Ein langer Tag (c) Freitag nachmittag, 2019-07-19: Monastiraki, Theseion und Julia

Nach dem gemeinsamen Schmaus im Fischlokal von Nea Philadelphia  wanderte ich allein durch die altbekannten, aber doch stark veränderten Straßenbilder meiner ersten Athener Wohngegend Richtung S-Bahn-Station. Ich überquerte den Bach, kam an mir unbekannten neuen Gebäuden und dem wohlbekannten nun geschlossenen Blumenmarkt Prompona vorbei, schlenderte weiter, mich möglichst im Schatten von Bäumen haltend. Plötzlich raste ein junger Motorradfahrer von hinten auf den Bürgersteig und riss an meiner Eulen-Umhängetasche. Er wahr wohl noch neu im Geschäft, jedenfalls fehlte ihm die kriminelle Energie, und so blieb ich im Besitz meiner Tasche mit allem, was darinnen war: Ausweise, Handy, Geld, Zeichenblock….. ich rief ihm ein mahnendes „Vre, paidaki mou“ („was soll das, mein Kindchen“) nach und hielt meine Tasche noch fester als zuvor. Denn der Verlust wäre mir peinvoll wie ein kräftiges Erdbeben gewesen. Hier seht ihr sie wohlbehalten auf dem heimatlichen Schaukelstuhl.

Am Monastiraki war ich mit Julia vom Athenmosaik zu einem Bummel verabredet. Ich war zu früh dran, sie zu spät, da sie wegen der Nachbeben die U-Bahn vermied. Also blieb mir Zeit. Der Monastiraki-Platz war gesteckt voll mit Menschen, dazu sonnenüberflutet und laut, daher machte ich mich auf den Weg zum „Turm der Winde“  (Ulli hat mal ausführlich davon berichtet. Link, Ulli?? Ullis Antwort: https://cafeweltenall.wordpress.com/2018/03/14/griechenlandfotos-03/).

Die geöffnete Tür einer Kirche lockte mit Kühle und Stille. Ich übersah die beiden Bettelnden auf den Kirchenstufen – einen alten bärtigen und einen jüngeren mageren Mann, na ja, ich versuchte es jedenfalls – und schlich mich in eine der vorderen Reihen der geschnitzten Holzbänke. Ein wenig zeichnen? Es war meine erste Skizze im Innern einer Kirche – ich denke, ich werde es öfter machen.

Beim Turm der Winde angelangt, fand ich tatsächlich eine Schattenbank. Kaum hatte ich das gegenüberliegende Gemäuer zu skizzieren begonnen, erschien Julia, hochgewachsen und jung, mit lächelnden braunen Augen mich begrüßend. Während ich weiter zeichnete, luden wir unsere Neuigkeiten ab, ich auch Reminiszenzen aus Zeiten, als Julia noch nicht geboren war. Ich fürchte, ich tue das allzu gern. Andererseits – die Gemäuer auf diesem Platz waren jedenfalls doch noch mal sehr viel älter als ich….

Wir zogen dann weiter durch die hübschen Sträßchen zum Thisseion, wollten eine Galerie besuchen, aber sie war schon zu. Schließlich landeten wir in einem Cafe unter Maulbeerbaumschatten, setzten uns auf bunte Stühle, tranken frisch gepressten Zitronensaft und plauderten weiter. Ein Selfie auf dem Handy machten wir für euch, liebe Leserinnen und Leser unserer Blogs.

Dann ging jede ihres Wegs, Julia hinauf in den lichtvollen Abend, ich hinab in die Station des Thisseion. Ich besah mir die alten Fotos der Gegend, die dort als Stationsschmuck angebracht sind, fotografierte auch das Gemälde eines deutschen Reisenden aus dem 19. Jahrhundert.

Ein Sitzplatz in der Bahn erlaubte mir, noch eine schnelle Skizze von Mitreisenden zu versuchen. Und so schloss sich der Kreis.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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20 Antworten zu Ein langer Tag (c) Freitag nachmittag, 2019-07-19: Monastiraki, Theseion und Julia

  1. athenmosaik schreibt:

    Liebe Gerda,
    ja das war ein tolles gemeinsames Ausschwärmen, sollten wir öfter machen. Ich bin dann gestern noch weiter bis zur Akropolis geschlendert und habe den Konzerten unzähliger Straßenmusiker gelauscht. Fotos habe ich keine gemacht, ich war ganz bei meinen Ohren. Aber über dein „Beweisfoto“ von unserem Treffen musste ich lachen: zwei verrückte Seelen in Athen gestrandet!

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  2. Ulli schreibt:

    Liebe Gerda, hier der Link: https://cafeweltenall.wordpress.com/2018/03/14/griechenlandfotos-03/
    danke, dass du den Artikel erwähnst, ja, diesen Turm liebe ich auch noch heute!
    Schön, dich und Julia so fröhlich miteinander zu sehen und welch ein langer und ereignisreicher Tag, danke auch dafür, dass du ihn mit uns teilst. Vorhin habe ich überlegt, dass es noch eine gute Idee ist den Blog als Tagebuch zu führen, wenn ich denn mehr Zeit hätte … ich komme ja noch nicht einmal mehr dazu mein eigentliches Tagebuch zu führen, wobei ich es ja nicht wirklich so nenne, sondern: Gedankenauffangbuch. Wie auch immer noch, ich bin dir heute gerne durch deinen gestrigen Tag gefolgt, habe die Fotos, Aquarelle und Zeichnungen genossen und nun gehe ich in einen freien Abend, mal schauen was mir dazu einfällt 😉
    herzliche Grüsse
    Ulli

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  3. juergenkuester schreibt:

    Das freut mich, dass ich den sonst physiognomisch unbekannten „Blogfreundinnen“ jetzt mal ein Gesicht zuordnen kann. Vielen Dank fuer das Photo,
    Liebe Grüße aus Friesland
    Jueegen

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  4. kormoranflug schreibt:

    Du hättest dem „ Kind“ durch eine Drehung eine ordentliche Lektion erteilen sollen. Aber Dein Tag war wunderbar.

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  5. gerda kazakou schreibt:

    ΅ich war nicht schnell genug, hatte ihn nicht kommen hören. 😉

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  6. wildgans schreibt:

    Das Selfie bringt`s….

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  7. kopfundgestalt schreibt:

    Schönes Foto von euch zwei!

    Das mit der tasche hatte ich ähnlich mal in Barcelona erlebt. Ich vergesse das nie!

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  8. Ule Rolff schreibt:

    Das ist doch mal ein schönes Selfie, Augen, Augen alles erfüllend! Es schenkt mir ein Bild zu den vielen Worten, die ich von dir schon gelesen habe, den Gedanken, die du schon mit uns geteilt hast. Zwar gab es schon einige gezeichnete Porträts und Selbstbildnisse, aber ich kenne die Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung und dem, was ein Foto zeigt, nur zu gut.

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  9. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Vielleicht wollte das *Kindchen* ja nur ein Geschenk für seine Freundin? *g*
    Sie hatte sie bei Dir im Vorübergehen gesehen und da ihr Wunsch danach sooo innig war, versuchte ER, sie Dir zu entreißen… wer weiß .
    Glück hast Du gehabt, es hätte auch ganz anders enden können
    Du hast viel erlebt an dem einen Tag, liebe Gerda und die scheinbar flüchtige Skizze aus der Bahn ist hinreißend. Gerade durch ihre Flüchtigkeit wirkt sie sehr.

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