Collagen mit Melancolia (Raum-Zeit-Collagen)

Für mein heutiges PingPong 077 habe ich eine Variante der Melancolia gewählt, bei der ihr Hauptcharakterzug – die Melancholie – durch die Anwesenheit des Pferdes und die Farbgebung gemildert ist.

Bei den jetzt gezeigten Collagen herrscht das Moment der Melancholie vor.  Der traurige Engel meditiert mit dem Zirkel in der Hand über die Architektur der heutigen Mammut-Städte. Als Hintergründe habe ich eigene Gemälde benutzt.

Raum-Zeit-Collagen nenne ich sie, weil sie weit auseinander liegende Epochen in eins fassen: Die Original-„Melancolia“ ist von Messgeräten begleitet,  die zu Dürers Zeiten gerade erfunden bzw zu höchster mechanischer Vollkommenheit entwickelt worden waren.  Damit wurden die Paläste, Bürgerhäuser und Kirchen der Renaissance-Menschen aufs Feinste berechnet und erbaut. Dies stelle ich nun zusammen mit Verhältnissen in modernen Mammutstädten: Smog und Kunstlicht, Häuser, die, kaum gebaut, schon wieder zerbrechen, windschiefe Favellas und Hochhaus-Massierungen.

Die letzte Collage nenne ich „Heimkehr“.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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28 Antworten zu Collagen mit Melancolia (Raum-Zeit-Collagen)

  1. Phantastisch Gerda! Ja ich glaube auch, daß nicht viel bleibt von unserer Bauepoche! 🤔

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Wirklich sehr mutig und kreativ und farblich sehr vielseitig und schön gestaltet.

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  3. Ule Rolff schreibt:

    Kein Wunder, dass sie bei dem Anblick schwermütig wird!
    Ich habe mich hier gefreut, dass du über den historischen Kontext des Zirkels in ihrer Hand etwas geschrieben hast. So erschließt sich der Zusammenhang mit deiner Bildauswahl für die Montagen leichter.
    Wie bemerkenswert stimmig fügt sich die Melancholia hier ein.

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    • gkazakou schreibt:

      Der Zirkel ist nicht eigentlich eine Erfindung des 15. Jahrhunderts – seit Euklid ist er im Prinzip bekannt und wurde zusammen mit dem Lineal, verwendet – aber seine mechanische Verfeinerung und massenhafte Produktion fand erst zu Dürers Zeiten statt – und zwar grad in Nürnberg. Außerdem sieht man auf dem Original noch eine Menge anderer Geräte, die zum Häuserbauen verwendet wurden. Dieser Engel ist anscheinend dem Bauhüttenwesen entsprungen, aus dem sich dann die Freimaurerei entwickelte.

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    • gkazakou schreibt:

      Nein, keine Architektin, aber der Geist des Bauwesens mit Hinweis auf den Weltenerbauer. Die Bauhütten führten ihre Tradition ja sehr sehr weit, bis zu den Anfängen der Menschheit zurück, und stützen sich auf Wissen, dass nur von Eingeweihten geteilt wurde. Die Geheimnistuerei hatte dabei eine durchaus praktische Seite, denn nicht jeder sollte das Wissen beherrschen, Daidalos zB war wohl ein Eingeweihter, der sein Wissen missbraucht hat.

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      • Ule Rolff schreibt:

        So lange zurück verstanden sie ihre Wurzeln? Das wusste ich nicht. Interessant jedenfalls auch, dass ein Symbol des Bauwesens gerade der Melancholia in die Hand gegeben wird.

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    • gkazakou schreibt:

      Ja, so weit. Bis zu den Anfängen der Baukunst. Siehe auch „Turmbau zu Babel“, Pyramiden, Tempelbauten … Das Wissen war geheim und wurde streng gehütet. Charaktistisch ist die Legende um Hiram, den Architekten des ersten (salomonischen) Tempels von Jerusalem (gebaut kurz nach 1000 v. Chr), auf den sich die Freimaurer als „Gründungsfigur“ beziehen. Der wurde ermordet, weil er sein Wissen nicht rausrücken wollte. Er gilt als Eingeweihter in die 42 Bücher des Thot. Das Wissen kam durch die Templer, die es 1104 in der arabischen Bauhütte von Akkam aufbewahrt fanden, nach Europa. Auf diesem Wissen gründeten sich die Bauhütte der Zisterzienser und die Kunst des gothischen Dombaus.So reicht die Tradition vom alten Ägypten über Jerusalem bis ins Mittelalter, wurde dann mit dem neuzeitlichen Aufklärertum verbunden und führte zur Bildung der Freimaurerorden, die die französische Revolution und die nord- und mittelamerikanischen Freiheitskriege inspirierten..

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    • gkazakou schreibt:

      Bitte sehr, liebe Ule. Ich denke, es wird den einen und die andere Leserin interessieren, darum ging ich so ausführlich drauf ein.

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  4. kopfundgestalt schreibt:

    Melancholie ist ja etwas anderes wie Schwermut. Solitude im englischen bezeichnet eher selbstgewählte Einsamkeit , eine art Kontemplationsbasis.

    Der traurige Engel überdenkt wohl mehr die Menschen an sich, ihr tun und nicht tun, ihr irren und ihre Verirrung.
    Der Engel war schon vor Jahrtausenden traurig, seine Haltung hat sich nicht geändert.
    …schöne arbeiten by the way

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  5. Myriade schreibt:

    Die Melancholie wirkt sogar wenn man die Bilder ganz klein sieht. Gefällt mir sehr!

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  6. PPawlo schreibt:

    Großartig!
    Diese Collagen berühren mich eigen-artig. Sie bringen ja so viel ins Schwingen, mischen die Zeiten und Orte, Stile und viele unserer bildnersichen Mittel! Sehr mutig und unkonventionell auch! Ich finde sie auch in der Kunstgeschichte im Angelus Novus und der Motivgruppe der Engel bei Paul Klee wieder. Ganz anders dargestellt, sicher, aber gerade der Angelus Novus wird immer wieder als kritischer Beobachter der Menschen beschrieben und empfunden. So ein bisserl wird dein Engel zum ewigen, zeitlosen Engel: Angelus Eternus. 😉

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe Petra, dein Kommentar, für den ich dir sehr danke, öffnet eine Interpretation, die in meinem zwar angelegt, aber nicht voll zum Ausdruck gekommen ist: Was ist Geschichte? ich las eben bei Wiki ein Zitat von Benjamin über den Angelus novus nach, das den Unterschied klarmacht: mein Engel sitzt düster, stumm und grübelnd, das nutzlos gewordene Gerät in der Hand, vor den „Trümmern der Geschichte“. Er ist ausgereift und erstarrt (ich habe ihn sogar als schwaches Relief gestaltet), während der von Klee ein junger „Engel im Werden“ ist, lebhaft, hellwach und umgetrieben. Das Zitat von Benjamin (der den Angelus von Klee kaufte und auf seiner Flucht immer wieder zurücklassen musste) muss ich hier noch anfügen, es ist so großartig:

      „Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“

      – Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte (1940), These IX[11]

      ich denke, Dürer hat in seiner Melancolia vorausempfunden, wohin der „Fortschritt“, der zu seiner Zeit (Renaissance) allüberall als wohltuender Sturm empfunden wurde, führen würde: in eine tiefe Verzweiflung angesichts der Trümmerlandschaft des 20. Jahrhunderts und in die resignative Stimmung des 21. Jahrhunderts.
      Mit sehr verbundenen Grüßen, Gerda

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      • PPawlo schreibt:

        Liebe Gerda, das ist ein spannendes Statement! Ja, wenn ich mich richtig erinnere, ist dieser Engel durch Walter Benjamin erst so richtig bekannt geworden und über dieses Zitat wurde viel diskutiert. Ob Klee das denn so gemeint hat. Der Engel entstand 1920 und konnte zumindestens noch nicht den 2.Weltkrieg meinen. Aber es gab wahrscheinlich Vorahnungen und der 1. Weltkrieg war auch noch nicht lange vorbei. Hitlers Putschversuch war 1923 (hab gerade nachgesehen) . Da kann 1920 ja schon etwas aufgekommen zu sein. Kennst du den Film „Die weiße Wand?“ . Da lernt man die enge, verlogene Atmosphäre kennen, in denen viele Kinder vor dem 1. Weltkrieg aufwuchsen. Das dürfte für einen Engel bereits sehr befremdlich sein😉 Herzensgruß zurück, Petra

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  7. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Ich freue mich an den vielen aufschlußreichen Kommis, denen ich im Moment auch nichts hinzufügen könnte. Die vierte Collage zeigt die Zerrissenheit der Welt und es könnte auch durchaus die heutige sein. Dein Sprung durch die Zeiten ist spannend und aufschlureich und ich genieße ihn.

    Ich betrachte Deine Collage Heimkehr und glaube, der Engel ist nicht zufrieden mit dem, was er sieht. Er kommt dann, müde und zerschlagen von allem, was er erlebte, sieht sich um und weiß nicht, wie er hier wieder aufrichten soll. Noch grübelt er, liebe Gerda, aber er wird sich erholen und neue Gedanken werden ihn ihm erwachen, ganz so, wie es uns auch oft genug geht.

    Liebe Grüße in Dein Wochenende von Bruni

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Bruni, für deinen lieben Kommentar. Ja, Heimkehr – was ist das überhaupt? Gibt es die überhaupt? „Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus“ – dichtet Schiller in der Glocke. Fremd er selbst, fremd die Heimat, denn beides hat sich verändert. Nichts bleibt, wie es war.

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  8. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Dieses Fremdsein im Vater- und Mutterhaus, wie gut kenne ich das… Am Ende gab ich es leichten Herzens her… Es war schon lange nicht mehr meins.

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    • gkazakou schreibt:

      Eine leichte Wehmut beschlich mich schon, als ich nach Jahren der Abwesenheit mal wieer vor meinem Geburtshaus stand, das unser Vater baute und in dem unsere Mutter 40 Jahre lebte. Jetzt wird es von anderen Menschen bewohnt, die mir fremd sind, und vieles wurde verändert. Aber das Dach, unter dem ich groß wurde, ist noch dasselbe.

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