Zwischen Recycling- und musealer Kultur: ein Ausflug

Gestern machte ich einen herrlichen Ausflug, um meine junge griechische Freundin S mit ihrem englischen Partner B zu besuchen. Welche Freude, sie in ihrem Häuschen zu erleben! Alles ist dort in recycelnder Bewegung. Das Häuschen selbst ist aus billigen Zementsteinen gebaut, aber das Dach solide. Ofen, Betten, Tische, Küchengerät – fast alles aus Weggeworfenem gezimmert und gelötet. Im ausgedehnten Garten Sitzgelegenheiten jeder Art und ein eigenwilliger Musikpavillon für gemeinsames Musizieren mit Freunden, oder auch einfach, um die Trommeln, Pauken etc vor Regen zu schützen. Und Tiere? Klar, auch sie sind Findlinge: zwei schwarze Hündinnen, sechs Katzen, ein Pferd, an das ich gleich mein mitgebrachtes Altbrot verfütterte, dazu eine Schar weißer Hühner, die ihren großen Auslauf gern fliegend verlassen (niemand mag ihnen die Flügel beschneiden), um das Gemüsebeet daneben umzupflügen.

Dass eine der schönsten Buchten Griechenlands nur ein paar hundert Meter entfernt liegt, darin ihr selbstgebasteltes Segelbötchen, und die zerklüftete Bergwelt im Hinterland zu stundenlangen Wanderungen einlädt, macht die Sache rund. S arbeitet beruflich in ihrem schönen grafischen Büro im Ortskern und verdient so das ja dennoch notwendige Geld, während B eine Hausruine in den Bergen eigenhändig wieder aufbaut, um sie später zu nutzen oder zu verkaufen. Diese beiden, dachte ich, sind bestens vorbereitet auf jede etwaige Krise.

Bei schönstem Wetter wurde uns (ein englischer Musiker kam zum Essen und zur anschließenden Probe vorbei) ein großer Eintopf aus Backofengemüse serviert (die beiden sind Vegetarier), pikanter  Ziegenkäse von der Nachbarin, dazu ein Rotwein, der ebenfalls aus einem Fund stammt; Jahrgang 2003, eine ganze Partie, schwer und vollmundig. Ich bekam eine Flasche mit auf den Weg. Man muss sie, sagten sie mir, einen Monat ruhen lassen, dann vorsichtig öffnen und notfalls durchseien.

Beglückten Herzens machte ich mich auf den Rückweg. Es war so ein herrliches Wetter, dass ich noch eine Pause in Alt-Kardamili einlegte, dessen herrschaftliche Ruinen inzwischen zum Teil renoviert sind. Einige der Häuser bieten nun bestens ausgestattete Suiten für Urlauber an, und der große Turm beherbert ein ausgezeichnetes kleines Museum über die Geschichte des Ortes.

Ich schnappte mir einen herumstehenden Stuhl und zeichnete die Front der historischen Kirche.

 

In Kardamili nahm ich einmal zusammen mit einer alten Freundin an einer Recycling-Ausstellung teil.

Meine Liebe zu Trash-Art habe ich schon des öfteren dokumentiert, zB hier: https://gerdakazakou.com/2018/12/26/thrash-art-ausstellung-2/

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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14 Antworten zu Zwischen Recycling- und musealer Kultur: ein Ausflug

  1. afrikafrau schreibt:

    Welch interessanter Beitrag. Freue mich über Menschen, die erfinderisch mit gebrauchten Dingen umgehen, sich kümmern und schätzen, dann daraus etwas Neues schaffen.Werte bewahren.
    Die Wegwerfmentalität ein Irrsinn. Alten Dingen die Schönheit zurückgeben, gefällt mir sehr.
    Tiere aufnehmen, so beglückend.

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  2. Mitzi Irsaj schreibt:

    Ein schöner Ort, den die beiden sich geschaffen haben. Wenn altes neuen Sinn bekommt, dann haben solche Möbel viel mehr Seele. Ich glaube das merkt man, wenn man in solcher Umgebung wohnt.

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    • gkazakou schreibt:

      Ihnen geht es vor allem um den unmittelbaren Gebrauchswert, glaube ich, den die gefundenen Dinge für sie haben. Ihre Geschichte ist ihnen unwichtig. Und das ist auch gut so denn sonst würden sie sich mit den fremden Geschichten belasten, die in jedem Ding stecken.

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  3. finbarsgift schreibt:

    Traumhaft schöner Besuch von Freunden bei traumhaft schönem Wetter in traumhaft schöner Gegend …
    Herz was willst du mehr!
    Dankeschön für’s Zeigen und Präsentieren liebe Gerda 🤗
    Herzliche Grüße vom Lu

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  4. gkazakou schreibt:

    Herzlichen Dank auch dir, lieber Lu. Ja, es war traumhaft schön. Den Anschluss bildete eine Schäferin, die ich auf der Heimfahrt sah. Sie lief hinter der großen wolligen Herde her, und hinter ihr liefen zwei winzige schwarz-weiße Hunde-Kinder. Ich wartete hinter dem Steuer, bis alle vorbei waren. Die Frau sah müde und abgearbeitet aus, sie eilte, aber sie schenkte mir ein Lächeln. Und die Schafe eilten, bogen fast im Galopp links ab und verschwanden in einem Nebenweg, dahinter die Frau, dahinter die beiden kleinen Hunde.

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  5. nandalya schreibt:

    Müde bin ich auch. Aber ein 😊 gibt es.

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  6. Ule Rolff schreibt:

    Zwei Geschichten, viele Bilder dazu, ein Vergnügen! Danke Gerda, auch für den neuen Begriff, den du mich gelehrt hast: trash art 😃

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  7. Johanna schreibt:

    Wunderbar 🌺🌻🌾

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  8. Bruni Wortbehagen schreibt:

    Traumhaft klingt, was du schreibst, was Du bei den Freunden erlebt hast, wie sie leben und wie sie am Leben teilhaben. So würde ich auch leben wollen, aber es wird mir in diesem Leben nicht mehr gelingen, liebe Gerda

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