberlich wegsortieren und dann zu verstehen glauben… ich befürchte mal eher, du bist multidimensional
    und wirst noch für so manche Überraschung sorgen…

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    • gkazakou schreibt:

      Schizophren ist sie, glaube ich, nicht. Denn sie nimmt die beiden Seiten ihres Wesens als wechselseitig und nicht als getrennt wahr. Multidimensional – ja, das kann durchaus sein. Ich bin gespannt, was sie noch alles zur Erscheinung bringt.

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  3. Es ist eine Therapeutin an ihr verloren gegangen. Mit dem Wörtchen „aber“ habe ich auch schon so meine Kämpfe ausgefochten… Und sie ist herzerfrischend frech. Das wird ein nervenaufreibendes, aber sicher auch lustiges Jahr werden. 😄

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  4. signorafarniente schreibt:

    Man sagte mir einmal: Wenn du “Aber” verwendest, kannst du den Satzteil vor dem “Aber” eigentlich löschen. So wie: “Es schmeckte gut, aber es war zu salzig.” Hängen bleibt nur, dass es zu salzig war. Dass es gut schmeckte, hört man schon gar nicht mehr. Ob Dora das “Aber” aus der Menschheit entfernen kann? Oder ob man die Sätze umstellen sollte? “Es war zu salzig, aber es schmeckte gut.” oder aber gleich “Es schmeckte gut und war sehr würzig.”? 😄

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Eva. Das sind kluge Überlegungen, aber wahrscheinlich ist es nicht besonders hilfreich, das einschränkende Aber auf den positiven Satzteil zu verlagern – alternativ: Es ist wahrscheinlich nicht besonders hilfreich, das einschränkende Aber auf den potitiven Satzteil zu verlagern, aber das sind kluge Überlegungen.
      Was ist besser?

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      • signorafarniente schreibt:

        Das letzte Aber finde ich persönlich fast besser, liebe Gerda. Denn wenn du in eine Taverne gehst („normale“ Zeiten vorausgesetzt) und es keine Speisekarte gibt, der Kellner somit alle Speisen vorträgt, dann merkst du dir meist nicht die ersten, sondern wählst aus den letzten Speisen, die er vorträgt. Aber (da ist es wieder, das Aber) das mag nur eine unbestätigte Hypothese sein.

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  5. zeilentiger schreibt:

    „Und eine möchte lieber einen Tiger als mich.“ Zum Glück war’s nicht ich!

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  6. Gisela Benseler schreibt:

    Wie Du „Dora“ ins Bild placiert, wo und wie groß oder klein, das ist jedesmal faszinierend, Gerda!

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  7. Gisela Benseler schreibt:

    Dein Selbstpotrait ist zwar nicht schmeichelhaft, aber sehr aussagekräftig, – ein Kunstwerk im expressionistischen Sinne!

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  8. Mitzi Irsaj schreibt:

    Ich hab mal versucht, weniger aber in einem Streitgespräch zu sagen, als man mich bat. Ganz kläglich gescheitert bin ich. Es führte zum Lächeln und dazu ein bisschen über das Wort nachzudenken. Im Fall der Rose oder der Nase im Porträt ist das ganz gut. Es verdirbt bei zu großzügiger Verwendung die ganz offensichtliche Schönheit. Dora wird dich und deine Gedanken auf Trapp halten.

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  9. Werner Kastens schreibt:

    Gefällt mir sehr Deine aber-witzig tiefgründige Abhandlung. Bitte mehr davon in 2022, aber mit Sahne!

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  10. Vielleicht ist *Nichts als Nörgelei.* ein bissel übertrieben, aber Nörgeln scheint in Mode zu sein und die feine englische Art ist es wirklich nicht.
    Dein Selbstportrait ist richtig gut, weil es nicht geschönt wurde und kein Aber… 🙂

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  11. Johanna schreibt:

    Das fasziniert mich aber! 😉

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