Zu den Ameisen-Kata-Strophen, die ich vorhin postete, brauche ich einen Kontrapunkt. Am besten dadurch, dass ich den Ameisen meinen Respekt und die ihnen gebührende Wertschätzung durch Bilder zum Ausdruck bringe.
Zunächst das gezeichnete Portrait nicht einer, sondern dreier Ameisen. Ameisen, so sagte ich zurecht, kommen selten allein.
Gezeichnet habe ich nach einem eigenen Foto: Ameisen auf dem Gartenschlauch.
Und hier die Anführer-Ameise mit vier Clons.
Ora et labora – bete und arbeite – ist das Motto dieser sympathischen Tiere. Sie arbeiten unablässig, und dennoch vergessen sie nicht, sich der Höheren Macht dankbar zu erweisen, die ihnen das Korn und die Spreu und manchmal auch etwas Süßes zukommen lässt.
Nicht zu Unrecht sind sie den Poeten lieb, zumal sie sich so herrlich auf „reisen“ reimen. Wer kennte nicht das Gedicht von Joachim Ringelnatz? Wer applaudierte nicht den beiden Ameisen und ihrem weisen Verzicht? Ist es doch arg weit von Hamburg nach Australien, und die Verkehrsverhältnisse vor Ort sind ja nicht wirklich attraktiv.
In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee,
Da taten ihnen die Beinchen weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.
(J. Ringelnatz)
Das Motiv, das dieser Collage zugrunde liegt, ist übrigens das letzte einer Reihe von Ölkreide-Zeichnungen, die ich 2001 in der Nacht vor dem 11/9 anfertigte. Genau 18 Jahre ist das nun her. Darum fiel es mir vorgestern nacht auch ein, als ich über die Ameisen nachdachte. Die Gartenschläuche des Fotos kreuzten sich gerade so wie die „Landebahnen“. Mit der Ameisenvariante möchte ich den damaligen Schrecknissen, die bis heute weiterwirken, mit Humor entgegenwirken. Wer möchte, schaue in meinen Beitrag vom 12. September 2016: https://gerdakazakou.com/2016/09/12/in-einer-nacht-wie-vorgestern/, dort beschreibe ich die Umstände, unter denen die Zeichnung entstand.
Und nun lasse ich die Ameisen, große und kleine, zurückkehren an ihren natürlichen Ort: zu Erde, Pflanzen, Licht und Schatten ….
Wunderbare Insektenzeichnung, liebe Gerda! Nicht mal so gute Bilder habe ich von Ameisen bisher gemacht.
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Danke, Arno. die Ameise ist zeichnerisch zum Glück recht leicht zu erfassen, viel leichter als, zB die Wollbiene. Denn sie hat klare Konturen.
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Leicht ist ja immer relativ 😉
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Es einmal, nach dem ersten Staunen, nur dies: einfach phantastisch!
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Danke, Gisela!
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Von Ameisen habe ich schon treffliche Fotos gemacht, aber allgemein gelten die als langweilig. Was falsch ist.
Es sind soziale Tiere. Diese Tiere mit ihrer eusozialität führten ja zu einer Erweiterung der evolutionslehre.
Aber zurück zu deinem langen und bilderreichen Artikel:
Ringelnatz ist drin, famose Bahnen, dir mich auch an einen Frankfurter Künstler denken lassen, den du auch kennst.
Den schreckensabend, den du ansprichst, habe ich ja im Autoradio mitbekommen und war so geschockt, dass ich richtig aufpassen musste.
Noch etwas auch, was Demut schafft: was diese Tierchen mit etwa 1 Millionen Neuronen alles schaffen ( es gab einen bedeutenden Ameisenforscher hier in würzburg), das sollte uns demütig machen, was Natur mit nur wenigen Bausteinen schaffen kann.
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Demut vor der Natur – ja, Gerhard die habe ich. Habe ich im Überfluss, so sehr, dass ich vieles, was angeblich dem Leben des Menschen dient, für mich nicht brauchen kann. Auch die Ameisen haben meine Bewunderung, wenngleich das, was sie geistig repräsentieren, tatsächlich Ambivalenzgefühle in mir erzeugt. Danke auch für die Erinnerung an Thomas Bayrle. 🙂
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Thomas Bayrle.
Ja, ich mag ihn. 🙂
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…was sie geistig repräsentieren…
Du meinst, die kopflose, geordnete, gerichtete Arbeit?!
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Ja, so ungefähr. Übrigens hat Bayrle dieses Thema ebenfalls gestaltet. Wie ich früher mal schrieb, haben wir einen Druck, auf dem Mao als großer Steuermann dargestellt ist, der sich aus sehr vielen kleinen Arbeiterinnen zusammensetzt. Da ist dann auch kein prinzipieller Unterschied zu dem anderen früheren Druck, wo man grauweiße Fließbandarbeiter sieht, aus denen schemenhaft der Umriss von Agnelli (Fiat) gebildet wird. Ein dritter Druck zeigt lauter Frauen in einer Spinnerei, und das daraus sich entwickelnde Gesamtbild zeigt ebenfalls eine solche Spinnerin. Bei den beiden erstgenannten sind die Menschen „Ameisen“, die einen Staat bilden, der nichts von ihnen selbst abbildet, sondern nur das „größere Prinzip“ (den großen Steuermann, dem sch alle zu fügen haben bzw den Kapitalisten, für dessen Profit alle arbeiten. Beim dritten ist das Detailbild mit dem Gesamtbild identisch, was allerdings auch eine problematische Sicht auf den Menschen darstellt, die sich durch die Vielfalt ihrer Talente und Lebensformen auszeichnen. Alle drei bilden hervorragend das Prinzip der totalitären Hierarchie ab. Die Chinesen und Nordkoreaner haben das in ihren großen von Menschenmassen gebildeten Panoramen zur Perfektion gebracht. Von ihnen hat sich Bayerle auch inspirieren lassen.
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Herzlichen dank für diese Schilderung der drei Bilder!
Bayrles Verkehrsbilder, die ich aus dem MMK Frankfurt kenne, zeigen ein Chaos aus Strassen, Zügen und Autos. Wie ich in einem Katalog las, wird angenommen, dass Bayrle damals zwischen Faszination für Verkehr und „grauen Massen“ schwankte.
Ich denke, dass letzteres die Intention war.
Mich faszinierte Bayrle wegen seiner Technik in der konkreten Kunst – die zudem aber auch eine gewichtige gesellschaftspolitische Aussage hat.
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Die Straßenbilder kenne ich auch, bin extra nach Barcelona gereist, um die große Ausstellung zu sehen. Ich denke, Thomas Bayrle bildete ab, was er als Tendenz in der Welt erkennen konnte: die zunehmende Hierarchisierung, Entpersönlichung, Überwältigung des Einzelnen durch gesellschaftliche Großstrukturen. Es gefiel ihm nicht, er lebte ganz anders, bescheiden, aber das war es, was er sah. Und dann kam die Faszination dazu, die solche Großsysteme eben auch haben – wie jeder weiß, der Ameisenhaufen beobachtet hat. 🙂
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Dazu passend:
Der für mich monumentale Film „Koyaanisquatsi“ spielt damit, daß er schöne Landschaft zeigt, dann schöne Industrielandschaft, mit Chrom und Glas, von dessen Ästhetik man sich angezogen fühlt (mir ging es jedenfalls so), um schleichend in Bilder überzugeeen, der das andere, nachhaltigere Gesicht dieser Techniklandschaften zeigt: Heilloser Verkehr, Lärm, Massen an Menschen und VEREINSAMUNG.
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danke, Gerhard, für diese Weiterführung. Leider kann ich solche Filme hier nicht sehen.
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Koyaanisquatsi hatte ich seinerzeit auf VHS aufgenommen und 5x kopiert. Und an Freunde weitergegeben. 🙂
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Gerade komme ich von deinem älteren Beitrag, in dem du über die Nacht vor 9/11 geschrieben hast. Wie unheimlich! Ich sehe den Totenkopf auch, in der ersten deiner digitalen Bearbeitungen von heute auch.
Auch die Ameisen, die ich immer bestaune, sind mir ein wenig unheimlich: sie scheinen durch ihre blinde Solidarität zu unglaublich machtvollen Leistungen fähig zu sein, so dass ich glaube, sie könnten uns Menschen leicht überwältigen, wenn sie es darauf anlegten. Und du stellst sie auf die Straße in Richtung Totenkopf – und nennst das noch Humor! Ein bisschen schwarz in seiner Ausprägung, finde ich.
Bei all dem hast du uns auch noch wieder so reizvolle Bilder präsentiert, die für die Düsternis ihres Hintergrunds eigentlich viel zu schön sind.
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Danke, Ule. Ich schriebs eben schon bei Gerhard: es ist, bei aller Bewunderung, ein ambivalentes Gefühl, was ich gegenüber Ameisen bwz gegenüber dem, was sie repräsentieren, habe. Warum befasse ich mich überhaupt mit den Insekten? Weil ich, vor allem durch die Makro-Aufnahmen von Gerhard, vor der Frage stand, was diese Tiere mit ihren so eindrucksvolllen Formen und Farben jeweils geistig ausdrücken. Bei den Warmblütern kennen wir ja die Zuschreibungen – manche passend, andere unpassend: Ziege, Schaf, Gaul, Kuh, Hund, Katze, Mäuschen, Schlange, Ratte, Stier, Kalb, Lamm …, all das sind auch Archetypen. Bei den Insekten haben es auch ein paar zu diesem Status geschafft, vor allem wohl die Ameisen und die Bienen, die Spinnen und die Motten. …
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Ich möchte (fast off topic) anmerken, dass es Ringelnatz‘ Ameisen in zwei Varianten gibt: Die frühere ist interessanterweise die längere, sie ist zwei Zeilen länger und endet mit den Versen:
„So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.“
In späteren Ausgaben scheint dieser Zweizeiler weggelassen worden zu sein.
Nächtlich geisternde Grüße
Christiane 😉
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Liebe Gerda, das sind ganz meisterhafte Collagen in Bild und Wort. Ich habe Freude an den Bildern und an Ringelnatz, nur als Allegorie für das Menschsein, sollen mir weder Ameisen, noch Bienen dienen. Ich bin gerne fleissig, aber ich möchte nie mehr fleissig sein müssen.
An deinen Beitrag von 2016 erinnere ich mich noch gut – ja 9/11 ist in die Geschichte und unter die Haut gegangen, dieser Tag hat auch das Gesicht der Welt verändert. Für mich nun auch persönlich … aber das gehört nicht hierher.
Liebe Grüsse
Ulli
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danke Ulli.
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Vom Ernst und von der Heiterkeit, – dazu möchte ich gern etwas sagen. Aber es fehlen mir noch die rechten Worte dafür. Ein Sprichwort heißt ja: “ Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ So ging es wohl vielen humoristischen Menschen(wie z.B. Wilhelm Busch): Sie waren oft tiefernst.. Indem sie es künstlerisch für andere Menschen umwandelten, was sie sonst erdrückt hätte, fanden sie zur Leichtigkeit zurück, und fanden auch die Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit wieder. Das bewundern wir an unseren großen Vorbildern, und das spornt uns an, ermutigt uns. Es gibt aber noch eine andere Seite, die Großes kleiner zu machen versucht. Dieser Versuchung, so ist meine Meinung, sollten wir nicht nachgeben, sondern ihr widerstehen…
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Versuchung? Nein. Ich würde zB über den Angriff von 11/9, von dem ich oben spreche, nie lachen können. Aber die Ameisen kann ich „Richtung Totenkopf“ wandern lassen, und das Humor nennen (wie Ule sagt). Bitterer Humor ist es freilich, weil bitter ist, was sich damals abspielte und seither weitergespielt wird.
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Das ist wieder einmal eine sehr schöne Erzählung! Über Ameisen, meinen Lieblingsinsekten, die ich in meiner Jugend wochenlang beobachtet habe. Auf einer meiner letzten Wanderungen sah ich seit Jahren mal wieder einen beachtlichen Haufen der roten Waldameise. Erst als es überall kribbelte und krabbelte, entfernte ich mich von dem Haufen, setzte mich auf eine Bank und wartete, bis sie (fast) alle den Ausgang gefunden hatten. Sie hatten eine Straße von mindestens hundert Metern entlang des Wanderweges.
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danke Joachim, für deine Erinnerungen, die ich sehr mag. Mir krabbeln die Ameisen oft anarmen und Beinen hoch, wenn ich draußen zeichne. Ich versuche, einen geeigneteren Platz zu finden oder sie zu ignorieren.
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Gefällt mir außerordentlich gut, dein „Ameisenwerk“.
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herzlichen Dank, Almuth!
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Ich erinnerte mich gut an Deinen damaligen Artikel, liebe Gerda.
Deine heutigen Worte zeigen mir alles wieder so deutlich. Deine Gedanken beim Schreiben und
Deine Bilder, die wohl in einer Art Vision entstanden sind. Du fühltest das Böse, das sich vorbereitete, unsere Sicherheit zu zerstören!
Bei Deinen Ameisen und dem schönen Ringelnatz dazu dachte ich gar nicht an Deine Bilder von damals. Deine Worte hatten sich mir scheinbar mehr eingeprägt.
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es war die Ähnlichkeit der Linienführung auf der Zeichnung mit den Schläuchen auf dem Foto, was mich an das Datum und die damalige Situation erinnerte.
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Keiner wird es je vergessen, liebe Gerda
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Alle Zeichnungen gefallen mir gut, jede auf eine etwas andere Weise, mein Lieblingsbild dabei ist allerdings das letzte Bild, mit dem du sie wie in einer klassischen Kino-Sonnenuntergangs-Ausblende verabschiedest.
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Danke, Puzzleblume, dass du vorbei gekommen bist! Wie heißen denn diese Ameisen?
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Wenn es die von der Chaussee bei Altona sind, werden es wohl auch die Schwarzen Wegameisen sein. 🙂
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Aha! Ich nehme das mal als Beweis.:)
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