Zimmerreise 01/2021 mit Will.i : A wie angestaubt und Art, B wie Bücherregal

„Zimmerreise“ ist ein Projekt von Heide (Puzzleblume) und Almuth  (Natur auf dem Balkon). Die Regeln kannst du bei Puzzleblume nachlesen:

2021-01-08 Zimmerreise 01-2021 A+B+C KEINE HOTLINKs, bitte!!!

Heute morgen regnete es. Das finde ich weiter nicht schlimm, außer wenn mir ein quengelnder Will.i in den Ohren liegt. „Was machen wir heute? Willst du den ganzen Tag rumsitzen und aus dem Fenster schauen?“

„Na gut“, sage ich schließlich, „machen wir eine Zimmerreise.  Aber wir müssen uns ein Ziel setzen. Am besten, wir inspizieren ein Bücherregal und schauen nach, was es enthält. Du darfst das Regal auswählen.“

Will.i ist Feuer und Flamme, springt vom Hocker neben dem Fenster in unserem Wohnraum und steuert ein relativ kleines braunes Regal an, das in eine Mauernische eingepasst ist. Er hockt sich davor und legt den Kopf schief. Lesen kann er noch nicht, aber das macht in dem Fall nichts, denn im Regal steht ausschließlich „Art“. Also irgendwas mit Kunst. Manche Bücher sind abgegriffen, die Umschläge lädiert, und zwischen den Seiten stecken Zettel mit Notizen, andere befinden sich noch in ihrem Schuber und haben selten das Tageslicht gesehen.  „Puh“,  macht Will.i, „das ist ja ein dicker Brocken“. Er zerrt einen Wälzer heraus und niest, denn es ist schon lange her, dass hier eine Putzfrau für Entstaubung gesorgt hätte.

Willi trägt das dicke Buch in den benachbarte Küchen-Essraum und legt es auf den Boden, denn vor dem Regal ist es zu dunkel. Was hat er denn da erwischt? Aha, es ist der Katalog Wunderblock, im Untertitel Eine Geschichte der modernen Seele, 1989 herausgegeben von den Wiener Festwochen. 752 Seiten, viele Illustrationen. Billig war es nicht gerade, wie ich der noch vorhandenen Rechnung vom 13. Juni 2002, ausgestellt von A.L.Hasbach, Buchhandlung und Antiquariat Wien, Wollzeile, entnehme:  82 E plus 21 E Versandspesen, MwSt von 9.36 E ist enthalten, zusammen 103 Euro.

Wunderblock. Eine Geschichte der modernen Seele. Hg Wiener Festwochen, 1989

Zwischen den Seiten finde ich ein Bündel handschriftlicher Notizen und beginne, darin herumzulesen. Meine Handschrift war und ist ziemlich grauslich, da ich eine umgeschulte Linkshänderin bin, aber lesen kann ich, was da auf den Zetteln steht. Nur macht es keinen Sinn für mich. Ich kann nicht nachvollziehen, was ich und warum ich gerade das notiert habe, zB Kant, Zitat S. 49 „… würde die Reproduktion der Erscheinungen (und des Selbst) zu einem „bloßen Spiel unserer Vorstellungen“ (A 101) Wann? Wenn die Phänomene veränderlich wären und mal so mal so auftreten, zum Beispiel die menschliche Gestalt in verschiedenen Tierformen.

Moderne: Auflösung des (kulturellen) Übereinkommens, wie ein Mensch „aussieht“.  Beruht auch dies auf Suggestion? (Buch der Wunder).

Ist auch die menschliche Gestalt nur eine Suggestion? Picasso, Frau im roten Sessel, 1932

Hallo, Melina, denke ich. Anscheinend war das die Zeit, als ich mich mit dem Buch der Wunder rumgeschlagen habe und daher auch diesen „Wunderblock“ erstand. Ein schön illustriertes Buch, riesendick, eine echte Fundgrube. Will.i blättert drin rum, während ich mich mit meinen handschriftlichen Notizen abmühe. Was hat er denn nun entdeckt? Aha, eine eindrucksvolle farbige Abbildung des menschlichen Gehirns, überschrieben „Das Organ der Seele“.

Paul Flechsig, Gehirn und Seele, 2. Aufl. Leipzig 1886, UB Wien

Das kann ja heiter werden! Jetzt will er sicher nähere Auskunft über das Hirn haben und wissen, was die Seele ist und wieso die ein Organ hat. Hilfe! Zum Glück fällt mir ein Trick ein, der bisher immer geklappt hat: Will.i zu einer nützlichen Tätigkeit zu überreden. „Komm, lass uns erst das Regal leerräumen, die Bücher einzeln entstauben und wieder einräumen.“

Und da sitzen wir also am Boden, holen eins nach dem anderen die schönen angestaubten Bücher hervor, wiegen sie in den Händen, pusten den Staub runter, öffnen sie hier und da … und der Vormittag ist weg. Einfach weg.

Ein Teil der inspizierten und entstaubten Kunstbücher des kleinen Regals, auf der Sofaecke gestapelt

Hier eine Übersicht über die Kunstschätze, die im untersten Fach eines einzigen kleinen Regals Platz haben: 22 teils sehr dicke Bände, angefüllt mit Bildern und Worten. Vielen Bildern, vielen Worten.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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41 Antworten zu Zimmerreise 01/2021 mit Will.i : A wie angestaubt und Art, B wie Bücherregal

  1. puzzleblume schreibt:

    Eine gute Idee, mit dem imaginären Reisegefährten, der dabei kiebitzt und auch Interessantes findet, bei dem es sich lohnt, mal hineinzusehen. Besonders schön finde ich den Schluss, dass mit dem weggepusteten Staub auch der Vormittag verflogen ist.

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  2. Oh, daß war bestimmt spannend für Will.i und Du bist richtig gefordert mit seinen Fragen!
    Und genau. AUSSTEIGEN, wenn’s nervig wird, ist eine gute Methode!
    Hab ich bei meinen Neffen auch so gemacht! Trick 17 ist daß!🤔😂
    Du bist eine Leseratte, da kannst Du bald selbst eine Bücherei aufmachen, gell!😁🤗

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    • gkazakou schreibt:

      Aussteigen, wenns nervig wird – eine sehr gute Devise, die ich leider selten anwende, liebe Babsi. Eben habe ich mich wieder höllisch aufgeregt, weil ausgerechnet unser MP einen europäischen Imfpass fordert und ich also voraussichtlich meinen Sohn nur noch sehen kann ,wenn er sich impfen lässt, was er wohl tun wird, was ich aber nicht möchte. Und meine Freunde und Verwandten in Deutschland kann ich auch nicht mehr sehen. Ich bin so was von wütend und unendlich traurig! Aus diesem Alptraum aussteigen -wie gern möchte ich das.

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe Babsi, ich sehe es genau wie du.Niemals werde ich mich dieser genetischen Impfung freiwillig anvertrauen. Wenn Impfzwang eingeführt wird, werde ich versuchen, eine herkömmliche Impfung zu bekommen, die es ja auch geben soll. Pfizer-Biontech wird auch hier geimpft – ab heute sind die über 85Jährigen dran. Wenn es zu Komplikationen oder Todesfällen kommt, wird man sagen, dass es am hohen Alter und an Vorerkrankungen lag – ein Argument, das bei Corona-getesteten Alten nie anerkannt wurde.
      Danke für den link

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  3. derdilettant schreibt:

    Auch eine umgeschulte Linkshänderin! Das Handschriftenproblem kenne ich ebenfalls und habe oft schon überlegt, welche Implikationen die Umschulung mit sich brachte, selbst beim Klavierspielen. Dilettantische Grüße aus dem Norden!

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    • gkazakou schreibt:

      Ich hab da einiges drüber gelesen, habe daraufhin geübt, mit der linken Hand normal zu schreiben. Bei mir merkte ich eine Abnormalität der Orientierung: ich kann mich leicht um 180 Grad vertun.
      In Spiegelschrift links zu schreiben, ist problemlos. Und auch beidhändig.

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  4. felsenquell schreibt:

    Ach, Gerda, das mit dem Impfpass war vorauszusehen, es ist zum Heulen, wie die Diktatur fortschreitet. Ich hatte ´so auf Deinen Besuch gehofft in diesem Frühjahr oder Sommer. Nun bleibt es bei digitalen Grüßen, Bildern, Versen, die Du wenigstens täglich für uns produzierst. Das ist immer eine Segenssendung gegen den Coronablues. Danke!

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  5. Es ist wichtig, das die Pro Propaganda Mainstream Nachrichten auch mit anderen Berichterstattungen hinterfragt werden! Es ist ganz klar schwierig, den Wahrheitsgehalt rauszufinden, dennoch ist es gut darüber nachzudenken und zu hinterfragen!
    Es kann dann doch zu Entscheidungen beitragen, die man für sich fällt!🤔😉

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    • gkazakou schreibt:

      Ja, stimmt. Es ist schwierig, aber irgendwann muss man ja eine Entscheidung treffen. Manche Entscheidungen sind reversibel, andere nicht. Zu letzteren gehört die Impfung. Ich kann sie nicht einfach „ausprobieren“,um zu sehen, ob sie mir bekommt oder hilft. Ausprobieren können es die Hersteller – an mir. Für mich kommen evtl daraus gewonnene Einsichten zu spät.

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  6. Eine ähnliche aber anders motivierte Reise entlang einer meiner Bücherwände habe ich heute auch zufällig ungernommen, um ein bestimmtes Buch zu suchen. Ich habe es bislang nicht gefunden, weil ich mich ausgiebig mit anderen Zufallsbegegnungen befasst habe und mich gefragt habe, warum ich diese und nicht andere Passagen angestrichen habe. Stauberlebnisse gab es gratis dazu. 😉

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  7. Ulli schreibt:

    Eine schöne Sammlung, eine gute Idee, sie hier vorzustellen. Nur das Gehirn als Organ der Seele zu benennen empfinde ich als wagemutig 😉
    Herzlichst, Ulli

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  8. Myriade schreibt:

    Eine wunderbare Beschäftigung ! Ich habe auch Berge von Kunstbüchern, manche, die ich überhaupt noch nicht genau angesehen habe. Beim Ausräumen bleibt man ja immer an irgendwas hängen…..

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  9. pflanzwas schreibt:

    Liebe Gerda, sehr schön geschrieben und von der Auswahl des Buches zum Entstauben hast du einen prima Bogen geschlagen, Will.i sei dank 😉 Interessant auch, wie die Zeit die Ansichten verändert hat und wie du das hier beschreibst! Schon seltsam manchmal, was für einen selbst zeitlos bleibt und was man irgendwann evtl. gar nicht mehr sehen kann.

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  10. lyrifant schreibt:

    Schön, wie Will.i Schritt für Schritt zur Kunst kommt – er verlangt Dir ganz schön was ab, aber Du wirst auch reich belohnt! Faszinierend, wie Du Dich über Will.i Dir selbst gegenübersetzen kannst!

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Sabine. Es ist merkwürdig: Vermutlich habe ich ihn aus mir herausgeboren und er setzt sich von selbst mir gegenüber und stellt Forderungen. Dein Verhältnis zum Lyrifanten muss etwas Ähnliches sein.

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  11. Ein Vormittag in Kunst geschwelgt, liebe Gerda.
    Wie schön ist das und der Will.i hat viel gelernt dabei.
    Staub pusten und wischen gehört bei so vielen Büchern immer dazu. Geht ja gar nicht anders.

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  12. Susanne Haun schreibt:

    Liebe Gerda,
    einen interessanten Schatz hast du da in deinem unteren Bücherregal zu stehen. Ich fand interessant, dass ich genau solch eine Sammlung von Büchern dieser Künstler so Ende der 80ziger Jahre angehäuft habe, heute finde ich sie lange nicht mehr so interessant wie damals, vielleicht haben sie sich abgenutzt? Habe ich sie mir zuviel angeschaut, zuviel drüber nachgedacht?
    Benötige ich neuen Input?
    Liebe Grüße und eine schöne Woche von Susanne

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    • gkazakou schreibt:

      Tja, neuen Input! Den würde ich brauchen, bekommen kann ich ihn aber nicht übers internet, sondern nur life. In Ausstellungen, in Kontakt mit anderen Künstlern, mit Menschen, die meine Sachen ansehen und lebendig erhalten. Ohne solche lebendigen Kontakte stirbt die Kunst.
      Bücher über Kunst habe ich endlos, ja, alle damals angeschafft. Sie sind schön, mir vertraut, aber Impulse empfange ich von ihnen nicht mehr.
      Liebe Grüße nach Berlin!

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      • Susanne Haun schreibt:

        Liebe Gerda, ich habe begonnen, an Zoom Veranstaltungen teilzunehmen. Wenn ich mich vorher wie „zum Ausgehen“ fertig mache, ist es ein sehr schönes Erlebnis. Am Sonntag „gehe ich wieder“ zu einer Zoom Veranstaltung von Kirstin Klöckner, das Thema ist „Kunst als Breitensport?“
        Magst du auch daran teilnehmen, dann frage ich Kirstin, ob ich dir den Link zusenden kann.
        Ich weiss, Gerda, es ist kein wirklicher Ersatz aber es inspiriert doch!
        Liebe Grüße von Susanne

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      • gkazakou schreibt:

        Herzlichen Dank, Susanne, für dein Angebot. isher habe ich noch kein Zoom installiert. Aber du hast recht, es ist vielleicht einegute Möglichkeit, nicht ganz auszusteigen. Für Sonntag ist es mir freilich zu früh. Wenn du mal wieder was hast, von dem du denkst, es könnte gut für mich sein: ich würde mich über eine Rückfrage freuen!

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  13. Susanne Haun schreibt:

    Gerne, Gerda, ich behalte es im Auge! Aus irgendwelchen komischen Gründen kann ich nicht auf Antworten drücken 😦 So schreibe ich einfach einen neuen Kommentar.
    Liebe Grüße von Susanne

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