Nach der Hammer-Ausstellung mit Werken von Georgia Fambris schlich ich mich in eine andere nahbei, die Seelenfrieden versprach: traditionelle chinesische Kunst in der Stiftung Theoharakis (darüber gesondert). Doch zunächst brauchte ich einen Espresso. Die Tischchen auf dem schmalen Balkon im zweiten Stock, von Verkehrslärm überflutet, aber mit erlesenem Blick auf die Königin-Sofia-Allee, waren frei. Während ich noch überlegte, welchen Straßenausblick ich skizzieren würde, setzte sich eine Frau mit dickem Zopf ans Tischchen vor mir, und kurz darauf fanden noch zwei junge Frauen den Weg auf den Balkon. „So ist es“, dachte ich, während ich mit der Skizze begann, „immer sind es Frauen, die die Ausstellungen besuchen, genauso wie bei Seelenfindungs-Seminaren: immer Frauen“.
„Immerhin sieht man jetzt auch Künstlerinnen in ausgezeichneten Galerien. Grad hatte ich ja eine gesehen. Eine ziemlich rüde Kunst, böse und verzweifelt. Hatte sich das Frausein zum Thema gemacht. Männer machen nie das Männersein zum Thema. Na ja, vielleicht neuerdings doch, ich hatte ja vor ein paar Tagen diesen anderen Künstler angeschaut, der seine Männer mit großen Busen ausstattete und das Ganze mit dem Titel „Anima“ versah…. Zum Thema macht man wohl das, was irgendwie problematisch geworden ist.
Vor den aggressiven Bildwerken der Georgia Fambris hatte ich eine schmale Frau stehen sehen, zögerlich und abwehrend schien sie mir. Dann wie mit einem Aufatmen eilte sie zu den eher fragilen Zeichnungen. Mir ging es ja nicht anders….
Was suchen wir Frauen? Was treibt uns zur Kunst, in die Workshops zur Selbstfindung, in die Kirchen … na ja, jetzt weniger in Kirchen, eher in Ashrams oder andere religiös-lebenshelferische Veranstaltungen…. Ist uns etwas verloren gegangen und wir suchen und suchen, aber an der falschen Stelle, wie der Betrunkene, der seinen Schlüsselbund nicht dort sucht, wo er ihn verloren hat, sondern unter der Laterne, weil da Licht ist?…
Manche Frauen zieht es ja neuerdings mächtig in die Politik“, so sinnierte ich weiter, „fühlen sich am rechten Platz, wo sie erfolgreich mit Männern konkurrieren. Hillery zum Beispiel oder die andere, die jetzt die EU führen soll, oder die mit dem Gewehrnamen, AKK, die hat es ins Kriegsministerium gezogen, mit dem Ehrgeiz vielleicht, endlich auch mal eine richtige Schlacht anzuführen, mit echten Toten… während andere Terrains, die mir eigentlich mehr am Herzen liegen, vor allem von Männern besetzt werden: Friedensforschung zum Beispiel…“
„Sind wir einfach nur hysterisch?“ so fragte ich mich und trank meinen kaltgewordenen Espresso, während ich die Frauen vor mir auf dem schmalen Balkon skizzierte.
Dann zog ich weiter in die Ausstellung mit chinesischer Tuschmalerei im dritten und vierten Stock. Dorthin zog es auch ein älteres Ehepaar. Die Frau besah sich die Bilder, der Mann ließ sich auf einem Stuhl nieder und wartete geduldig, bis seine „bessere Hälfte“ mit der Kunst durch war….
Dein Sinnieren beim Skizzieren macht mich Schmunzeln. Eine magenfreundliche Nachspeise zum schwer verdaulichen Hauptmenü vorher.
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🙂 Hihi, ja, liebe Hella. Die chinesische Ausstellung war dann der Verdauungslikör.
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„Wir Frauen“ … ich weiß nicht recht, wer das sein soll, Gerda. Eher noch kann ich mit „wir Menschen“ etwas anfangen, obwohl auch in dieser Gruppe wie für die Teilmenge „Frauen“ gilt: jedes Individuum hat doch eigene, andere Sehnsüchte. Manche sind einander ähnlich, andere nicht, ich fühle mich mit manchen Männern stärker verbunden, als mit vielen Frauen. Es hängt für mich nicht vom Geschlecht ab, ob ich mich mit jemandem verbunden fühle.
Dass in bestimmten Situationen häufiger Frauen als Männer angetroffen werden ( und in anderen Situationen umgekehrt) kann und will ich natürlich nicht bestreiten. Aber gerade in Ausstellungen habe ich noch nie darauf geachtet, ob es da Unterschiede gibt, danach werde ich nach deinen Gedanken hier sicher bei der nächsten Gelegenheit schauen.
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Aber klar, liebe Ule, es gibt „wir Frauen“ gar nicht. Es ist eine Chimäre wie so viele andere Wir- und Ihr-Entitäten. Komisch nur, dass es dennoch ständig zum Thema gemacht wird. Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, es für nicht-existent zu erklären. 😉
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Da bin ich jetzt richtig froh, Gerda!
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sieh mal an! Wie schnell man doch missverstanden wird. Umso besser, wenn sich das Missverständnis schnell klären lässt.
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😀
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Ich kann deine Wahrnehmung nicht ganz unterschreiben, in Ausstellungen sehe ich oft Männer, in den Selbsterfahrungsgruppen war es immer fifty fifty. Ich will schon lange weg von diesen Klischees von „wir“ Frauen, „ihr Männer“, habe schon immer das Verbindende gesucht, das Trennende ist offensichtlich.
Natürlich gibt es noch viele „alte, weiße“ Männer, besonders in der Politik und es gibt die Frauen, die ihnen in nichts nachstehen.
Es geht ums Menschsein und das wollen nicht nur Frauen.
Nix für ungut, Gerda…
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Liebe Ulli, siehe mal oben meine Antwort bei Ule. Aber gerade von dir höre ich oft, dass „wir Frauen“ noch dies und das einzuklagen hätten. Nicht? falscher Eindruck? Na, dann will ich es auch nicht mehr erwähnen, denn ich persönlich habe gar kein Problem damit. Ich bin schon längst (und war eigentlich immer) der Meinung, dass es um die menschliche und nicht um die geschlechtliche Gerechtigkeit geht. Und dass der Geschlechtsproporz überhaupt kein Kriterium für gerechte Verhältnisse in Politik und Unternehmen ist. Nix für ungut.
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Die kritischen Einwände haben sicherlich ihre Berechtigung, trotzdem teile ich exakt deine Wahrnehmung. In der kulturell und künstlerisch organisierten Gruppe, an der ich teilnehme, sind aktiv 99% Frauen. Auch bei Veranstaltungen dieser Art sind Frauen in der Mehrheit. Meine Vermutung ist, dass Frauen älteren Semesters im Durchschnitt neuen Dingen gegenüber aufgeschlossener sind.
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herzlichen Dank. Ich dachte schon, nach Ullis Protesten, dass es eine griechische Erfahrung ist. In meiner Beratungspraxis sehe ich nur wenige Männer, und wenn, werden sie fast immer von ihren Frauen hergeschickt. In der Fortbildung für Kunsttherapie fand sich in einem Jahrgang ein einziger Mann ein, in allen anderen ausschließlich Frauen. In meiner Malgruppe dasselbe. Dabei werden Männer, sofern sie denn kommen, mit allergrößter Rücksicht behandelt… Ich will damit durchaus nicht sagen, dass sich Männer nicht für Kunst, Pschologie oder Religion etc interessieren, aber soviel ich verstehe, tun sie das meist „professionell“, dh gezielt, um sich beruflich voranzubringen, während Frauen, auch die berufstätigen, mehr allround, also an Selbstverwirklichung oder an Wechsel aus einem ungeliebten Beruf interessiert sind. Sehr oft nehmen Männer in Gruppen auch die leitende Funktion ein – und rundum sitzen nur Frauen. Das sind meine Beobachtungen, die natürlich nicht verbindlich sind.
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Die außerordentlich rücksichtsvolle Behandlung von Männern in solchen Gruppen wäre eine Untersuchung wert, besonders im Vergleich zu vereinzelten Frauen in Männergruppen… Aber dafür habe ich keine Zeit, statt dessen gehe ich lieber mit meinem kunstinteressierten Mann ins Museum 😊
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Es geht doch nicht darum, dass es keine Missstände zwischen den Geschlechtern gibt und ja, ich schrieb darüber, dass es noch viel zu tun gibt, daran hat sich auch nichts geändert. Meine Haltung, dass es um das Verbindende und nicht um das Trennende geht, habe ich schon vor Jahrzehnten vertreten und mir damit manch Schimpfe von Frauen eingefangen, die um einiges radikaler in ihren Haltungen waren.
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Liebe Ulli, danke. Das Verbindende ist, da wirst du mir gleich zustimmen, nicht das Gleichmachende, Gleichsetzen, Gegenrechnen, Konkurrieren, sich Ausstechen, Forderungen stellen…. Das ist auch unter Frauen oder unter Männern nicht verbindend. Drum betone ich gern, dass es nicht darum geht, sich an bestehende männliche Rollen anzupassen, sondern darum, die Freiheitsspielräume für jedermann zu erweitern, damit er oder sie das für sich Passende wählen kann.
Das habe ich gemeint, als ich die Anekdote vom Betrunkenen erwähnte, der woanders sucht, als wo er verloren hat, weil da das „Licht“ ist.
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Ich meine mit „Verbindendem“ den Ort, wo wir uns als Menschen treffen, z. B. im Mitgefühl, den Gefühlen, der Menschlichkeit überhaupt. Es geht und ging mir nie um Gleichmacherei, das kann nicht funktionieren.
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…die Männer und die Frauen, könnte ich sie noch auseinanderhalten, fiele mir das Kommentieren jetzt leichter…
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🙂 🙂 🙂
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Zwischen zwei Ausstellungen eine feine eigene Zeichnung, die mir in der mittleren Bearbeitung am besten gefällt. Habe ich eine einzige Ausstellung gesehen, werde ich meist schon leicht müde von den vielen Eindrücken und brauche eine kleine *Stärkung*, aber bitte keine zweite Ausstellung., es sei denn, die eine der beiden wäre klein und gut überschaubar.. Deine Kraft ist bewundernswert, liebe Gerda.
*die mit dem Gewehrnamen, AKK*: Eine ziemlich dumme Abkürzung, war dazu meine Meinung, die aber nun doch wohl ganz gut passt…
Nach Begabung sollten die Rollen verteilt werden, nicht danach, welchen Geschlechtes der Mensch ist.
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