„Das fehlte uns noch!“ – Katastrophisch-Ungereimtes (abc-etüde)

Zetermordio
weichmütig
backen.

abc-etüden, von Christiane organisiert und betreut

Wortspender: Ludwig Zeidler

 

Das fehlte uns noch!

Kaum sagt sie ein Wörtchen

Gegen die Maßnahmen,

 die nicht Maß nahmen

sondern maßlos sind –

so scheint ihr,

erhebt sich ein

vielstimmiges

Zetermordio

„Wie kannst du bloß!

Weichmütig, dachten wir, wärst du

Und nicht so hartgesotten!

Hast du die Bilder

Herangezoomt aus Bergamo und Wuhan

Nicht gebührend beachtet?

Hast du vielleicht gar

Weggeschaut und nicht gesehen

Dass nur Nazis marschieren gegen den Strom

Der täglichen Zahlen der Toten

Die morgens und mittags, auch abends

Wenn du dachtest, nun könntest du schlafen,

In langen Kolonnen über die Bildschirme liefen

Flankiert von besorgten Augen über blassblauen Masken

Müden und tüchtigen Kämpfern

Gegen den Tod?

Doch du

Hast nicht sehen wollen, was alle doch sahen und wussten

Schautest verblödet dich um bei den Nachbarn

Sahst nur das übliche Leiden, das übliche Sterben

Dazu auch neue Ängste und Nöte.

Sahst nicht, hast nicht begriffen

Dass endlich die schreckliche, die alle hinraffende

Pandemische Plage die Menschheit getroffen

Dachtest, vielleicht, dass morgen

Wenn der Bäcker das erste Brot

Frisch gebacken aus dem Ofen dir zieht

Alles vorbei sei, der Spuk sei zu Ende.

Das fehlte uns noch!

Dass alles wieder

 Zurückgekehrt wäre

dahin, wo zuvor es schon war!

Denn übel war es zuvor

und besser, viel besser die Zukunft.“

Das Brot des Bäckers. Gezeichnet am 1.1.2020

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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33 Antworten zu „Das fehlte uns noch!“ – Katastrophisch-Ungereimtes (abc-etüde)

  1. Elke H. Speidel schreibt:

    „Maßnahmen, die nicht Maß nahmen“ – was für ein passendes Wortspiel! Passend in beide Richtungen: für Maßnahmen, die zu rigide ebenso wie für solche, die als halbherzig empfunden werden. Oder als unlogisch und inkonsistent. Was die meisten der antipandemischen Maßnahmen sind. Ein Mischmasch aus zu hart und zu lasch, das allen gerecht werden soll und (fast?) niemandem gerecht wird. Dass ein solches Vorgehen Menschen auseinanderbringt, die sich eigentlich mögen oder früher mochten, ist ein besonders bedauerlicher Kollateralschaden (ein widerliches Wort, das ich schon seit dem Kosovokrieg hasse!) der aktuellen Situation.
    Komm gut weiter durch dieses neue Jahr, liebe Gerda!

    Gefällt 4 Personen

    • gkazakou schreibt:

      Vielen Dank, Elke. Der Ausdruck „Kollateralschaden“, in all seiner Unmenschlichkeit, ist sehr gut gewählt für das, was sich abspielt, denn als „Krieg gegen den Virus“ wird das „Maßnahmenpaket“ bezeichnet, das vor einem Jahr über die Menschheit kam. Komm auch du gut voran, liebe Elke! Gerda

      Gefällt 1 Person

  2. Gisela Benseler schreibt:

    Ein „Zetermordio“ macht es nicht einfacher.

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  3. Gisela Benseler schreibt:

    Die Zeichnung gefällt mir sehr.

    Gefällt 1 Person

  4. TeggyTiggs schreibt:

    ….dass der Bäcker weiter sein Brot backt, gibt doch Hoffnung auf Vernunft und Realismus…

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  5. Christiane schreibt:

    Ich lese das und zucke zusammen: viel besser die Zukunft? Wer hat denn das je geglaubt, schon vor der Pandemie? Ich jedenfalls nicht. Ich bin sehr bei Elkes Kommentar. 🤔
    Aber die hohe Kunst deiner Reime, die bewundere ich wieder mal sehr (Hexameter? Ein paar?) 😁👍
    Morgenkaffeegruß und danke hierfür 😁🌥️☕🍩👍

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    • gkazakou schreibt:

      „Ich jedenfalls nicht“ – echoe ich dir und wünsche dir einen schönen Sonntag, liebe Christiane. Aber es ist nicht so, dass es sie nicht gäbe.
      Die Beschleunigung der Digitalisierung unserer Lebenswelten, unseres Warenverkehrs und Geldwesens, die Vernichtung angeblich obsoleter Kleinunternehmen, die Hygienisierung und Kontrollierbarkeit unserer Vorstellungswelt, die bessere Regierbarkeit der widerspenstigen Menschheit, die Ersetzung der Direktkontakte durch virtuelle „rein geistige“ Begegnungen … all das gilt nicht wenigen Machern als die großartigen „Nebeneffekte“ dessen, was sich abspielt. Wir erfüllen nun endich den mittelalterlichen Traum, „Engel“ zu werden, wie ich gestern in einem lesenswerten Essay las und der mich zu dieser Abschlussformel inspirierte (»Die guten Seiten der Zukunft« 14. Folge: Den Engeln gleich. Anmerkungen zur Metaphysik der Medien in Zeiten von Corona. Ein Essay von Manuel Schneider, gibt es als pdf im Internet). Nimm hinzu das heutige Zitat bei Finbarsgift von Blaise Pascal „Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, daß sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen“ – und du hast das Ideal, das so mancher Träumer in unseren Tagen Gestalt anzunehmen vermeint.

      Gefällt 2 Personen

      • christahartwig schreibt:

        Das etwas, was Blaise Pascal vor über 350 Jahren aufgeschrieben hat, heute in unzähligen Äußerungen zur Corona-Krise zitiert wird, erscheint mir als Missbrauch – schon deshalb, weil es mir vor lauter Zitat-Zitaten nicht gelungen ist, den ursprünglichen Kontext zu finden. – Vorhin telefonierte ich mit einer Freundin, die sich gerade darüber aufregte, dass zu ihrem Befinden in Corona-Zeiten befragte Passanten dem Reporter Antworten gaben wie, dass sie ja unter normalen Umständen zu dieser Jahreszeit, wie in den Jahren zuvor, Urlaub in Neuseeland machen würden, … Ja, das finde ich allerdings maßlos. Und dann denke ich, die Menschheit bekommt gerade, was sie verdient – mich selbst nicht ausgenommen (obwohl ich nicht mal Äpfel aus Neuseeland kaufe), und man sollte sich alle Maßnahmen sparen. Aber da wären dann noch meine Kinder und noch mehr die Kinder der Kinder …

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      • gkazakou schreibt:

        Liebe Christa, ich habe das Zitat von Pascal (sofern es richtig zitiert ist) erstmals und nur bei Lu Finbar gelesen. Ich will überhaupt nicht sagen, dass es nicht gut ist, die ewige Herumhasterei auf der Erde einzudämmen. Mich wundert allerdings, wie ein Reporter so viele so weitreisende Menschen für sein Interview gefunden hat, denn die meisten können sich ja solche Reisen gar nicht leisten und nicht mal vorstellen. Doch wie dem auch sei – vielleicht lebe ich ja auch in einer anderen Zeit und einem anderen Land.
        Was ich kritisiere, ist allein, dass Menschen, die nach einem langen bewegten Leben eine Sehnsucht nach Ruhe und Kontemplation haben, nun in der Coronakrise den Jüngeren vorhalten, wenn die noch etwas von der Welt sehen möchten.
        Ebenso unverständlich ist es mir, dass irgendwer glaubt, es wäre ökologisch vertretbarer, hunderte von Nachrichten-Satelliten im Weltall und Millionen Antennen für Mobiltelefone mit G4 und G5 Technologie zu installieren, als Kreuzfahrschiffe durch die Meere fahren zu lassen. Oder es wäre ohne Folgen für die Natur, wenn sich der Nachrichtenverkehr in den Netzen verdoppelt und verdreifacht. Ich weiß nicht, ob du die Strombilanz des internet kennst, sie ist veerheerend. Es ist für die Umwelt besser, ich besuche meine Freunde in Italien, als dass ich sie mit täglichen SMS beglücke. Nur so als Beispiel.
        Äpfel aus Neuseeland würde ich niemals kaufen, weil ich grundsätzlich und schon immer nur das kaufe, was bei uns angebaut wird. Aber all das hat mit Corona nicht das geringste zu tun, sondern mit der Organisation des Welthandels unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung und Profitmaximierung. Und es wird auch durch die Corona-Maßnahmen nicht umgedacht werden. Vielmehr sucht das System nach anderen Mglichkeiten, seeinen Profit zu erhalten oder zu steigern – das ist alles.
        Wenn man bereit wäre umzudenken, könnte man sich tatsächlich alle Maßnahmen sparen. Und deine Kindeskinder hätten eine Chance.
        Liebe Grüße!

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      • christahartwig schreibt:

        Liebe Gerda, in der Frage der Maßnahmen bin ich ja selbst so zerrissen wie ich mir nie vorgestellt habe, in einer Frage zerrissen sein zu können. Und das trotz lebenslanger Gewohnheit mit mir selbst zu diskutieren, und den Austausch mit Anderen zu suchen, weil ich gerne ab und zu noch eine dritte Meinung höre. Na klar, hast Du recht; Corona wird kein Umdenken bewirken – schon gar kein Umdenken, mit dem der Welt geholfen wäre. Nur ein Mehr an Digitalisierung, und jetzt werden schon die Schulclouds gehackt. – Dass Medien zwar nicht zwingend lügen, aber durch gezielte Berichterstattung manipulieren, ist klar. Nicht jeder macht regelmäßig Urlaub auf der anderen Seite des Globus – aber es sind viel mehr Menschen als vor fünfzig Jahren. Und die Welt ist nun mal keine Bonbonniere, aus der wir uns nach Belieben bedienen können, ohne dass sie irgendwann (schneller als erwartet) leer ist. Eine Wüste. Eine Müllhalde. – Mein Eindruck ist nur, dass es nicht die zum Umdenken bereiten Leute sind, die ein Ende der Maßnahmen fordern.
        Liebe Grüße auch an Dich.

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  6. Verwandlerin schreibt:

    😂😂😂

    Gerda, ich finde dich super!

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  7. lachmitmaren schreibt:

    Super gereimt! 🙂 Warum sich so viele Menschen zu einem Zetermodio veranlasst sehen, wenn jemand die „Maßlosigkeit der Maßnahmen“ zu kritisieren wagt, deren Sinn und Wirksamkeit anzuzweifeln wagt, das ist mir auch nach wie vor ein Rätsel. Dass es verschiedene Ansichten gibt, ob Maßnahmen zu hart, oder lasch sind, überhaupt in die „richtige“ Richtung gehen oder völlig „falsch“ laufen, ist normal. Dass erheblicher sozialer und sonstiger Druck ausgeübt wird, wenn man die Maßnahmen für nicht gelungen hält, das hat es in dieser Qualität aus meiner Sicht allerdings noch nie gegeben. Dass es als „gute Tat“ verkauft wird, diesen Druck auszuüben, weil …? DAS finde ich beängstigend.

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  8. Myriade schreibt:

    Mein like gilt auch deinen Reimen als gelungene Konstruktion nicht deren Inhalt !

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    • kopfundgestalt schreibt:

      Sehr richtig, Myriade!

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      • gkazakou schreibt:

        Richtig? Oder teilst du einfach nur ihre Meinung, die sie ja nicht weiter begründet?

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      • kopfundgestalt schreibt:

        Einfach??? Was einfach?
        Es schmerzt nur einfach, Gerda.
        Sorry.

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      • gkazakou schreibt:

        Ich versteh dich nicht, Gerhard. Was schmerzt? Der Inhalt? Die Tatsachen dahinter?

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      • kopfundgestalt schreibt:

        Der täglichen Zahlen der Toten

        In langen Kolonnen über die Bildschirme liefen

        Gestern in meinem kleinen und kleinsten Heimatdorf von zwei Siebszigern gehört, die an C gestorben sind.
        DAS ist REAL. Nicht deine Bildschirme.

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      • gkazakou schreibt:

        Ich stimme dir zu, Gerhard: das Sterben ist real. Die Kolonnen auf den Bildschirmen sind es in diesem Sinne nicht, und es sind auch nicht „meine“ Kolonnen. Wirf mir bitte nicht Inhalte vor, die ich nicht zu verantworten habe. Liebe Grüße!

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      • kopfundgestalt schreibt:

        UM zu verstehen, daß es faktisch Kolonnen sind, muss man sie zeigen als solche. Was sind 1000 Tote am Tag? Eine Zahl nur.

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      • gkazakou schreibt:

        Die Kolonnenvorstellung gefällt mir nicht, und falls ich an Covid sterben sollte, möchte ich nicht in einer solchen auftauchen. „Herr, gib jedem seinen eignen Tod“ (Rilke)

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      • kopfundgestalt schreibt:

        Es gibt keine geeigneten Bilder dafür.
        Ich unterhielt mich mit Joachim vor einigen Tagen über „grosse Zahlen“ an sich.
        Niemand wird abgeschreckt durch entspr. Bilder von durch Rauchen krank gewordener Menschen, ebenso hilft auch nicht, zig Millionen Plastikflachen, die in wenigen Sekunden – in einem Land – weggeworfen werden, auf einem Haufen zu zeigen.

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      • gkazakou schreibt:

        Das scheint mir richtig zu sein. Ins Bewusstsein dringen besonders Bilder von einzelnen Menschen, weil jeder von uns eine Einzelperson ist und sich nicht mit großen Zahlen, sondern nur mit Einzelwesen identifizieren kann, auch nur Einzelwesen wirklich lieben, vermissen, mit ihnen leiden kann. Ich denke an Bilder mit großer Wirkung, ja Erschütterung: im Vietnamkrieg das nackte Napalm-verbrannte rennende Mädchen, aus dem spanischen Bürgerkrieg der Republikaner mit der Gewehr, der getroffen fallend fotogafierrt wurde, ich denke an das skelettierte noch lebende Biafra-Kind, neben dem ein Geier sitzt und auf seinen letzten Atemzug wartet….Vielleicht kennst du den großen Essay von Susan Sonntag: „Regarding the Pain of Others“, 2003.

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      • kopfundgestalt schreibt:

        Das Buch kenne ich leider nicht, dafür Ähnliches:
        „A grief like no other“ von Eric Schlosser von 1997. Das war damals ein sehr wichtiger Artkel für mich und es ist sicher immer noch ein ganz wertvoller.

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      • gkazakou schreibt:

        ich bin eben deinem Hinweis nachgegangen. Ja, das trifft das Thema sehr gut. Das Schicksal dieser Menschen wird in sachlichen Begriffen beschrieben, aber es rührt tief an die eigenen Ängste und man identifiziert sich leicht. So mag es wohl auch gehen, wenn man die Leidensgeschichte eines an Covid erkrankten und dann verstorbenen Menschen liest oder gar selbst miterlebt hat. Ich habe das nicht erlebt, niemand in meinem Bezugsraumist erkrankt. Auch wurde in meinem Umfeld niemand ermordet. Wohl aber erlebte ich mehrfach hautnah das Leiden und Sterben an Krebs. Und fühle die Bedrohung durch Krebs daher weit mehr als durch Covid.

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      • kopfundgestalt schreibt:

        So wird das wohl immer sein.

        Aus besagtem Artrikel haben sie mittlerweile übrigens alle Fotos entnommen, die die Einzelfamilien vorstelllten. Leute wie Du und ich.

        Mein Bruder starb vor genau 16 Jahren an Krebs, meine Mutter und mein Vater davor.
        Mit jedem Fall wurde es näher.

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      • gkazakou schreibt:

        Ja, Bilder gab es nicht. Ist auch nicht nötig. Bei euch also auch der Krebs. …

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