Eine Art Rückbesinnung

Der 23. Dezember ist für mich immer ein Tag, da ich in Gedanken nach Stalingrad wandere. 1942 und ich bin ein halbes Jahr auf der Erde. Mein Vater ist einer von denen, die an diesem Tag dort verbluten und der daher nicht mein Vater werden kann. So wachse ich auf in dem, was Mitscherlich später die „Vaterlose Gesellschaft“ nennen wird (Alexander Mitscherlich, „Der Weg zur vaterlosen Gesellschaft“, 1963).

Alexander und Margarete Mitscherlich waren es dann auch, die 1967 die für mich wichtige Schrift  Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens verfassten. Diese „Unfähigkeit“, sich mit dem so vielen Mitmenschen zugefügten Leid zu konfrontieren und es erneut oder überhaupt zum ersten Mal zu durchleiden, erzeugte die für die deutsche Nachkriegsgesellschaft so charakteristische Dumpfheit und Umtriebigkeit, die schließlich in dem selbstbestätigenden Satz gipfelte: „Wir sind wieder wer“. Und sich heute gern aufbläht zu dem älteren „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“.

Heute Nacht las ich dazu Nachdenkenswertes in einem Essay von W.G. Sebald („Konstruktionen der Trauer. 1. Die Unfähigkeit zu trauern. Defizite in der Nachkriegsliteratur“1961,  in ders., Campo Santo, Fischer Taschenbuch, 2. Aufl. 2013, S.101 ff) und mir schien, dass mein Zerwürfnis mit meiner Heimat damit zusammenhängt. Denn ich trauerte und hörte nie auf zu trauern um all die, die hingemordet wurden. Unter jedem Stein, den ich umdrehte, lagen sie, und ich meinte, mich um sie kümmern zu müssen, da die, die dazu eigentlich berufen waren, es nicht taten. Denn leider war es so: Die deutsche Gesellschaft kümmerte sich nicht um diejenigen, die in ihrem Namen ermordet wurden. Vielmehr duldete sie die Mörder weiterhin unter sich.

(Dazu wiederum Mitscherlich: 1949 erschien sein Buch Wissenschaft ohne Menschlichkeit: Medizinische und Eugenische Irrwege unter Diktatur, Bürokratie und Krieg über die NS-Ärzteprozesse in einer Auflage von 10.000 Exemplaren. „1960 erinnert sich Mitscherlich: ‚[…] Nahezu nirgends wurde das Buch bekannt, […] Es war und blieb ein Rätsel – als ob das Buch nie erschienen wäre.‘ Über das Schicksal des Buches herrscht bis heute Unklarheit. Mitscherlich vermutete, es sei von den Ärztekammern […] ‚in toto aufgekauft‘, denn alle Exemplare seien ‚kurz nach dem Erscheinen aus den Buchläden‘ verschwunden“.[4] „Alexander Mitscherlich war seitdem aus den medizinischen Fakultäten Deutschlands ausgegrenzt; […] er [wurde] nie an eine medizinische Fakultät berufen. (zitiert nach Wikipedia))

Kalamata, 2019. Trauerfeier für 513 am 8. Februar 1944 von deutschen Besatzern und griechischen Collaborateuren ermordete und bei den Schlachthöfen am Westufer verscharrte Mitbürger. Foto: Tageszeitung „Eleftheria“.

Seit ich in Griechenland  lebe, sind mir unzählige von Deutschen ermordete Griechen begegnet. Gestern wurde ein Mahnmal für die 513 Ermordeten von Kalamata feierlich eingeweiht. Sollte man sie nicht endlich vergessen? Nein, sagen die Überlebenden und die Nachgeborenen. Nicht Hass und Rachegefühle wolle man nähren, wohl aber die Erinnerung an die Barbarei von Krieg und Faschismus wach halten. Leider scheint dieses Erinnern mehr ein Anliegen der Opfer als der Täter zu sein.

Lebhafte Erinnerungen rief auch ein Podcast wach, das heute zum 40. Jahrestag von Rudi Dutschkes Tod bei Ken.FM eingestellt wurde. (Rudi Dutschke, Jg 1940, wurde 1968, damals 28 Jahre alt, von einem Attentäter in den Kopf geschossen und starb zehn Jahre später, am 24. Dezember 1979, im dänischen Exil).  Erinnerungen, denn ich fühlte mich als Teil der damaligen Bewegung, die die Verkrustungen und Verdrängungen der Nachkriegsjahre nicht mehr ertrug und neues größeres Unheil heraufziehen sah. Ich lebte in Berlin-West, war 1966-67 Mitglied der Studentenvertretung der Freien Universität, demonstrierte gegen neokolonialistische Morde (Lumumba im Kongo) und Kriege (Vietnam), gegen die „technokratische Hochschulreform“ und verteidigte das „Humboldtsche Ideal“ eines allseits gebildeten Menschen.  Verzweifelt auf der Suche nach einem Ausweg aus dem „alternativlosen“ Kalte-Krieg-Motto: „entweder du funktionierst so wie wir es wollen“ oder „geh rüber, wenn es dir hier nicht passt“ – war Rudi Dutschke fast so etwas wie eine Offenbarung: denn er wies über das bürokratische DDR-Modell hinaus (das ich grässlich fand) und träumte und kämpfte für eine menschliche Verfassung, in der der „Ewige Frieden“ nicht eschatologisch herbeigesehnt, sondern von mündigen Bürgern selbst geschaffen würde.

Wie weit wir heute davon entfernt sind, brauche ich nicht zu betonen. Und dennoch sehe ich auch heute keinen anderen Weg als den: dass sich die Zahl derer vermehrt, die nicht mehr bereit sind zu glauben, dass „wir ja doch nichts tun können“, sondern die begreifen, dass das, was uns als Menschheit geschieht, in unserer eigenen Menschheits-Hand liegt.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Katastrophe, Krieg, Leben, Legearbeiten, Meine Kunst, Politik, Psyche, Zeichnung abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

58 Antworten zu Eine Art Rückbesinnung

  1. wechselweib schreibt:

    Danke für das Teilen deiner Erinnerungen und Gedanken, Gerda!
    Und ja, ich glaube auch: Man kann etwas tun.

    Marion

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  2. mynewperspective schreibt:

    Eine sehr persönliche, mir sehr nahegehende „Rückbesinnung“, liebe Gerda.
    Trotz der schwere, die ich jetzt fühle … Dir ebenfalls frohe Weihnachten!

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  3. Ule Rolff schreibt:

    Ja, Gerda, es bleibt unser Problem, dass die Täter „von damals“ nach Kriegsende weiterhin maßgeblichen Einfluss in Schlüsselpositionen behielten oder sehr schnell wiedererlangten und damit die nächste Generation beeinflussten. Wie weit diese Einflüsse reichen, auch in Vernetzung mit Großindustrie und Kapital, kann man heute leider sehen, es passiert, wovor wir immer gewarnt haben, faschistischer Einfluss in der Gesellschaft wächst wieder. Und das funktioniert, weil die „normale“ deutsche Gesellschaft sich nie mit den Gräueln der Nazis ernsthaft konfrontiert hat, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass man auf die persönliche, eigene Verantwortlichkeit geschaut und sich mal offen geschämt hätte. Es wurde geleugnet und auf die anderen verwiesen. Und heute wieder?
    Danke, dass du nicht müde wirst, daran zu erinnern und dennoch Humor und Lebensfreude behältst. Auch dir frohe Weihnachten in Griechenland, wo du für meine Begriffe völlig nachvollziehbar lieber leben magst.
    Sei von Herzen gegrüßt – voller Freude, dich in diesem Jahr gefunden zu haben –
    Ule

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Ule. Ich möchte nicht, dass sich jemand für andere schämt. Fremdschämen – das kenne ich selbst allzu gut, und ich hoffe, ich habe es hinter mir gelassen. Im Grund ist es Anmaßung. Es reicht, zu seinen eigenen Taten und Unterlassungen zu stehen. Damit hat man dann schon genug zu tun.
      Die Lebensfreude mir nicht rauben zu lassen – das gehört zu den wichtigen Leistungen, auf die ich fast stolz bin. 🙂
      Auch ich bin von Herzen froh, dass sich unsere Wege in den Weiten von WWW #gekreuzt haben und freue mich auf weiteres! Habs gut!. Gerda

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  4. violaetcetera schreibt:

    Eine beeindruckende Weihnachtsbotschaft hast du uns da vermittelt, liebe Gerda.
    Ich wünsche euch trotz allen Widrigkeiten ein schönes Fest!

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  5. koriandermadame schreibt:

    Vielen Dank für diesen Beitrag!

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  6. elsbeth weymann schreibt:

    Ja, Gerda. Danke. Erinnern ! wach sein…, wach sein !
    Du hast in Berlin, ich zur gleichen Zeit in Freiburg demonstriert…mein Vater kam zurück, schwer verwundet,nicht nur körperlich (9 x aus dem brennenden Flugzeug mit dem Fallschirm abgesprungen) –Und er kam mit einer liebevollen Achtung vor den Menschen, den „Feinden“, die er persönlich erlebt hat, zurück. Eine russische Bäuerin hatte ihm das Leben gerettet nach einem Flugzeugabschuss. Er kam mit einer klaren Botschaft.“ nie, nie wieder“…und vor allem „wehret den Anfängen“….
    Es sind eben nicht einfach “ die Verhältnisse“…man kann etwas tun,… immer.
    Im eigenen Bereich, eigener Reich-Weite.
    Und …alles wirkt…Kante zeigen !—- oder dann auch wieder still etwas tun.
    Sehr herzlich !!! Dank für Deine Worte….
    Elsbeth

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Elsbeth, für dein Erinnern. Und ja, ich sehs wie du. Brauche ich nicht extra zu unterstreichen. Nur das mit den „Anfängen“ leuchtet mir nicht ein. Was soll „Anfänge“ heißen, wenn es doch nie zu Ende war? Wenn es eine Kontinuität im Denken und Fühlen gibt, ja auch in der Art, wie die staatlichen Apparate und die wirtschaftlichen Unternehmen funktionieren … und wie die Wahrheit nicht gesucht, sondern vertuscht wird. Der Krieg hat ja nie aufgehört.
      Nun aber : Freuen wir uns. Weihnachten steht vor der Tür. Sehr herzliche Grüße! Gerda

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      • elsbeth weymann schreibt:

        nur noch kurz : ich sehe einen Unterschied–
        als wir Studenten z.B. 1968 für Prag auf die Straße gingen, wurden wir lautstark angegriffen, heftig angepöbelt, es wurde Polizei eingesetzt..von Menschen aus der Generation unserer Eltern. Als ich jetzt hier in Berlin mitdemonstriert habe ( nach dem Anschlag in Halle ) war es ein riesiger Zug von Menschen aus mindestens 3, 4 Generationen und den verschiedensten Hautfarben unter dem Motto „Wehret den Anfängen“…bezogen auf den Anschlag— und auf die AfD.
        Da hatte ich das Gefühl…es HAT sich etwas geändert..gerade im Denken und Fühlen. ….wobei ich nicht blind bin für das, was Du als Kontinuum anführst.! Aber die Zivilgesellschaft ist für mich ein neues Faktum…von Greta bis z.B. zum Zusammenschluss von Menschen unter dem Motto “ wir machen das“, die kreativ und höchst originell und wirksam in vielen Bereichen Menschen helfen— wo es um Migration/ Flucht/ Integration geht. Völlig außerhalb staatlicher Apparate …das macht mir Hoffnung.
        Lieben Gruß!

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Elsbeth, ich meine, es ist ein Trugschluss dabei: die damaligen Demonstrationen waren konfrontativ, die heutigen laufen im Mainstream, stellen das System nicht in Frage. .- Gegen die AfD und für die Integration von Flüchtlingen zu sein – das ist Mainstream-Politik, es ist gut und schön, sich da zu engagieren, aber es tut den Herrschenden nicht weh. Ganz im Gegenteil sogar, es liegt auf der Linieder offiziellen Politik. Dasselbe gilt für Greta. Wenn du jetzt aber grundsätzliche systemische Themen aufwerfen würdest wie wir damals, Kriegsbeteiligungen, Wehretat, Nato-Manöver an Russlands Grenzen, Finanzsystem, Kinderarbeit in Drittländern und allgemein legale Bereicherungsformen, Hartz, Altersarmut, Obdachlosigkeit und allgemein Strategien der Verarmung breiter Schichten nicht nur in Deutschland, außenpolitische Festlegungen (zB Syrien, Kolumbien, Venezuela), manipulative Medien und Überwachungssysteme jeder Art, ….und sie mit heftigem Gestus und wortgewaltig wie Dutschke damals auf der Straße und auf Plätzen vortragen würdest – wenn du also das System und die Einbettung Deutschlands in diesem System infragestellen würdest, dann würdest du immer noch mit einer Kugel im Kopf enden.

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      • Rainer Hartwich schreibt:

        Dem ist nichts hinzuzufügen, Dir alles Gute liebe Gerda

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      • elsbeth weymann schreibt:

        liebe Gerda, nein, so einfach sehe ich das nicht. Damals : konfrontativ – heute Mainstream, wenn ich mich engagiere und ganz konkret etwas tue, was gegen das „System“ sich richtet… Unterstützung von Kirchenasyl, Stuttgart 21, Friday for Future oderoderoder..???.auch wenn es jeweils IMMER in Details auch Fragezeichen gibt
        Im großen Problem des „Dagegen“, egal welcher Couleur, laufen nach meiner ,
        (wahrscheinlich nicht verallgemeinerbarer Erfahrung) die Linien dann doch plötzlich anders.. Auch „Wir“ damals als die vermeintlich „Richtigen“ waren nicht gefeit , selber systemischer(!!) Gewalt im eigenen Kontext zu erliegen….so habe ich es in Freiburg erlebt: Besetzung der Uni, Kampf um Drittelparität, andere Forschung und Lehre ( engagierte ältere (!) Professoren auf unserer Seite ), SDS mit und contra Dutschke, Bloch, Habermas u.u.u.. heute sehe ich es etwa wie Brecht es darstellt in „An die Nachgeborenen“ . Und ich engagiere mich weiter, nur klein und individuell, persönlich. Ob das nun Mainstream ist oder nicht, interessiert mich nicht.Fehler inbegriffen. IMMER.
        Liebe herzliche Grüße, Elsbeth

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    • gkazakou schreibt:

      „Auch „Wir“ damals als die vermeintlich „Richtigen“ waren nicht gefeit , selber systemischer(!!) Gewalt im eigenen Kontext zu erliegen…“. Richtig, Elsbeth! Soo kann ich dich sehr gut verstehen und dir auch zustimmen. Mir geht es ja genauso. „Ich engagiere mich weiter, nur klein und individuell, persönlich. Ob das nun Mainstream ist oder nicht, interessiert mich nicht.“ Genau. Selbstverständlich engagiere ich mich im Kleinen. Im übrigen ist es ja nicht schlimm, sondern im Gegenteil höchst willkommen, wenn das, was ich selbst für richtig erachte, „mainstream“ wird. Ich bin gar nicht für eine grundsätzlich konfrontative Haltung. Wenn Friedenspolitik, Aussöhnung, Verzicht auf neokolonialistische Vorteilsnahme zum Mainstream würde, so dass die Menschen nicht mehr in die Flucht getrieben werden – wo schön wäre das! In dem Sinne möchte ich verstanden werden. Helfen, wo ich persönlich helfen kann, sicher, das ist selbstverständlich. Darüber hinaus und weitaus schwieriger, konfrontativer und daher seltener ist die politische Stellungnahme in all den Fragen, die die Fluchtursachen betreffen und das Unglück immer weiter fortschreiben. Es sind viele Fragen, die jede einzelne eine gesonderte Beantwortung verlangt und die ich oben nur summarisch bezeichnen konnte (zB „neokolonialistische Vorteilsnahme“), was mir eigentlich nicht liegt, aber in dieser Form des Kommentars unausweichllch ist.
      Nochmal Dank, Elsbeth, für deine Gegenrede, die mir wertvoll war! Gerda

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  7. wildgans schreibt:

    „Gefällt mir“ will ich nicht…
    Habe es gelesen, es öffnet mir Augen. DANKE

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  8. lieberlebenblog schreibt:

    My Generation … Frohe, vor allem friedvolle Weihnachten … und darüber hinaus. Das wäre gut!

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  9. Ulli schreibt:

    Liebe Gerda, da ich heute mächtig Achterbahn gefahren bin, lasse ich dir eine Umarmung hier. Deine Trauer und dein Wünschen sind auch meine.
    Liebe Grüße Ulli

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  10. Ola schreibt:

    Danke für diesen Beitrag, der mir zu diesem Weihnachten ins Gedächtnis ruft, wie sehr wir mir unserer persönlichen Entwicklung in die Geschichte unserer Zeit verwoben sind. Immer habe ich daran geglaubt, dass jeder auf seine Art einen Beitrag zu leisten habe, vielleicht romantisiert an Steppenwölfe geglaubt. Und ich finde es grauenhaft, dass ich jetzt so „alt“ klinge, wenn ich sage, dass es mich fassungslos macht, wie viele junge Menschen glauben, dass Geschichte nur eine Altlast ist. Und wie in Wirtschaft und Politik meine heiß geliebten, aber schlimmsten Science Fiction Szenarien der Welt wahr zu werden scheinen. Dies ist nun einmal die wundervollste Welt, die ich kenne, wie sollte ich aufhören, mir Sorgen zu machen? Aber vielleicht ist es nur dasselbe Rad, das sich dreht und ich muss die Geschicke dieser Welt mit Hoffnung in die Hände derer legen, die länger darin leben werden. Weihnachten ist nicht gerade meine Freu-Fest, nachdem die Familie klein, der Glaube abhanden, der Wald zu licht und das Gedränge im Supermarkt größer geworden ist. Aber der endlose Regen fördert die innere Besinnlichkeit. Das mag dann also doch im Sinne des Festes sein.

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Ola, für deinen mich sehr ansprechenden Kommentar. Geschichte ist, so meine auch ich, keine Altlast, sondern das, was sich ständig ereignet, jeden Tag aufs Neue, die permanente Reproduktion des So-Seins des Systems durch unser So-Handeln – nur eben im Rückwärtsblick zusammengefasst als „Geschichte“. Was bleibt uns anderes, als dieses unser So-Handeln immer neu zu überdenken und vielleicht ein wenig zu verändern, und so den kleinen Unterschied zum Besseren zu erzeugen? Dies ist die wundervollste Welt – wie gern höre ich das. Ja, sie ist voller Wunder. Und darinnen der Mensch, auch er voller Wunder und mächtig, Dinge schlimmer oder besser zu machen.
      Der Regen fördert die Besinnlichkeit, auch das stimmt. Hier plätschert es seit Tagen. es ist gut, um sich einzuigeln. In diesem Sinne: ein frohes Fest!

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  11. TeggyTiggs schreibt:

    Liebe Gerda,

    es ist spät und ich kann nicht so auf Deinen Beitrag eingehen, wie er es verdient. Mein Vater überlebte seinen Einsatz als Soldat an der Ostfront und ich weiß nicht, ob ich dafür dankbar sein soll, hat er mir doch seine Last auf die Schultern gelegt…ohne weitere Erläuterung hier…

    Ich bin letztlich ratlos und weiß nicht, ob es überhaupt möglich und sinnvoll ist, diese Welt verbessern zu wollen, aber sicherlich ist solch ein Wollen verständlich für die, die aus diesem Leiden hervorgingen. Die Erinnerungen daran helfen nur denen, die diese Erinnerungen nicht brauchen.

    …trotz allem, ich wünsche Dir gute Tage!!

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    • gkazakou schreibt:

      Es ist gut, sich zu erinnern, liebe TeggyTiggs. Was heißt schon brauchen? die Welt verbessern zu wollen, ist sicherlich kein guter Vorsatz, er führt wie die meisten guten Vorsätze direkt in die Hölle. Aber sich selbst zu vertrauen und abmühen, etwas beizusteuern, auf dass die Richtung zum Besseren nicht verfehlt wird – das ist vielleicht doch möglich.
      danke dir für die guten Wünsche. Hab es auch gut! Gerda

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  12. kopfundgestalt schreibt:

    Ich hatte im letzten Jahr an der kriegsgräberstätte gestanden, an der an die gemahnt wurden, die 16-jährig oder 76-jährig letzten Widerstand in unserer Heimatstadt leisten mussten. Diese Stätte zerfällt allmählich sie hat wohl keine Bedeutung mehr.
    Das ist schmerzlicher fast, als die Geschichte meines Onkels, eines Künstlers, zu recherchieren, der 44 in Russland in den tot gehen musste.

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    • Anonymous schreibt:

      Ja, auch daran sollten wir denken.

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Gerhard. Ich kann deinen Schmerz nachempfinden. Die Stätte dieser Letzten sollte gepflegt werden, die ganz besonders. Aber es scheint, man möchte vergessen, vor allem vergessen, wenn es um die Niederlage geht. Das ist gefährlich, denn gerade an die Zeit der Niederlage sollte man sich erinnern jetzt, wo neue Angriffe geübt werden. Erinnert euch! möchte man den Menschen zurufen. Ich glaube übrigens, dass die meisten Menschen in Deutschland Rüstungswahnsinn und Einbindung in amerikanische und gelegentlich auch französische oder britische oder auch deutsche Kriegsspiele ablehnen. Aber sie wehren sich nicht. Das fürs kommende Jahr geplante Großmanöver, das unter kriegs-ähnlichen Bedingungen auf deutschem Boden gegen Russland laufen soll – warum wird es nicht massiv gestört? Warum duldet man, dass ein norwegischer Bürokrat (im Sold von wem?) Europa in einen Krieg gegen Russland treibt? (ps Eben sehe ich bei Spiegel online, dass Stoltenberg gestern erstmals seit 5 Jahren Gesprächsbereitschaft mit Russland signalisiert. Und warum? weil Trump das gut fände. …)

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  13. Linsenfutter schreibt:

    Wahre Worte. Ich sehe es auch mit großer Besorgnis. Gemeinsam sind wir aber stark. Das müssen wir uns immer wieder deutlich vor Augen führen.
    In diesem Sinne wünsche ich Dir ein friedvolles Weihnachten.
    LG Jürgen

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  14. alphachamber schreibt:

    Ein beschauliches Weihnachtsfest und vor allem gesundes Neues Jahr. Moegen Sie in interessanten Zeiten leben! (alter chinesischer Glueckwunsch)

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    • gkazakou schreibt:

      Danke für die guten Wünsche! Interessant sind diese Zeiten unbedingt, für suspense ist gesorgt. Ergo lebe ich gern noch lange, gespannt auf das was kommt 😉 Auch Ihnen eine kräftige Teilnahme an diesen interessanten Zeiten!

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  15. Chrinolo schreibt:

    Dein Beitrag hat mich sehr berührt, liebe Gerda. Ich denke auch „dass das, was uns als Menschheit geschieht, in unserer eigenen Menschheits-Hand liegt.“, also sollten wir uns erinnern und daran arbeiten.
    Ich wünsche auch dir ein Frohes Weihnachtsfest!

    Liebe Grüße, Christel 🎄

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  16. juergenkuester schreibt:

    Liebe Gerda! Sehr gut geschrieben. Gut gesprochen! Sehr persönlich! Für meinen Geschmack genau das, was an dem heutigen Tage gesagt werden sollte.
    Liebe Grüße und ein Frohes Fest!

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  17. Arno von Rosen schreibt:

    Ein sehr kluger und lesenswerter Beitrag liebe Gerda! Frohe, friedliche und glückliche Weihnachten wünsche ich dir ❤

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  18. Johanna schreibt:

    Liebe Gerda, ich trug Deine Worte seit gestern mit mir rum. Da ist so viel drin, ich weiss nicht welchen Faden ich aufgreifen kann…und der Raum hier ist begrenzt. Aber es fiel mir ein Kommentar von Joanna Macy ein, den ich kürzlich bezgl der Umwelt- und Allgemeinkatastrophe hõrte: ‚ I always thought it was our greed, but now I realise, it’s our inability to grieve…‘ ….. und dann griff ich das Buch Die Stalingrad Madonna auf, und würde gerne die Zeichnung hier reinstellen, aber meine Kamera ist beschädigt…. Zuletzt geht es nur um Menschenliebe, um Bruderschaft aller Völker um Verstehen und Verzeihen… so fand ich…auch gegen sich selbst…denn wer sich selber hasst, kann auch nicht lieben. Na, das passt ja als Weihnachstsgruss 💛⭐

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Johanna, für deinen lieben Gruß. Die Stalingrad-Madonna kenn ich. Unsere Unfähigkeit zu trauern bedeutet eigentlich, dass wir denen, denen wir Furchtbares angetan haben, nicht ins Angesicht schauen und also auch nicht trauern über das, was wir taten. Bereuen nützt ja nichts, denn getan ist getan. Aber trauern, wirklich tief trauern, das ist die Voraussetzung für Versöhnung des Täters mit sich selbst. Wer durch solche Trauer gegangen ist, der ist dann wieder mit sich selbst verbunden. Habs gut, liebe Johanna, mit den Deinen!

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  19. Achim Spengler schreibt:

    Danke für diese persönlichen Worte, die die Worte von Vielen sein müssten. Frohe Weihnachten Dir, gleichwohl.

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  20. Madame Filigran schreibt:

    Es gab einen Zeitpunkt des Begreifens in mir, ein Bewusstwerden der Ungeheuerlichkeit, die Menschen Menschen antun, eine Bewusstwerdung, die über Wissen hinausgeht, die für immer in die Seele eindringt, und seitdem gehört Trauer zu mir, und ich weigere mich, sie zu verdrängen und „drüber hinwegkommen“ zu wollen. Niemals vergessen!
    Danke für deinen Beitrag, ich lese ihn nachher noch einmal und recherchiere die Links. Ganz liebe Grüße!

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    • gkazakou schreibt:

      Nicht „drüber hinwegkommen“, aber auch nicht festhalten, meine ich. Gefühle sollte man besser nicht willentlich manipulieren, sondern in ihrer vollen Kraft … fühlen.Auch dir ganz liebe Grüße!

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  21. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Liebe Gerda, heute erst komme ich dazu, hier zu lesen und nachlesen muß ich noch so vieles.
    Danke für das Erinnern. Wie gut ist es, daß Du es tust.
    * 1949 erschien sein Buch Wissenschaft ohne Menschlichkeit: Medizinische und Eugenische Irrwege unter Diktatur, Bürokratie und Krieg über die NS-Ärzteprozesse in einer Auflage von 10.000 Exemplaren. „ *
    1949, da war ich gerade geboren und höre heute zum allerersten Mal von diesem Buch. Der Name Mitscherlich wenigstens ist mir sehr bekannt.
    Mein Vater überlebte nur durch Glück. Kurz vor Stalingrad gelang ihm und einem Freund aus dem gleichen schlesischen Dorf die Flucht aus dieser Kompanie, liebe Gerda. Hätte ihn der Freund nicht unter seine Fittiche genommen, wäre es ihm nicht geglückt. An den Namen des Freundes erinnere ich mich noch, er fiel oft in Gesprächen.
    Wie gut verstehe ich Deine Gedanken und Gefühle, stehe ich doch heute noch so oft vor dem Rätsel, wie das alles passieren konnte.
    Nun ist Weihnachten 2019 vorüber und ich atme ein bissel befreiter.
    Liebe Grüße von Bruni

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  22. bluebrightly schreibt:

    Using google translate I have an idea of what you’re saying. The war affected you very personally…these days thee are scary things happening in many countries, including, of course, America. We have to remember, and not give up.

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  23. bimatter schreibt:

    danke für diese Verbindungen zu dieser losen Sammlung der Dokumentation Deiner Werke und Gedanken – sehr spannend

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