Letzthin entdeckte ich zufällig beim Skizzieren der schwebenden Boote, wie verschieden sich Tintenstift und Bleistift beim Fotografieren verhalten. Der Tintenstift behält seine ursprüngliche Farbe (schwarz) weitgehend, der Bleistift aber nimmt je nach Beleuchtung auf dem Papier sehr verschiedene, weiche Farben an. Diesen Effekt kann man sehen, wenn man eine Skizze, die man mit beiden Medien erstellt hat, fotografiert und die Farbe digital verstärkt.
Heute, als ich auf einer Bank im Stadtwald saß und der Girlandenform seiner schmiedeeisernen Armlehne mit den Augen folgte, auch eine Radform entdeckte und darüber zu sinnieren begann, ob mein Lebenslauf eher einer Spirale oder einem Rad gleicht …
… angelte ich einen Bleistift und einen blauen Tintenkuli aus der Jackentasche, dazu auch das kleine Skizzenbuch, und skizzierte die Girlande unter bewusstem Einsatz der beiden Stifte: den Tintenkuli für die vorherrschenden Konturen, den Bleisstift für Schattierungen und kleinere Muster und Einfärbungen.
Zu Hause sah ich dann meine Erwartung bestätigt. Bei der Farbverstärkung blieben die Kulilinien einheitlich blau, und als ich die Farben verschob, rot. Bei der dritten Variante erscheinen die Kuli-Linien rötlichbraun bis schwarz. Der Bleistift aber schillerte in vielen Farben.
Weiterwandernd lockten mich die weißlichen Stämme eines Eukalyptusbaumes vor einem dunkleren nadeligen Dickicht. Hier die Originalskizze und zwei Bearbeitungen – eine mit Starkfarben, die andere abgeschwächt und farbverschoben. Wieder zeigen sich die Kuli-Linien einfarbig (blau bzw grau), während die Bleistiftstriche vielfältige Farben angenommen haben.
Und noch einen Walddurchblick skizzierte ich, diesmal sehr frei sowohl mit Kuli als auch mit Bleistift. Auch hier lassen sich die beiden Medien deutlich unterscheiden – sowohl in der Originalfassung wie auch in den farbverstärkten Varianten. Immer erhalten sich die blauen Linien des Kulis, während die Bleistiftlinien sich gemeinsam mit dem weißen Untergrund vielfarbig darstellen.
Bei meinen allerersten Skizzen mit dem Tintenstift (https://gerdakazakou.com/2019/01/22/neues-ist-eine-herausforderung/) hatte ich geschrieben: Ein bisschen kalt kamen mir die Skizzen vor, es fehlten mir die Wärme des Graphits und die wechselnde Intensität des Grau. Frau Wildgans hatte dazu kommentiert: Ich sinne nach über die „Wärme des Graphits“! Nun begreife ich, warum ich das Graphit als „wärmer“ als den Tintenstift empfinde. Und freue mich über die Bestätigung meiner Intuition.
Ich war auch sehr skeptisch gegen Kugelschreiber. Bis ich mal Bilder von jemandem sah, der nur mit Kugelschreiber zeichnete. Quasi realistisch. Ich habe es dann mal versucht… man holt doch ziemlich viel raus. Aber nicht nur mit Umrissen, man kann Kugelschreiber verschiedener Farben durchaus gezielt einsetzen und in viel Kleinarbeit viel rausholen… aber ja… jeder hat wohl sein Lieblingsmedium. Es gelang mir ein Bild, das ich liebte, damit war für mich die Experimentierphase beendet und ich ging zurück zu meinen Medien.
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Danke, Sandra, für deinen Kommentar. Sicher hat jedes Medium seinen Wert, auch der Kugelschreiber. Ich habe gar nichts dagegen. Mir ging es hier in erster Linie um die Frage, worin eigentlich der Unterschied zwischen Kuli und Bleistift besteht. In den Kommentaren gab es da einige Hinweise, wie Klarheit, Kontrast, Haltbarkeit etc zugunsten des Tintenstifts. Ich wollte nun herausfinden, was den Bleistift so besonders macht. Es ist seine „Farbigkeit“. Er ist zwar grau, aber dies Grau enthält alle Farben, die sich dann unter dem Licht entfalten. Das tut die Tintenlinie nicht. So jedenfalls habe ich interpretiert, was ich sah.
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Ich hatte deinen Ansatz schon verstanden. Ich erzählte einfach nur von meinen Empfindungen – da ich mir die gleiche Frage auch mal gestellt hatte. Generell Fragen von Bleistift oder….. (hier ist diverses einzusetzen)
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Was ich beim Graphit nicht mag, ist das Verschmieren, meist mit dem Handballen.
Aber Skizzen für meine Konstrukte und Portraits mache ich nur mit Bleistift.
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Was für eine spannende Entdeckung du hier gemacht hast! Da öffnen sich ganz neue Welten, gerade für die digitale Bearbeitung. Ich bin begeistert!
Und wohin führte dich denn dein Sinnieren über dein Leben, wohin tendierst du mehr, zum Kreis oder zur Spirale oder ist es nicht vielleicht nur der Standpunkt der Betrachtung? Ich denke nämlich, dass das Leben an sich ein Kreis ist, ohne erkennbaren Anfang und ohne erkennbares Ende, das eigene Leben aber oder sage ich lieber die Seele reift in Spiralen.
liebe Abendgrüße an dich
Ulli
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P.S. ob du heute mal wieder nicht über einen neuen Beitrag von mir informiert wurdest?
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danke für die Nachfrage, Ulli. Doch, ich denke, ich habe alles. Aber ich mag deine Bilder gerne etwas nachwirken lassen, und das Kommentieren ist mir nicht immer leicht. Also heb ich es mir für ruhige Momente auf.
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Verstehe … könnte ich mir auch mal angewöhnen!
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Liebe Ulli, danke für deinen schönen Kommentar. Ich tendiere zur Spirale, so wie du sagst: „die Seele reift in Spiralen“. Aber manchmal befällt mich die Sorge, dass es sich um eine Illusion handelt könnte und wir eben doch vom „Rad der ewigen Wiederkehr“ um- und umgetrieben werden.
Aber das sind nur Momente der Verunsicherung. Denn eigentlich bin ich mir sicher: nicht nur meine eigene Seele, sondern das Leben überhaupt sei in einer Spiralbewegung begriffen, nicht automatisch und ohne Rückschläge freilich, aber grundsätzlich schon, die in feinere Schwingungen und größere Geistes-Gegenwart führt.
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Liebe Gerda, ich glaube schon, dass das Rad der ewigen Wiederkehr wirkt, am Ende der Seelenreise steht laut buddhistischer Philosophie die Erleuchtung, in der christlichen Sicht die Erlösung, ab da sei die Wiederkehr vom eigenen Willen abhängig.
Niemand kann all das genau sagen, vielleicht ist alles eine große Illusion, vielleicht wohnt hier ein Funken Wahrheit.
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Interessanter Effekt, den du da entdeckt und digital effektvoll dargestellt hast …
Liebe Grüße zur Nacht vom Lu
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Danke vielmals, Lu!
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🌟
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Also ich plädiere für die Geheimtinte die langsam wieder verschwindet.
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🙂 Es gibt ja auch die, die erst langsam in Erscheinung tritt…..
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Nachdenklich machen mich all diese Beobachtungen, allesamt – und ich schaue wieder mal ins alte Zeichenbuch vom Gollwitzer, was ich so liebe.
Diese gusseiserne Schnecke an der Bank gefällt mir besonders, an sich und gezeichnet.
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Sieh mal an, der olle Gollwitzer! Kommt mir bekannt vor, gabs wohl bei uns zu Hause. Ich persönlich habe mich immer von Schulen ferngehalten, da mir das Selbst-Entdecken der größte Genuss ist. 🙂
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Eine wechselnde Intensität des Tintenstifts erreichte ich oft dadurch, daß ich einen verblassenden, fast ausgetrockneten für meine kleinen Karrikaturen benutzt hatte. Ich mag die durchgängig gleich bleibende Intensität auch nicht.
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Sicher gibts viele Möglichkeiten. Experimentieren ist alles.
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Toll, was Du beim Experimentieren herausgefunden hast, liebe Gerda.
Da finde ich plötzlich die Bearbeitungen auch wunderschön und das nicht nur, weil ich das Ergebnis sehe, sondern weil ich auch Deine Beobachtungen dazu lese. Spiralformen fügen sich gefälliger in unser Leben ein. Das steinerne Rad erinnert mich an seine ehemalige Holperigkeit, Schwerfälligkeit, die sich nun natürlich ganz und gar gewandelt hat. Ich denke auch an Rilkes wachsende Ringe und Hesses blühende Lebensstufen und wundere mich, was für eine Vielfalt an Gedanken durch Deine Experimentierfreudigkeit ausgelöst werden
Besonders wärmend empfinde ich auch Ullis „die Seele reift in Spiralen“
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schön, Bruni. Steine in stille Gewässer geworfen. Wachsende Gedanken-Ringe um kleine Skizzen… 🙂
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