Montag ist Fototermin: Ein Heim für Insekten. Kleine Beobachtungen (11)

Als ich heute vom Schwimmen heimkam, fiel mein Blick auf den roten Briefkasten, den wir nach unserem Einzug neben unserer Gartenpforte anbrachten. Später erfuhren wir, dass Post uns hier nicht erreichen würde. Also vergaßen wir auch den Briefkasten.

Heute aber fiel er mir auf, und nicht nur das: ich sah etwas durch den Spalt, durch den der Postbote die Briefe stecken würde, falls er denn käme. Jemand hatte sich da häuslich eingerichtet! Ein fein gebautes Wabengebilde mit einem Stiel, mit dem es sich an ein Plastikschild angeklebt hatte. Das Schild war altersschwach auf den Grund des Briefkastens gefallen und mit ihm auch das Wabenhaus.

Als ich den Kasten vorsichtig öffnete, bemerkte ich, dass es da drinnen noch weitere Baumaßnahmen gegeben hatte, alle hoch oben an der Briefkastendecke. Auch sie waren fein säuberlich mit einem Stiel am Metall befestigt. Ob sie wohl mal bewohnt waren? Links oben ist eine Wabe weiß verstopft – hat sich da was zum Überwintern eingenistet? Ähnlich wie beim Bau in der Ziegenglocke muss es darin im Sommer glühend heiß gewesen sein. Wurde das Gebilde deshalb mit einem Stiel versehen, um es vom unmittelbaren Kontakt mit dem erhitzen Metall abzuhalten? Fragen über Fragen.

Die noch festsitzenden Gebilde ließ ich, wo sie waren, das heruntergefallene trug ich ins Haus und stellte es zu dem anderen Insektenhaus, das ich im September fand, auf den Kaminsims, Beide sind federleicht, das neue wie aus Papiermasse, das frühere wie aus Lehm gefertigt.

Und wie ich so stand und diese natürlichen Kunstwerke verglich und bewunderte, fiel mein Blick nach unten auf den Boden des Kamins, wo ich gestern erstmals Feuer gemacht hatte. Ein Stück des Eisenrosts schaute mich an, als wollte es sagen: „Ich wurde nach demselben Bauplan gegossen“ Nun, fast. Die Menschen sind doch schneller zufriedengestellt als Mutter Natur. Ihnen reicht es meist, wenn etwas nützlich ist. Die Natur aber, sie besteht auf Raffinesse und Schönheit.

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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14 Antworten zu Montag ist Fototermin: Ein Heim für Insekten. Kleine Beobachtungen (11)

  1. Random Randomsen schreibt:

    Immer wieder faszinierend, welche schönen Kunstwerke von den Wesen unserer Mutter Erde geschaffen werden. Die Nester im Postkasten dürften von Feldwespen stammen. Dazu passen die offenen Waben, die Größe des Nestes und auch dieser „Stiel.“ Feldwespen sind ganz angenehme Nachbarn. Und da der Postkasten nicht für seinen eigentlichen Zweck verwendet wird, erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass da auch im kommenden Jahr wieder genistet wird. 😀

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  2. christahartwig schreibt:

    Das sind sehr interessante Fotos und Deine zuletzt angestellte Überlegung erinnert mich stark an Gedanken, die mir vor langer Zeit durch den Kopf gingen: Warum sprechen wir bei einem Ameisenhaufen (oder eben bei Bienenwaben, Vogelnestern, dem Staudamm der Biber, …) von Natur, bei einem Plattenbau aber nicht? Ist nicht der Mensch auch ein natürliches Geschöpf und bei allem, was er schafft, kann es sich folglich nur um Natur handeln- wie auch immer bearbeitet und verändert? – Noch in der Selbstanklage, die Natur zu zerstören, sind wir überheblich.

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Christa. Natürlich sind wir Natur (aber nicht nur). Wir werden geboren, wir essen, scheide aus, atmen, vermehren uns, sterben wie alle anderen Geschöpfe auch. Sagte ich „Geschöpfe“? Gibt es da jemanden, der uns und all die anderen geschaffen hat? Und wir, als kleine Götter oder als Imitanten von „Mutter Natur“ oder wie auch immer wir uns diese Schöpferkraft vorstellen, versuchen es ihr nachzutun – wie der Lehrling, der sich den Besen als Helfer holt, haben wir uns die Maschinen und nun auch die Elektronik geholt hat, nicht wissend, wie diese Helfer zu kontrollieren sind?
      „Ach, da kommt der Meister!
      Herr, die Not ist groß!
      Die ich rief, die Geister
      werd ich nun nicht los.“
      Nun, genug der Philosophiererei. Das Abendbrot ruft. Einen guten Abend noch!

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  3. afrikafrau schreibt:

    Keine Post aber Glück kommt da an. Fühlen sich bei euch sicher, sehr klug

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  4. Ule Rolff schreibt:

    Insekten finden unweigerlich alle Orte, an denen sie Ruhe zum Siedeln haben, so scheint es. Natürlich ist so ein roter Briefkasten eine besonders spektakuläre Wohnlage. Ich bin gespannt, ob die Stielröhren im nächsten Jahr wieder besiedelt werden.

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  5. chris schreibt:

    Das sind Feldwespen, die habe ich jedes Jahr bei mir.
    Sehr nützliche und hübsche Insekten, die übrigens
    im Gegensatz zur „gemeinen“ Wespe gar nicht
    nerven. Sie haben mehr schwarz als gelb
    und sind schlanker als die „normalen“
    Wespen (die ich natürlich auch
    bauen lasse, z.B. im Rolladen-
    Kasten) Wespen vertilgen
    Fliegen und sind nütz-
    liche Bestäuber. 🙂

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  6. wildgans schreibt:

    Ach, du auch so kleine, eigene Museen, dachte ich mir`s doch. Im alten Briefkasten mit dem Blümchenboden hast du echt was Wundervolles entstehen lassen…
    Grüße von Sonja

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  7. Ein ganz ähnliches Wabengebilde hatte ich unter der Abdeckung eines Veluxfensters. Ich war drauf und dran, sie ebenfalls in Netz zu stellen, wollte aber vorher noch etwas recherchieren. Ich habe die Bewohner selbst kennengelernt. Es waren Französische-Feldwespen. Sie verhielten sich sehr friedlich und waren ständig dabei, Ihre Waben aufzufüllen. Bis sie dann eines Tages alle weg waren. Da ich sie nicht weiter stören wollte, habe ich nicht mitbekommen, ob sie Nachkommen hatten.

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