Schreiben und Zeichnen (2): Drei Frauen.

Jutta Reichelt, deren „Geschichtengenerator“ mich zu vielen Bildergeschichten inspirierte, teilt in Covid-Zeiten ihre Schreibanregungen großzügig mit allen Interessierten.

Die erste ihrer fünf zum 1. Mai verschickten Anregungen lautet:
1. Notiere eine Beobachtung. Es geht nicht um das Üben detaillierter Beschreibungen,  sondern darum, aus der unendlichen Fülle des uns umgebenden Geschehens etwas willkürlich herauszugreifen. Beschreibe so knapp oder so umfangreich, wie es dir gerade gefällt.

Hier nun mein zweiter Versuch.


Drei Frauen.

Eine junge stattliche Frau, hell mit bestickten Bordüren die weite Bluse über dem sich wölbenden Bauch. Ihr dunkles Haar hat sie in einem langen jugendlichen Pferdeschwanz zusammengefasst. Ihre Schwangerschaft ist weit fortgeschritten. In ihrer Haltung spüre eine stolze Erwartung. –  Die zweite Frau neben ihr ist noch nicht Frau, es ist ein kleines Mädchen in rotem Jäckchen, das mittelblonde Lockenhaar mit einer Spange am Hinterkopf zusammengehalten. Laufen kann es schon ausgezeichnet. Es hat ein Blümchen in der Hand, aber seine Aufmerksamkeit ist von meinem Hund gefesselt, der bewegungslos dasteht, etwas gekrümmt auf schiefen Beinen. Es tröpfelt aus ihm, zu mehr reicht es nicht, denn er ist nun alt geworden und das Urinieren ist freudlos. – Die dritte ist eine Frau in mittleren Jahren. In ihr ist Bewegung, Eifer, Aktion. Sie nähert sich rasch den anderen, in der Hand einige für das Enkelkind gepflückte Blumen. Kleiner, älter und gedrungener als die junge Frau, mit Jeans, gemustertem Pullover und Weste, das Haar gekürzt, verkörpert sie für mich die praktische umsichtige Großmutter, die sich um alles kümmert, während die Junge das neue Leben austrägt.
Ich sehe ihnen von Ferne zu, diesen drei Frauen in verschiedenen Lebensaltern. Und versuche mich im Geist dazuzugesellen, vielleicht als Urgroßmutter, vielleicht als Tante oder große Schwester. Es gelingt mir ein wenig. Die Erfahrung solch weiblicher Dreisamkeit habe ich selbst freilich nur aus der Perspektive des Kindes erlebt.  Das tut ein bisschen weh, aber meine Segenswünsche kann ich den Dreien und bald vieren dennoch aus ganzem Herzen zuschicken.

Analog zu den Fotografien, die ich heute postete, habe ich auch diese Figurengruppe nachträglich aufgehellt, dazu auch farblich verstärkt.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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21 Antworten zu Schreiben und Zeichnen (2): Drei Frauen.

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Diese Szene ist sehr lebendig gezeichnet! Wie das Kind den Hund begrüßt, finde ich besonders gelungen, aber alles andere auch.

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  2. Werner Kastens schreibt:

    Das linke Bild in der zweiten Reihe vermittelt den Eindruck einer Lupe. Das gefällt mir.

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Werner. Ich habe auch eine Variante mit rundem Lichtfeld, doch diese entspricht mehr dem, was ich auch mit den Fotos versuchte: die Entfernung zu betonen und die Szene zugleich gefühlt näher zu rücken.

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  3. Ulli schreibt:

    Liebe Gerda,
    die Entfernung ist dir auch dadurch gelungen, dass die drei Frauen und auch Tito sehr klein in ihrem Umfeld der großen Bäume sind.
    Drei Generationen Frauen, das ist schon sehr speziell, wie ich auch eigener Erfahrung weiß, ich erinnere mich da einen besonderen Moment.
    Schön, dass du trotz Vermissen Segenswünsche aussenden kannst, das können noch lange nicht alle.
    Herzliche Gute-Nacht-Grüße an dich
    Ulli

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  4. nandalya schreibt:

    Zwei Frauen und (m)ein Kind. Das ist mein Leben. 🙂

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  5. Ule Rolff schreibt:

    Diese aufgehellte Zone in der Zeichnung finde ich sehr anregend, liebe Gerda: sie isoliert die Personen wie in einer Blase (auch eckig denkbar, wird dadurch architektonisch-raumartiger), virusfrei? In Quarantäne.
    Zugleich #kreuzt du Zeichnung und Fotografie durch dieses Mittel, das wie in einer Bildauswahl isoliert die Belichtung erhöht. In der klare Begrenzung machst du transparent, was Fotografen normalerweise mit einem weichen Übergang unauffällig wirken lassen.
    Eine sehr interessante Gestaltungsidee.

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  6. Schöne grafische Experimente. Zeichnerisches Können und digitales Bearbeiten gehen wie so oft bei dir eine sehr gelungene Synthese ein.

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  7. gkazakou schreibt:

    Danke, Joachim. Dein Urteil freut mich.

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  8. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Die ausführlichen Worte hast Du für Deine drei Frauen in verschiedenen Lebensaltern gewählt, liebe Gerda, und Deine Zeichnung zeigt wie wieder, drei Frauen einer zusammengehörigen Gruppe. Hier sind sie, wie auf dem Foto, in der Ferne und Dein gekennzeichnetes helles Feld, in dem Du sie festhältst, einschließlich Deines Titos, wirken wie mit der Lupe verangezoomt.
    So bietet sich uns eine Plattform zum Betrachten und unsere Gedanken kreisen sie ein.
    Die dunklen Bäume betrachten wir kaum noch, sie sind im Moment nicht wichtig.

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