abc-etüde: Sprachverwirrung (Vorsicht, Kata-Strophen!)

Ein paar Kata-Strophen hab ich für die abc-etüden zusammengereimt, die Christiane so liebevoll und sorgfältig betreut und die auch die Einladungskarte gestaltet hat. In meiner Etüde kommen auch die Wörter Roman, variabel und entlassen vor. Die Wörter gespendet hat Alice von Make a choice Alice.

 

WARNUNG: Wenn du findest, dass man mit ernsten Themen ernst verfahren muss, besser nicht weiterlesen.

 

Sprachverwirrung

 

Ansichten sind variabel,

Das wissen wir seit Babel,

und früher, als den Abel

der Kain erschlug, die Fabel:

Der Kain hat recht, der Abel auch,

seither ist Morden Menschheitsbrauch.

 

Denn wenn du A sagst, hör ich B,

du schreist Hurra und ich O weh.

Ich sage Unrecht, du sagst Recht,

ich sage gut, du nennst es schlecht.

 

Du sagst, wir brauchen mehr Soldaten

Sie schützen uns mit Heldentaten.

Ich möchte die Armee entlassen,

die Gelder lieber selbst verprassen.

Du sagst: „Die Kriege sind human“

Ich sag: „Guck dir die Opfer an“.

Du sagst: „Das tu ich, denn in Kriegen

Werden am End die Guten siegen,

Ich helf den Guten an die Macht,

dann wird das Böse umgebracht.

 

Die Römer schon haben mit Waffengewalt

Den Frieden verbreitet, hat mächtig geknallt,

doch hat sichs verlohnt, denn ohne die Waffen

würden wir immer noch leben wie Affen.

Und auch die Christen warn eifrig dabei

Wenn es ging um die Heidenabschlachterei.“

Und die Muslime? „Na klaro, auch die,

für den Glauben zu töten ist Rechtens, und wie!

Oder nimm mal die Nazis, die wussten Bescheid:

Des einen Lust ist des anderen Leid.

Die hätten weiter und weiter gesiegt,

hätten die nix auf den Deckel gekriegt.“

 

„He hoppla“, so ruf ich, „du willst doch nicht sagen

Dass der Krieg uns befreit, wir müssen nur wagen

Zu kämpfen und andere umzubringen

Dann werden wir bald das Freiheitslied singen?

Dann will ich beginnen mal grade bei dir

Heb du mal die Hände, du elendes Tier!

Kriegstreiber wie du und Apologeten

sind es, die immer schon Unheil säten

Ich werd dich erwürgen, erschießen, erschlagen,

Dann leben wir bald schon in friedlichen Tagen!“

 

Dies ist ein Gedicht, drum reimt es sich eben,

Ein Roman ist in Prosa, genau wie das Leben.

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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50 Antworten zu abc-etüde: Sprachverwirrung (Vorsicht, Kata-Strophen!)

  1. Elke H. Speidel schreibt:

    Super, wie immer, liebe Gerda!

    Gefällt 3 Personen

  2. Myriade schreibt:

    Ein Roman ist in Prosa, genau wie das Leben. Dem ist nix hinzuzufügen 🙂 🙂

    Gefällt 3 Personen

  3. alicemakeachoice schreibt:

    Ich musste schmunzeln, toll geschrieben und bei dem leichten Ton sehr tiefsinnig, hat was von Ringelnatz 😉
    Liebe Grüße
    Alice

    Gefällt 3 Personen

  4. Gisela Benseler schreibt:

    Ganz Gerda, wie sie lebt und strebt… und nicht zu bremsen in kreativer Vielfalt!♡♡♡♧♧☆☆⊙⊙

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  5. Werner Kastens schreibt:

    Aber die „künstlerische Freiheit“ will doch ernst genommen werden, will doch Prinzip sein! Verwirrt ist sie doch nur, wenn man ihr entgegen tritt.

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    • gkazakou schreibt:

      Ich glaube, ich verstehe nicht genau, was du meinst.

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      • Werner Kastens schreibt:

        Ehrlich gesagt, liebe Gerda, hatte ich das Gefühl, dass Du mit dem Titel „Sprachverwirrung“ und auch dem Vorspann oder einer Trigger-Warnung, den Du ja im Rahmen der Trigger-Diskussion vehement abgelehnt hast, ein wenig provozieren wolltest.
        Wenn ich das falsch gesehen habe, dann bitte ich um Entschuldigung.
        LG Werner, der ansonsten von deinen Kata-strophen immer begeistert ist.

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  6. Ule Rolff schreibt:

    Vergnüglich dürfen auch ernste Themen behandelt werden, Tucholsky, Kästner, Ringelnatz und Co (gibt es da eigentlich keine Frauen?) beweisen es. In diesem Fall freue ich mich über deine Reime, Wortschatz und Bildung bewahren vor HerzSchmerzgereime, das man natürlich auch ironisch einsetzen kann. Vielseitig, deine Begabung!

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    • gkazakou schreibt:

      danke, du Liebe. Schönen guten Tag wünsche ich!

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    • Ulli schreibt:

      Liebe Ule, doch es gibt die wunderbare Mascha Kaléko – z.B. hier:

      Die Leistung der Frau in der Kultur

      (Auf eine Rundfrage)

      Zu deutsch: „Die klägliche Leistung der Frau“.
      Meine Herren, wir sind im Bilde.
      Nun, Wagner hatte seine Cosima
      Und Heine seine Mathilde.
      Die Herren vom Fach haben allemal
      Einen vorwiegend weiblichen Schatz.
      Was uns Frauen fehlt, ist „Des Künstlers Frau“
      Oder gleichwertiger Ersatz.

      Mag sie auch keine Venus sein
      Mit lieblichem Rosenmund,
      So tippt sie die Manuskripte doch fein
      Und kocht im Hintergrund.
      Und gleicht sie auch nicht Rautendelein
      Im wallenden Lockenhaar,
      So macht sie doch täglich die Zimmer rein
      Und kassiert das Honorar.

      Wenn William Shakespeare fleißig schrieb
      An seinen Königsdramen,
      Ward er fast niemals heimgesucht
      Vom „Bund Belesner Damen“.
      Wenn Siegfried seine Lanze zog,
      Don Carlos seinen Degen,
      Erging nur selten an ihn der Ruf,
      Den Säugling trockenzulegen.

      Petrarcas Seele, weltentzückt,
      Ging ans Sonette-Stutzen
      Ganz unbeschwert von Pflichten, wie
      Etwa Gemüseputzen.
      Doch schlug es Mittag, kam auch er,
      Um seinen Kohl zu essen,
      Beziehungsweise das Äquivalent
      In römischen Delikatessen.

      Gern schriebe ich weiter
      In dieser Manier,
      Doch muß ich, wie stets, unterbrechen.
      Mich ruft mein Gemahl.
      Er wünscht, mit mir
      Sein nächstes Konzert
      Zu besprechen.

      (aus: In meinen Träumen läutet es Sturm)“

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      • Ule Rolff schreibt:

        Ein vergnüglicher und wahrer Text, liebe Ulli. Danke von Herzen für das ausführliche Zitat.
        Aber zeigt er, dass es doch weibliche komische Literaten wie Tucholsky gibt (außer Kaleko, die trotz Gemahl schreibt), oder erklärt sie gerade, warum es keine gibt, frage ich mal aufmüpfig?

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      • Ulli schreibt:

        Aufmüpfig finde ich deine Frage überhaupt nicht, sondern berechtigt, denn ehrlicherweise ist mir keine andere Lyrikerin mit Ironie und Witz eingefallen – selbstredend gibt es andere, aber nicht in diesem Stil, sofern ich es weiss, aber hej, was weiss ich schon 😉

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      • Ule Rolff schreibt:

        Na, dann starten wir doch mal eine kleine Recherche …

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      • Ulli schreibt:

        uff … ich glaub dazu fehlt mir die Zeit, leider!

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      • Ule Rolff schreibt:

        Ich weiß jemanden, die ich fragen kann. Mal sehen, was dabei rauskommt.

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      • Ule Rolff schreibt:

        Ich habe erstmal selbst bisschen geguckt und diese Liste gefunden
        https://gedichte.xbib.de/dichterinnen_des_20.jahrhunderts.html
        Diese finde ich aber sehr unvollständig, es fehlen u.a. Kaleko, Mayröcker,Lasker-Schüler, und natürlich Kazakou 🙂.
        Was vor allem bei den weiblichen Dichterinnen auffällt, die ich kenne: ich finde bei keiner die Leichtigkeit, die bissige Ironie und den Witz, wie Kästner, Tucholsky, Morgenstern sie haben. Sie sind alle schwer vom Bewusstsein der Würde und des Ernstes ihres Anliegens – Kaleko und Mayröcker vielleicht teilweise ausgenommen, und Kazakou, natürlich. Bloggerin/Dichterin Lyrifant kann es auch, finde ich

        Lyrifant ist umgezogen:


        Jetzt überschreitet dies den Rahmen eines Kommentars allmählich. Ich bitte um Verzeihung, Gerda. Du kannst die auch löschen, wenn dir das zu viel ist.

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      • Ulli schreibt:

        wegen der Ironie und dem Humor fiel mir eben nur Kaleko ein, ansonsten kenne ich schon einige Lyrikerin, die aber eher aus der Tiefe heraus geschrieben haben: Hilde Domin, Rose Ausländer, Nelly Sachs usw.

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      • Ule Rolff schreibt:

        Genau da liegt das Problem, liebe Ulli: wo sind die Leichten, die es trotzdem ernsthaft können?

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      • gkazakou schreibt:

        Ich werde mich hüten, Ule, deinen schwergewichtigen Kommentar (er war wegen der vielen links spam-verdächtig), der meinen Namen in eine Reihe mit denen so vieler illustrer Frauen stellt, zu kürzen! Danke für deine kleine Recherche, die, wie ich vermute, an diesem Sonntagmorgen das Selbstbewusstsein so mancher dichtenden Frau heben wird. 😉

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      • Ule Rolff schreibt:

        Danke, liebe Gerda – wir müssen uns immer wieder daran erinnern, dass es auch eine weibliche Tradition gibt, nicht wahr? Auf allen Gebieten.
        Dir wünsche ich nun einen schönen Sonntag …

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      • www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

        hintergründig ironisch, ja, das konnte sie sein und sie nahm sich dabei selbst aufs Korn und das konnte sie gut, Aber an dieses hier hätte ich mich jetzt nicht erinnert, liebe Ulli

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    • gkazakou schreibt:

      Nu gibt es mich ja 😉

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    • gkazakou schreibt:

      Hallo und guten Morgen, Ule! Klar gibt es bedeutende Frauen! Auf meinem Schreibtisch steht von ars edition „Kluge Frauen, die die Welt bewegten“, viele Seiten mit Fotos und Zitaten. Eine Freundin schenkte es mir vor Zeiten. Und weißt du, was auf der ersten Seite prangt? Ein Foto von mir! dazu auch ein durch und durch aufbauender Text. Immer wenn ich an mir zweifle, werfe ich einen Blick hinüber…. 🙂 😉

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    • gkazakou schreibt:

      Ich dachte an Ebner-Eschenbach mit ihrem beißenden Humor und fand, dass es da sogar ein Buch gibt. Helen Chambers, Humor and Irony in 19th Century German Women’s Writing.
      https://i0.wp.com/gerdakazakou.files.wordpress.com/2019/09/cebaceb1cf84ceaccebbcebfceb3cebfcf82.jpg?ssl=1

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  7. kopfundgestalt schreibt:

    Feines Stück, liebe Gerda!

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  8. Karin schreibt:

    Dein Vorspann ist genial, liebe Gerda ,
    für mich ist diese Warnerei eine Kata-Strophe, weil sie mir von vornherein die Lust am Lesen der Etüden nimmt und ich keine der Etüden gelesen habe, der dieser Passus seit neuestem voransteht, nicht weil ich Angst vor dem Inhalt habe, er stört mich einfach . Gerade mit Deinem Gedicht beweist Du mal wieder, dass es in der Literatur quasi keinen Stoff gibt, der gekonnt ironisch-vergnüglich auch sehr ernste Themen behandelt, denn gibt es überhaupt Stoffe in der Literatur, vor denen nicht wegen Befindlichkeit irgendeine Warnung gesetzt werden müßte? Selbst Kochrezepte fallen darunter. Jemand, der einmal eine Pilzvergiftung hatte, den triggert das Wort Pilz sofort.

    Ich als Leser würde mich darüber freuen, wenn diese Warnung wieder verschwindet, denn wir wissen jetzt alle, dass es auch bei Christiane Dinge zu lesen gibt, die nicht immer leicht zu verdauen sind wie in jeder anderen guten Literatur. Dann wären vielleicht auch die Schreiber wieder von dieser Last befreit, ihren Stoff immerzu zu überdenken, muß ich jetzt den Vorspann setzen oder nicht.

    Mit nicht kriegerischen Grüßen in Deinen Samstag

    Karin

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Karin. Auch ich lese keine Etüden (sehe keine Filme, Bilder, lese keine Bücher….), vor deren Inhalt mich der Autor, die Autorin warnt. Die Warnung vor „Unernsthaftigkeit“ habe ich aus gegebenem Anlass eingefügt. Manche halten Satiren für lästerlich. 😉

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  9. Christiane schreibt:

    Ach, das ist dir wieder mal rundum gelungen, liebe Gerda. Wie ausgewogen, wie nachdenklich machend, wie tiefsinnig. Danke für den heiteren Aspekt in der Debatte!
    Liebe Grüße, sorry für die Verspätung, ich war gestern Abend nicht online
    Christiane

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  10. Wie das sehr gelungene Gedicht zeigt, ist offenbar nicht nur das Leben in Prosa.

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  11. Ulli schreibt:

    Gelungen finde ich dein Gedicht auch, da kreiselt es im Hirn von Recht und Unrecht, wer gut, wer böse sei …

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  12. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Wir wundervoll bringst Du uns die Geschichte vom Morden und Totschlagen in EtüdenReimeform, liebe Gerda. Vielleicht ist wundervoll ein etwas unpassender Ausdruck, denn dieses Hauen und Stechen und immer aus *gutem* Grund zieht sich wie ein GEWALtiger dicker Faden durch die Weltgeschichte und ist das Gegenteil von wundervoll. (Dabei wollen alle nur Frieden und Brot …)

    Scheinbar leicht bist Du das ernste Thema angegangen und hast ihm einen Denkzettel auf Deine Weise verpasst. Hintergründig ironisch, mit spitzer Feder, die in Deiner Hand Wirkungsvolles in die Tasten wirft, an das Ernste herangeht und kurz davor auch noch warnt und das alles mit einem leichten Zwinkern in den tiefernsten Augen.
    Klasse, liebe Gerda, besser gehts nicht und ich sehe Dich vor mir mit Bilderbuchgeschichten und gleich darauf in Ernstes vertieft.
    Sehr herzlich, Bruni

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  13. Gisela Benseler schreibt:

    Nascha☺Kaleko, noch nie zuvor gehört, doch großartig!! 😊

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  14. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    🌹

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  15. Pingback: Schreibeinladung für die Textwoche 40.19 | Extraetüden | Irgendwas ist immer

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