Am Vormittag fuhren wir erneut zur letzten Wohnung meines Schwagers bzw zuvor meiner Schwiegermutter. Dort war 1970 meine erste Adresse in Griechenland. Damals wurde überall gebaut, heute rücken an die Stelle der ehemaligen Bewohner Flüchtlinge und Migranten aus aller Herren Länder. Ich sah Gaststätten mit Namen wie „Aleppo“ oder „Fatima“, auch eine provisorische Moschee, vor der sich viele Menschen drängten. Sonst hat sich das Stadtbild kaum verändert.
Wir benutzten das „elektriko“, vergleichbar der S-Bahn. In Maroussi versuchte ich die komplizierte Aufhängung der Stationsüberdachung zu zeichnen, aber der Zug kam zu bald. Im Zug skizzierte ich ein paar Mitreisende. Zunächst hielt ich mich bei den Haltestangen, dem Kinderwagen und den entfernt Stehenden auf, um mein Gegenüber über meine Absichten zu täuschen. Am Ende traute ich mich, auch sie zu konterfeien (sie war in ihr Handy vertieft).
In der Wohnung meines Schwagers beteiligte ich mich an der Durchsicht der Bücher, wählte auch ein paar für mich aus, bis mir ein ganzes Regal entgegenstürzte. Ich hatte die Regalkonstruktion nicht ordentlich studiert, bevor ich die Bücher herauszog. Besser, ich würde zeichnen. Doch es reichte nur für zwei sehr flüchtige Bewegungsskizzen von Schwägerin, Mann und Neffe beim Sichten der Bücher. Allerdings fand sich beim Kramen ein leicht vergilbtes gefaltetes Blatt aus einem Zeichenblock, und darauf eine Portraitzeichnung meines Schwagers, die ich ihm vor Jahren daließ.
Ich wollte nichts mehr von verstaubten Büchern wissen und meldete mich ab, um in einem Cafe am Platz Erholung zu suchen. Es war hübsch überdacht, blumenreich, ruhig, der frisch gepresste Orangensaft und der Espresso taten mir gut. An einer Plastikplane brachen sich Spiegelungen der Sessel.
Ein bisschen zeichnete ich auch, bis die anderen zum Aufbruch mahnten. Wir wollten zusammen essen.
So, morgen gehts weiter. Nun muss ich erstmal schlafen. Gute Nacht!
Das Porträt gefällt mir sehr. Es zeigt einen ernsten, vergeistigten Mann. Und das Foto vom Café ist genial, wie ein Gemälde. Danke in die Einblicke in dein Leben. Es sind gemalte Tagebuchskizzen. Sehr lebendig.
Liebe Grüße
Marie
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Herzlichen Dank, Marie1 Ich sehe das Blog ja tatsächlich als Tagebuch an und bemühe mich daher, täglich einen Eintrag zu machen. Das Portrait ist übrigens erstaunlich ähnlich, besser als die Fotos. Aber Dimitris guckte gewöhnlich nicht so ernst und war sehr kommunikativ.
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Von diesem Porträt bin ich auch begeistert und wie schön, dass Du es aufgestöbert hast, vielleicht ist es der kostbarste Nachlaßbesitz als Erinnerung an ihn.
Dir ein etwas geruhsameres Wochenende wünscht Karin
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Herzlichen Dank, Karin. Der Tag lässt sich geruhsam an. Auch dir ein friedliches Wochenende!
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Das ist eine lebendige Mischung, die du heute zusammengestellt hast, Gerda. Ich freue mich über deine wegen eines „geflohenen“ Motivs abgebrochenen Skizzen ebenso wie über die fein ausgeführten, das Bild deines Schwagers leuchtet wie ein warmes Licht aus der Vergangenheit.
Die gebrochenen Spiegelungen in der Plane gehören zu den Motiven, die ich ebenfalls unwiderstehlich finde, wenn sie mir begegnen. Diese hier sind klasse, die diskrete ebenso wie die dominante, für die du vielleicht aufgestanden bist, um das Phänomen aus einem anderen Winkel zu erfassen, wie ich mir vorstelle.
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🙂 🙂 trefflich, getroffen, liebe Ule, danke! *Ja, ich bin etra aufgestanden, für beide Spiegelungen und mir war egal, ob mich Leute für merkwürdig halten. Merk-würdig war die Spiegelung…..
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Liebe Gerda, nun hast du den „Arztbesuch“ entschlüsselt, danke dafür! Ich freue mich für dich, dass du die Zeichnung von deinem Schwager wiedergefunden hast, sie wollte wohl wieder zurück zu dir?! Und natürlich bin ich froh, dass dich das zusammenstürzende Regal nicht „erschlagen“ hat …
Deine Zeichnungen sind wieder feine Spiegel des Tages!
Hab einen schönen Tag,
herzliche Grüße
Ulli
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Danke, Ulli. Die stürzenden Bücher haben nur meinen Kaffee mitgenommen, was weiter nicht schade war, er war mir soweso zu bitter. 😉
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Ein reiches Kaleidoskop, liebe Gerda!
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Danke, Gerhard. Nun habe ich wieder das Kaleidoskop des gestrigen Tages geschüttelt und die Bilder hervorgeholt.
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wieder echt fleißig, mache es gut und passe auf dich auf, Klaus
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Danke Klaus, mach ich.
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So ein schönes Porträt Deines wohl noch jugendlichen Schwagers!
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Danke, Hella. Ich weiß nicht, wann ich es zeicnete, ich vermute mal, Dimitris war da so um die 46. Sein Haar ist schon nicht mehr so dicht und lockig.
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Endlich die Entschlüsselung der beiden Zeichnungen, liebe Gerda.
Nur ein Bücherregal war umgestürzt … Sei froh, daß Du Dich dabei nicht verletzt hast.
Das ältere Portrait Deines Schwagers ist soooo gut. Wie gut, daß es Dir nun wieder in die Hände fiel.
Und dann am Ende die Zeichnung des Caféhauses, die dem Du Dich von dem Schreck erholt hast und ich erkenne durch Deine Kunst eine feine friedliche und ruhevolle Atmosphäre, die Dir guttat und sofort zum Zeichnen verführte *lächel*
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