Eine neue Kategorie möchte ich hiermit einführen: „Kleine Beobachtungen“ vornehmlich über Natur im menschlichen Umfeld. Also in meinem Umfeld.
Diese Ziegenglocke, deren Schatten du links siehst, hängte ich vor Jahren an einen Olivenbaum. Sie rostete dort still vor sich hin. Manchmal ließ ich im Vorbeigehen ihren Klöppel schwingen.
Eines Tages bemerkte ich, dass der Klöppel unbeweglich war, und schaute nach. Gestern fotografierte ich, was ich dabei entdeckte:
Die Erbauer und Bewohner dieses vielräumigen Hauses waren längst ausgezogen. Wie sie es überhaupt in diesem im Sommer sehr heißen Eisengehäuse aushielten, ist mir ein Rätsel.
Und zur Abrundung das kleine Goethe-Gedicht des Titels:
Die wandelnde Glocke
Es war ein Kind, das wollte nie
Zur Kirche sich bequemen,
Und sonntags fand es stets ein Wie,
Den Weg ins Feld zu nehmen.
Die Mutter sprach: »Die Glocke tönt,
Und so ist dir’s befohlen,
Und hast du dich nicht hingewöhnt,
Sie kommt und wird dich holen.«
Das Kind, es denkt: Die Glocke hängt
Da droben auf dem Stuhle.
Schon hat’s den Weg ins Feld gelenkt,
Als lief‘ es aus der Schule.
Die Mutter hat gefackelt.
Doch welch ein Schrecken hinterher!
Die Glocke kommt gewackelt.
Sie wackelt schnell, man glaubt es kaum;
Das arme Kind im Schrecken,
Es lauft, es kommt als wie im Traum:
Die Glocke wird es decken.
Doch nimmt es richtig seinen Husch,
Und mit gewandter Schnelle
Eilt es durch Anger, Feld und Busch
Zur Kirche, zur Kapelle.
Und jeden Sonn- und Feiertag
Gedenkt es an den Schaden,
Läßt durch den ersten Glockenschlag,
Nicht in Person sich laden.
Das ist ja eine tolle Überraschung und wahrscheinlich wurde es dem Bewohnern der Glocke dann dochzu heiß.
Sehr schön auch als Abschluss hier das Gedicht von der wandelnden Glocke. 😊
Liebe Grüße von Hanne
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Danke, Hanne!
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Das Gedicht ist mir auch bekannt. Doch es geht ja um Deine Entdeckungen in Eurer Ziegenglocke. Sind das vielleicht verlassene Hornissennester? Jedenfalls Kunstwerke!
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Leider weiß ich nicht, wer die ErbauerInnen waren. Vielleicht gibt es hier ExpertInnen unter den LeserInnen?
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Das ist Kunst, so oder so und du hast sie entdeckt liebe Gerda 🙂
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Dankeschön, Arno!
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Das Goethe etwas zum Kirchgang dichtete ist mir wahrlich neu … ich dachte, er hätte sich lieber in der Naturkapelle vergnüglich besonnen. Oder ich hab’s nicht richtig verstanden 😉
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ging mir genau so
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Hab bei Susanne kommentiert.
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Absolut Deiner Meinung Arno, daß ist Kunst!👌👍
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Danke, Babsi!
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Da Goethe bekanntlich kein Anhänger der kirchenfrommen Erziehung war, muss er mit diesem Gedichtchen anderes im Sinn gehabt haben. Ich erinnere mich, dass ich als Kind ein rennendes Mädchen gezeichnet habe, das vor einer es verfolgenden Glocke flüchtete. Und es mir durchaus unheimlich war. Also wirkt die Vorstellung auf die kindliche Seele als Drohung. Ich kann mir vorstellen, dass Goethe hier eine eigene Kindheitserinnerung (Drohung mit der verfolgenden Glocke, falls er Sonntags weiter die Kirche schwänzt ) in Gedichtsform gebracht hat.
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Ich meinte Deine Glocke mit dem verlassenen Bienenest Gerda! Das ist für mich Kunst! Goethes Gedicht passt natürlich gut dazu!
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Ja, hab ich schon verstanden, Babsi.
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Okay!🙊🙈😁😉🙋♀️
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Das eine sind die Erbauer einer Häuslichkeit in deiner Ziegenglocke, das andere das Gedicht, das ich nicht kannte (was kenne ich schon 😉 ), aber es hat mich erinnert: als ich 11 Jahre alt wurde zog ich mit der Mutter landwärts. Die Kirche dort war sehr modern und lud mich nicht ein. Natürlich bestand die Mutter darauf, dass ich weiterhin sonntags sie besuchte, während sie Zuhause das Sonntagsessen bereitete, ich aber ging in die Felder, entdeckte dort, was ich zuvor in der Stadt nie fand und fand einen Segen und mein eigenes Gebet, auch wenn ich dies mit 11 nicht so formulieren konnte. Die Mutter hat es nie gemerkt 😉 und ich hatte kein schlechtes Gewissen, Gott hatte schon in der alten Kirche verloren …
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Eine „kleine“ Beobachtung würde ich das nicht nennen liebe Gerda. So etwas Schönes ist doch zu beglückend.
Und dir ist nie erhöhter Flugverkehr um die Glocke aufgefallen? Kaum zu glauben bei deinem wachen Blick!
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Ich vermute, Ule, dass sie gebaut haben, als wir nicht hier waren. Und als es heiß wurde (und wir kamen), sind sie ausgezogen.
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Ich weiß nicht, was mich mehr berührt, dieses zarte Gewebe in der Glocke, oder das Gedicht. ( das ich nicht kannte). Auch ich lief als kleines Mädchen „ins Feld hinaus“ und ignorierte sowohl den Klang der Glocke, als auch die Worte der Mutter. Dieser Morgen hat sich mir tief eingegraben ins Gedächtnis. Ich hatte im Wald (oben auf einem Berg) ein unglaubliches Tiefenerlebnis. Danke Gerda, das ich durch deine Geschichte daran erinnert wurde. Und das verlassene Nest….. nie und nimmer wird es mir gelingen, es nachzubauen, aber versuchen möchte ich es. Liebe Grüße Marie
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Welch schöne Resonnanz, liebe Marie! Du wurdest zu einer Kindheitserinnerung zurückgeführt, die dich prägte… Das Nest nachbauen? Ja, versuch es! Liebe Grüße!
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Na sowas, verrmutlich ein Wespennest, liebe Gerda.
Welch kreative Tierchen sind sie doch… In Rolladenkästen bauen sie auch gerne, aber direkt am Küchenfenster mochte ich sie wirklich nicht und es mußte dort weg, denn verlassen war es ganz und gar nicht…
Ich mag Deine alte Ziegenglocke, sie passt so schön zu den Olivenbäumen, suggeriert mir eine kleine Ziegenherde, die sich hier futternd vergnügt 🙂
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