Den schwarzen Stein und den hellen Hühnergott habe ich vorgestern in eine Pflanzschale unter einen Buchsbaum gelegt. Auf den schwarzen Stein stellte ich eine Wächtereule. Heute zeichnete ich dieses Stillleben.
Ich zeichnete also, was ich arrangiert hatte. Damit wich ich von dem ab, was ich zuletzt ständig tat: nämlich das So-Gegebene nachzuzeichnen, ohne es zu verändern oder eine Auswahl zu treffen. Die Idee dahinter, die ich hier nur andeuten kann, ist die „Kontingenz“ des Seienden – und also auch meiner eigenen Existenz. Indem ich mich darauf einlasse, lerne ich, sie zu deuten.
Heute aber, angeregt durch Ule Rolffs Experimente und hier zum Verhältnis von Motiv und Hintergrund, nahm ich mir vor, den Zeichenvorgang in diese zwei Ebenen aufzuspalten. Ich würde zuerst das Hauptmotiv zeichnen (und fotografieren) und dann den „Hintergrund“mit seinen dort zufällig anwesenden Dingen hinzufügen.
Erste Phase: das zuvor arrangierte Motiv zeichnen.
Zweite Phase: die zufällig so angeordneten Dinge des Hintergrunds hinzufügen.
Zum besseren Vergleich zeige ich die beiden Phasen hier noch mal nebeneinander:
Durch Bearbeiten versuchte ich, die unterschiedllichen Charakterisika einer arrangierten Motiv-Zeichnung und einer „kontingenten“ Zeichnung noch deutlicher zu machen.
Viellleicht verstehst du den Gedanken dahinter? Die erste Zeichnung gleicht einem Menschen, der sich selbst absolut setzt und alles andere ausblendet. Die zweite gleicht einem Menschen, der nicht vergisst, dass er in eine Vielzahl von ihm nicht beeinflussbarer Verhältnisse eingebettet ist.
Ein Gedanke, der sich spontan einstellt, als ich deine Zeichnungen betrachte, ist der eines zweifachen Hintergrunds:
Im Gegensatz zu vielen deiner Zeichnungen, die vollständig gefüllt sind mit allem, was zu dieser Situation gehört und sich damit eigentlich weigert, Hintergrund zu sein, da es doch ein gleichberechtigtes Dasein führt, gibt es hier einen kleinen Rest. Oben rechts hat auch dein Hintergrund einen Hintergrund, den du mit „Nichts“ gefüllt hast … , also einem Hintergrund zweiter Ordnung sozusagen oder einem Transzendenten.
Aber ich muss deine früheren Bilder noch mal ansehen, ob meine anfängliche Behauptung wirklich stimmt, vielleicht enthalten sie diesen „Rest“ auch, und ich bin jetzt einfach dafür sensibler als ich es war.
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Danke von Herzen, Ule, für den Hintergrund zweiter Ordnung, den transzendenten, alles durchdringenden. Es ist der Himmel. Gute Nacht!
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🙂 So wünsche ich dir ebenfalls eine himmlische Nacht!
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Liebe Gerda,
ich glaube, daß ist mir jetzt zu hoch, ja, ich kann da nicht ganz folgen!
Das Bild ohne Hintergrund macht auf mich einen starren Eindruck, während das mit Hintergrund lebt!
Die bearbeiteten Bilder zeigen dies nochmals ganz deutlich!
Das ohne Hintergrund, ist für mich der Mensch als Solist, das mit Hintergrund, der Mensch im urbanen Leben! Diese Deutung kommt aber nur durch Dich, weil Du die Eule als Mensch setzt!
Es ist ein bisschen kompliziert!
Liebe gute Nacht Grüße Babsi
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Liebe Babsi, herzlichen Dank für deinen Versuch zu verstehen. Ich gebe zu, dass ich heute Nacht ein bisschen in die Philosophiekiste gegriffen habe. Was ich meinte, ist ungefähr folgendes:
Es gibt Menschen, die sind nur mit sich beschäftigt und sehen alles entweder als ihr Verdienst oder als ihre Schuld an, so als wenn sie ganz allein auf der Welt wären. (Das ist die Zeichnung ohne Hintergrund).
Andere denken, dass alles sie nur zufällig sie betrifft, Glück und Pech eben, die sehen überhaupt nicht ihren Anteil. (Das ist nur der Hintergrund, ohne die Eulengruppe).
Die Wirklichkeit aber ist „kontingent“, wie die Philosophen sagen. Weder gibt es eine notwendige Abfolge von Ursache-Wirkung noch ist, was geschieht, rein zufällig. Alles hängt mit allem zusammen, und was bei einer bewusst geplanten Handlung herauskommt, ist nicht wirklich vorauszusehen.(Das ist die Eulengruppe zusammen mit dem Hintergrund. Die Eulengruppe habe ich zwar bewusst so zusammengestellt, aber wo zB das Balkongitter auf die Gruppe trifft, das ist „kontingent“.)
Ich gebe zu, der Gedanke ist nicht leicht zu fassen, auch die Philosophen plagen sich seit Aristoteles damit. Auf Latein heißt es „kontingent“ – „was sich berührt“. Die Griechen nannten es endehomeno – etwas was geschehen kann, aber nicht geschehen muss. Eigentlich ist deine Krankheit ein gutes Beispiel: Niemand weiß, wie MS ursächlich entsteht. Sie ist eines Tages da, sie entwickelt sich „irgendwie“, mal so, mal anders, mal schleichend, mal sprunghaft, mal überhaupt nicht,
Wenn es anders wäre, würden wir die Zukunft kennen.
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Liebe Gerda,
vielen herzlichen Dank für diese, gut verständliche, Erklärung!
Das Beispiel mit meiner MS ist dafür auch gut geeignet und ich verstehe jetzt, was Du gemeint hast! Und ja MS ist auf einmal da, sie hat mich quasi berührt und ist geblieben, vielleicht auf Grund vieler Faktoren, die zusammen spielen! Jetzt leben wir zusammen und machen das beste draus!🤔🤗😁
Liebe Grüße und Dir noch einen wunderschönen Tag! Und für Tito ein Bussi von mir!😍🐾🤗😁😉🙋♀️
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Du bist einfach toll, Babsi.
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Danke Gerda und Du auch!💚🧡💛🤗🙋♀️
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Das Bild mit Hintergrund ist der Hammer. Wie du inzwischen weißt, bin ich ja Fan von Schraffur, Struktur und Kontrasten.
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Danke, Marion!
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Ich finde, dass beides seine Berechtigung hat, theoretisch gesprochen halte ich es für legitim, Dinge auch mal isoliert zu betrachten. Tatsächlich fehlt aber auch mir die Einbettung in den Hintergrund.
Liebe Grüße
Christiane
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danke, Christiane. Ja, selbstverständlich ist es legitim, ein Phänomen auch ohne seine Einbettung zu betrachten. Bei unseren Bloggerfreunden sehe ich beide Tendenzen: manche neigen dazu, Schmetterlinge, Rosen, Insekten möglichst „pur“ zu fotografieren, indem sie den Hintergrund ausblenden, andere wiederum wollen gerade das Eingebettetsein des Einzelnen in den Naturzusammenhang ins Bewusstsein rücken.
In allen Wissenschaften gibt es diese und jene Betrachtungsweise. Die eine kann man analytisch (zergliedernd), die andere hermeneutisch (interpretierend) nennen.
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Gibt es denn Dinge ohne jeglichen Hintergrund, liebe Gerda?
Ist dieses Eingebettetsein nicht das, was lebenswert macht, und fehlt dieser Hintergrund, das Eingebettetsein, dann fehlt Grundlegendes,unsere Basis, das, was uns auffängt, wir hängen hilflos und wissen nicht wohin…
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Meine spontanen Assoziationen: Isoliert wirkt die Eule tatsächlich wie eine Wächterin auf mich. Mit Umgebung wirkt ihre Form runder und eingebettet. Da wirkt sie auf mich eher als gefühlvolle Beschützerin , wie auch die Umgebung sie und den Stein schützt. 🙂
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Danke, Petra, mir geht es ähnlich. In der ersten „emblematischen“ Bildfassung ist etwas Absolutes, Mahnendes, ein erhobener Zeigefinger. Das zweite „beschreibende“ Bild ist freundlich wie eine geöffnete Hand.
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Deine Zeichnungen für sich sind ja schon spannend und deine Gedanken dahinter, die Befragung und Deutung, bekommen eine Wichtigkeit, verfolge ich interessiert. Warum gestalte ich etwas so oder anders,ein Spiegel des eigentlichen „Seins“ “ Daseins“..
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Danke, Afrikafrau, für deine treffende Resonnanz.
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Deine Art des Seins: Rumgucken und Zeichnen. Meine: Rumgucken und Schreiben.
Jede hat ihr Schicksalskästchen.
Gleich die schwarzen Klamotten an und das feuerrote Tuch um die Schultern…
Gruß von Sonja
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genau, liebe Sonja. Grad las ich deins. Aber du zeichnest auch? Und ich schreibe auch? zwei Kästchen ist mehr als eins. Liebe Oktobergrüße! Gerda
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Oktober?
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Ja. Wir haben Oktoberwetter.
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Zuerst die Selbstdefinition und dann das Sicheinfügen – gefällt mir sehr.
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alles Gute und beste Grüße und genieße den schönen Tag, Klaus
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Danke schön, du auch, Klaus.
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Da ich Kunst immer mit einem ersten spontanen Gefühl betrachte, fühtle ich mich in der zweiten Zeichnung sofort geborgen, die erste war mir zu abweisend. Ich kann zwar alle Gedanken von Dir und den anderen nachvollziehen, ich wollte nur meinen ersten Eindruck schreiben.
Ich wünsche Dir Wärme in Deinen Oktober, hier ist es auch kühl, aber trotzdem schön zum Draußensitzen.
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Danke Karin. Mit ging es ganz ähnlich mit den beiden Fassungen. Und so freue ich mich über deine Bestätigung. was das Wetter anbetrifft: Ich mag es sehr, stürmisch und feucht, recht kühl, aber es ist nicht das, was sich die Bauern wünschen. Liebe Grüße!
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Etwas fehlte auf Bild Nr. 1 und als der Hintergrund da war, war alles gut.
Nun war eingebettet, was vorher ein wenig verloren wirkte, liebe Gerda.
Hintergrund ist wichtig, er erdet, zeigt uns den Raum, in dem sich das Motiv Deiner Wahl gut aufgehoben fühlt.
Liebe Grüße in die Nacht von Bruni
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„es erdet“ – ja, das ist es. und es zeigt den Raum, ohne das Motiv im horror vacui zu ersticken.. (horror vacui, falls du das Wort nicht kennst, meint die Angst vor der Leere, die einen Maler dazu bringt, jede Lücke im Bild auszufüllen)
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🙂 die Angst vor der Leere… Ist es denn eine Angst? Nicht das Streben nach Vollkommenheit? Vielleicht steckt aber auch da eine Art von Angst? Etwas nicht erreichen zu können?
horror kannte ich 🙂 , bei vacui war Leere, die nun gut gefüllt ist – dank Dir *freu*
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Ein wenig habe ich diesen „horror vacui“ wohl, wenn ich die Kontingenz der Welt abzubilden bemüht bin. Zwischen den Dingen ist kein Vakuum, sondern immer „etwas“, immer kleiner, immer weniger mit dem menschlichen Auge wahrzunehmen, aber leer ist es nie. Die Fotos, die ich bei befreundeten Bloggern sehe, besonders auch bei Gerhard von „Kopf und Gestalt“, mit seinen Winzlingen, die er ins Riesengroße vergrößert darstellt, bekomme ich immer dies Gefühl, dass auch diese Winzlinge ja Riesen sind angesichts der noch viel Kleineren, und diese ebenfalls Riesen usw usf…., Ich aber bleibe selbstverständlich in der mit dem Auge wahrnehmbaren Welt.
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Your explanation of the meaning of the drawings makes sense, but I would not have thought of that if I looked at the drawings and didn’t translate the text.. Aesthetically I prefer the first drawing – or the one without the extra contingencies and background. But that is not to say that I think we should forget that we are all stuck in a world of circumstances, many of which are not in our control. That is part of the beauty of life, isn’t it?
This makes me think of an article I read this morning in an online Australian garden newsletter about chaos, and how strong visual chaos can be in the bush – the Australian wild lands. And how it’s not always best to get rid of the chaos, though that is what a gardener tends to do first. It might be better to honor the chaos – but again, aesthetically that can be very challenging. A Jackson Pollack drip painting was brought up as an example of a successful rendition of chaos. I think often about chaos and all the complexities in the background when I’m photographing in nature, too. I like the chaotic reach of nature and I want to show it, but it can be very difficult to do that and come out with a coherent image.
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Thank you a lot, dear Lynn, for your thought about Chaos. (from Chaos everything is born. https://gerdakazakou.com/2015/05/25/nyx-tochter-des-chaos/, https://gerdakazakou.com/2015/05/25/aus-dem-chaos-geboren/ – but also https://gerdakazakou.com/2015/05/25/aus-dem-chaos-geboren/)
Nature is not chaos, never. But I understand what you want to say. Have a fine day!
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