Bouzouki-Spieler (11): Die zerrissene und neu konstruierte Welt der Rembetika

Noch einmal habe ich den einheitlichen Raum durch Leerzonen zerschnitten. Diese Leerzonen bilden zusammen mit den ebenfalls aus dem Zusammenhang gerissenen dunkel gestrichelten Raumteilen einen imaginären Raum, in dem der Bouzouki-Spieler sitzt und spielt.

Bouzouki-Spieler (11), Tintenstift-Zeichnung, unbearbeitet, unbeschnitten. 2019-12-08

Die gestaltete Bildfläche ist quadratisch, der Rest ist unbeachtet, überschüssig:

Rembetika: was ist das für eine Musik? Es ist die Musik der Rembet!  Und was ist ein Rembet? Bei den Linken galten sie wenig bis nichts: Lumpenproletariat nannte man sie. Den Bürgerlichen waren sie natürlich auch nicht geheuer. Frei, ungebunden, aufsässig, Boέme, Rebell, Schmuggler, Haschischraucher, Gesetzlose … Dichter, Musiker – Francois Villon ist ihr westlicher Bruder. Oder im deutschen Sprachraum vielleicht auch Joachim Ringelnatz. Liebestoll, süß, frech, amoralisch und zutiefst nostalgisch – Unter-Welt-Klang.

Die Rembetes sind im städtischen Proletariat des Osmanischen Reichs zu Hause: in Konstantinopel (Istanbul), in Smyrna (Izmir). Die ersten Rembetika Tragoudia (Lieder) entstanden in osmanischen Gefängnissen. Mit der Vertreibung des kleinasiatischen Griechentums 1922 kamen sie nach Griechenland, hatten in den armen Wohngebieten der Flüchtlinge, vor allem in Piräus, ihre „stekia“, wo man sich traf und rauchte, erzählte, Musik machte. Inzwischen sind sie in „bürgerlichen“ genauso wie in „linken“ Kreisen beliebt, sie gelten als eine Art griechischer Volksmusik. Eine lebhafte eigenständige Tradition hat sich bei den in die Vereinigten Staaten ausgewanderten kleinasiatischen Griechen gebildet.

Dies Zerreißen des Hintergrunds, aus dem heraus diese Musik entstand und funktionierte, und die Neuzusammensetzung über alle Brüche hinweg, wollte ich in meiner Zeichnung betonen.

Eine mehrteilige Sendereihe des griechischen Fernsehens bringt charakteristische Beispiele aus den Anfängen der Rembetika. Leider alles auf Griechisch. Aber die Musik ist ja zum Glück verständlich.

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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22 Antworten zu Bouzouki-Spieler (11): Die zerrissene und neu konstruierte Welt der Rembetika

  1. afrikafrau schreibt:

    Diese Ausführung finde ich sehr gelungen, super. Die etwas melancholische Musik, Ausdruckstanz der Seele, beschrieb ihn unsere griechische Tanzlehrerin.

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Es ist schön, aber nicht so lebendig wie die Bilder zuvor… Das offene Gesicht wurde noch etwas „edler“, doch das letzte, unvollendete der vorigen Reihe ist
    einfach nicht zu übertreffen. Liebe Grüße!

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    • gkazakou schreibt:

      danke Gisela. Lebendiger sind die anderen, ja, aber darum ging es mir hier nicht. ich habe hier eine andere Absicht, also ist auch das Ergebnis anders. Ob das Ergebnis gemessen an der Absicht überzeugt, darauf käme es an. Liebe Grüße!

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  3. Myriade schreibt:

    Interessant! Von den Rembetes hatte ich noch nicht gehört.
    Was ich auch sehr interessant finden würde, ist, ob du ein Konzept „Zerreißen des Hintergrunds“ hast, das du dann ausführst. Oder ob du zeichnest und dann feststellst, dass die Zerrissenheit des Hintergrunds gut passt ?

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  4. Myriade schreibt:

    Wunderschöne Gitarrenmusik !

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  5. Chrinolo schreibt:

    Wunderschön – es passt! Die Musik zu deiner Zeichnung geht so tief. Danke für das Video und das Dazulernen dürfen – Rembetes war mir bisher nicht bekannt 🙂

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  6. Vielen Dank Gerda, für diese interessanten Hintergrund Informationen!
    Die Idee mit diesen rechteckigen Bruchstücken und der Entstehungsgeschichte dieser Musik und der Bouzouki ist super gewählt!
    Deine Zeichnung ist wieder sehr gelungen!👌👍
    Liebe Grüße Babsi

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  7. athenmosaik schreibt:

    So interessant Gerda! Oft habe ich Rembetika gehört, aber die Geschichte war mir unbekannt.
    Ich kann nur immer wieder sagen: ein Buch…

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  8. Ulli schreibt:

    So spannend sich deine Zeichnungen zum Thema Raum, Fülle, Leere, Licht, Schatten, Silhouette wandeln, dieses Ergebnis finde ich großartig., am liebsten im Original und dann in der 1. Bearbeitung – der Raum schwingt, getragen wird er von dem Musikanten.
    Für die Musik bin ich jetzt zu müde, später aber gerne einmal.
    liebe Grüße
    Ulli

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  9. Ule Rolff schreibt:

    Der Riss durch die Geschichte dieser Musik kommt in deiner Zeichnung deutlich zum Ausdruck. Aber auch die Abgehobenheit des bürgerlichen Seins des adretten Musikers von den ursprünglichen Interpreten und „Komponisten“.
    Gut, mal etwas mehr über die historischen Hintergründe und die aktuelle Verwendung der Rembetika zu erfahren.

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  10. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Es ist Dir gelungen, liebe Gerda
    Dies Zerreißen des Hintergrunds, aus dem heraus diese Musik entstand und funktionierte, und die Neuzusammensetzung über alle Brüche hinweg!
    Eine interessante Musik, die die Seele des Volkes in sich trägt und man spürt es, wenn man nur genau genug zuhört

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