Wozu haben Bücher Vorsatzblätter? Zum Draufzeichnen natürlich.

Heute fuhren wir für Besorgungen nach Kalamata. Einen Zeichenblock nahm ich nicht mit. Ein Buch würde genügen, um mögliche Wartezeiten auszufüllen, dachte ich. Und da saßen wir also im Cafe und warteten, dass die Nummer drankam, die wir in der Bank gezogen hatten (ca 250 Leute waren vor uns dran. Heute war der letzte Tag, um die Grundsteuer zu bezahlen – daher).
Ich hatte den Roman „filosofia y letras“ (griechisch: Schwarze Philologie) von Pablo de Santis eingesteckt – eines der Bücher, die wir aus dem Appartment meines verstorbenen Schwagers mitgenommen hatten. Ein interessanter Roman. Ob er ihn wohl gelesen hatte? Die makabre Atmosphäre eines Instituts mit angesammelten, nicht gelesenen und langsam verrottenden Büchern hätte sehr gut zu ihm gepasst.

Dieses Buch trage ich in letzter Zeit mit mir herum und lese es häppchenweise.  Als ich kürzlich beim Arzt wartete, zeichnete ich auf das hintere Vorsatzbatt, um der Beklemmung Herr zu werden, die mich beim Anblick des langen leeren Flurs befiel. Kafkaesk wie die Erzählung im Buch schien er mir zu sein.

Heute – mit meinem Mann, vor mir einen Espresso und einen frisch gepressten Orangensaft,  in einer friedlichen Fußgängergasse – war ich gar nicht von dem Gedanken angetan, mich erneut in die Atmosphäre des Romans zu vertiefen. Also zeichnete ich auf das Vorsatzblatt den Tisch, den lesenden Mann, die Gasse.

Der Kellner sah es, und als ich mit einer zweiten Skizze auf dem letzten Vorsatzblatt begann …

…fragte er, ob er mir ein Blatt bringen solle. Ich meinte, das sei nicht nötig, es sei denn, er wolle die Zeichnung behalten. Und ob er wollte! Er holte aus einem Nachbargeschäft einen Schreibpapierbogen und brachte eine Unterlage. Als ich ihm die fertige Zeichnung aushändigte, strahlte er. Und ein Künstlerherz freute mich über sein Interesse.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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47 Antworten zu Wozu haben Bücher Vorsatzblätter? Zum Draufzeichnen natürlich.

  1. Linsenfutter schreibt:

    Wie schön, dass Du den Kellner glücklich machen konntest.

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  2. wechselweib schreibt:

    Der Flur ist mit seiner Atmosphäre super eingefangen.

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  3. PPawlo schreibt:

    Das ist eine voll schöne Idee und der ganze Beitrag sprudelt vor künstlerischen Kreativität bis zum krönenden Abschlussgeschenk! Und diese Freude gib st du nun uns weiter. Liebe Grüße, Petra

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  4. Myriade schreibt:

    Interessierte Zuseher sind schon eine Freude

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  5. kopfundgestalt schreibt:

    Schön, diese Erfahrung! Wunderbar!

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  6. Gisela Benseler schreibt:

    Die letzte Zeichnung erinnert mich an ein bekanntes Gemälde……Ja, sehr fein und gekonnt, alle Deine Zeichnungen, Gerda!

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  7. gkazakou schreibt:

    Danke, Gisela! Vielleicht das gelbe Cafe von van Gogh?

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  8. Petra Gust-Kazakos schreibt:

    Schön : ) Auch die Idee, in Bücher zu zeichnen. Ich habe mal in ein Buch außer Anmerkungen am Seitenrand ebenfalls gezeichnet (& geschnörkelt), natürlich nicht so gut, aber es machte mir Spaß & ich dachte, das sollte man viel öfter tun. Persönlicher kann es kaum werden, mein Buch … Liebe Grüße
    Petra

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  9. mynewperspective schreibt:

    Ein herrlicher Gedanke, die Vorsatzblätter eines Buches mit „Leben“ zu füllen, liebe Gerda.

    Der Flur beim Arzt ist tatsächlich Kafkaesk. Es war mein Gedanke, bevor ich Deinen Text las und somit sprang die Stimmung, die Du eingefangen hast, tatsächlich auch auf mich über.

    „Der lesende Mann“, die Stimmung in der Gasse, wirklich sehr idyllisch. Die Getränke auf dem Tisch, Der Strohhalm im O-Saft(?). Irgendwie möchte ich gerne reinspringen in die Atmosphäre des Bildes und die Stimmung miterleben.

    Und dann noch … was für ein Glückspilz, dieser nette Kellner … Da hat er ein wunderschönes Werk von Dir ganz persönlich bekommen. Ich würde die Skizze einrahmen und sie in Ehren halten.

    Herzliche Grüße
    Serap

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  10. Ule Rolff schreibt:

    Dass der Kellner überglücklich war, versteht sich von selbst. Eine charmante Geschichte hast du da geschrieben, die das Mittagslächeln schon vorwärmt.

    Die Spanier scheinen eine besondere Affinität zu geheimnisvollen Bibliotheken zu haben. Kennst du die Bücher von Carlos Luiz Zafon (beginnend mit Der Schatten des Windes)? Sie spielen zur Zeit der Franco-Diktatur.

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  11. Gisela Benseler schreibt:

    Gerda, genau das meinte ich : Das gelbe Cafe‘ von van Gogh! Ja, daran hat mich Deine letzte Zeichnung sehr erinnert.

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  12. Gisela Benseler schreibt:

    Übrigens finde ich alle Zeichnungen wieder sehr gelungen, obwohl sie ja fast spartanisch wirken z,T., wie der lange, schmale Korridor und das nur angedeutete Fenster. Ich mag aber natürlich lieber Deine Zeichnungen von den Insekten und Blumen. Die sind so duftig und fein und zart und lebendig! Daran kann ich mich nicht genug freuen.

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  13. wildgans schreibt:

    Ohje, das würde ich mich vor lauter Buchehrfurcht gar nicht trauen!
    Gruß von Sonja

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    • gkazakou schreibt:

      Dieses Buch, liebe Sonja, berichtet von einem Institut, das bis oben mit Büchern angefüllt ist, die natürlich alle ehrfürchtig registriert sind. Doch das hindert nicht ihre Zerstörung….(Ich glaube, das Buch könnte dir gefallen, auf deutsch heißt es „die Fakultät“).

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    • gkazakou schreibt:

      „grad entschlossen“ bedeutet ja vielleicht nicht so viel. Oder bist du etwa ein Mensch, der stets tut, was er einmal beschlossen hat? Das würde mich wundern.

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  14. kowkla123 schreibt:

    gute Frage, liebe Gerda, passe auf dich auf und bleibe oder werde gesund, Klaus

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  15. Chrinolo schreibt:

    Wie schön, dies zu lesen! Ein Buch, das durch deine Zeichnungen nochmals einen ganz besonderen Wert erhalten hat und dazu noch ein glücklicher Kellner – ich verstehe sein Glücksgefühl 🙂
    Alles Liebe für dich! ❤

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  16. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    in Büchern zu zeichnen, welch wundervolle Idee, liebe Gerda!
    Der lange schmale Flur löst tatsächlich eine Bedrückung aus… huch… Weg mit dir!
    Der Kellner bekam eine Zeichnung, so schön und voller Erinnerung für ihn, daß er sie sicher gleich rahmen ließ und nun hängt sie an einem Ehrenplatz und jedem, der kommt, wird er die Gechichte dazu erzählen *lächel*

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    • gkazakou schreibt:

      Na, mal sehen. Wenn ich nächstens wieder mal hingehe, schaue ich nach…. 😉 Übrigens war der Flur tatsächlich so bedrückend, dass ich schon das Weite suchen wollte, nur das Zeichnen hielt mich am Platz. Aber dann kam die Ärztin raus und war sehr nett, und ihr Raum war hell und angenehm. Es handelt sich um ein Ärztezentrum, wo sehr viele Ärzte sich die Räume teilen. Sie haben meist außerdem eine eigene Praxis in einem anderen Stadtteil, so auch die meine.

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  17. pflanzwas schreibt:

    Eine tolle Idee, wunderbare Zeichnungen und ich bin sicher, ein sehr glücklicher Kellner! Da hätte ich mich auch gefreut. Was für eine schöne Geschichte mit so netten, sich abwechselnden Begebenheiten (daß er dir das Blatt geholt hat, daß du ihm das Bild schenkst). Schön, wenn der Funke hin und herspringt!

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Almuth! Tatsächlich ist ein solches Hin und Her in Griechenland immer noch sehr üblich, bei vielen Gelegenheiten, und es macht das Leben einfach, schön und leicht.

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      • pflanzwas schreibt:

        Das ist wirklich schön! Ja, sowas ist hier eher seltener. Ich erinnere mich immer gerne an einen Urlaub im spanischen Galicien. Immer und überall kamen die Leute miteinander ins Gespräch und oft auch mit uns. So kommunikativ. Das war schon toll. Wir nehmen hier vieles zu ernst. Etwas mehr Leichtigkeit wäre schön.

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    • gkazakou schreibt:

      Da sagst du was. Wir Deutschen sind oft so verbissen und Prinzipienreiter, ohne Flexibilität, wie ich finde, sogar im Guten. Alles wird Programm, das durchgezogen werden muss, auf Deubel komm heraus. Das Lebensgefühl ist im Süden viel leichter und flüssiger, trotz des auch hier nicht ausbleibenden Stresses. Vielleicht kommt ja mit den steigenden Temperaturen ein wenig mehr südlicher Flair ins deutsche Gemüt. 😉

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      • pflanzwas schreibt:

        Haha, dein Wort in Gottes Ohr. Diesen Sommer hatte man eher das Gefühl, daß die Hitze bei manchen den Aggressionspegel noch nach oben getrieben hat. Einige waren eher gereizt. Ich denke, daß ist vielfach der Druck, der hier (arbeitstechnisch) herrscht und den wir uns selber machen. Kaum fährt man über die Grenze, fängt der erste Grad der Entspannung an….Damals, zur Fußball-WM, da waren wirklich alle gut drauf!

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    • gkazakou schreibt:

      Wenn bei allen Völkern der Aggressionsspiegel anstiege, sobald es ein bisschen heißer wird, gäbs nur noch Mord und Totschlag. Zum Glück ist das nicht der Fall. Mein Mann erzählte, als er von einer Afrikareise zurückkam, dass er über einen merkwürdigen Eindruck rätselte, den er sich nicht erklären konnte – bis er drauf kam: die Menschen bewegten sich in Zeitlupe!
      Die deutsche Klimahysterie ist kaum im Süden angekommen. Wir haben übrigens eine hervorragende CO2-Bilanz: seit Beginn der ökonomischen Krise 2009 haben sich die Werte drastisch verringert. 😉

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      • pflanzwas schreibt:

        Das tuts ja auch nicht, aber ich habe den Eindruck die Hitze steigt hier bei uns einigen Leuten zu Kopf! Ich glaube auch, daß in vielen heißen Ländern die Menschen relaxter sind, aber wir sind ja auch eher „Kaltblüter“. Bei Hitze steigt gleich der Blutdruck 😉 Wir müssen uns erst dran gewöhnen, langsamer zu machen und Siesta zu halten..

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