Heute las ich in dem mich sehr anregenden Blog von Joachim Schlichting
Schatten heißt normalerweise nicht absolut dunkel. Denn dort wo das Sonnenlicht nicht hinkommt, sorgt unsere indirekte Beleuchtung desTageslichts für eine der geringeren Intensität entsprechende Aufhellung. Und da das diffuse Tageslicht leicht blau ist, kann der Schatten auf weißem Grund auch nur blau sein.
Beschattete weiß getünchte Häuser haben bei Sonnenschein und strahlendem Himmel daher auch stets blaue Schatten.
Natürlich weiß ich, dass Schatten farbig sind, schließlich beschäftige ich mich mit der Malerei. Es gibt sogar eine grobe Handreichung: die Schatten in der Landschaft sind blau (kühl), die im Innenraum rot (warm) anzulegen. Aber ist das wirklich so? Und wie kann ich es nachweisen? Ich machte mich ans Fotografieren. Erst fotografierte ich Schatten in meiner Küche, dann auf meinem Spaziergang im Park. Die Farbe der Fotos verstärkte ich dann, ohne sie zu verändern, damit sie deutlicher hervortreten. Hier zeige ich sie als Paare: das Original und das farbverstärkte Foto.
Schatten im Innenraum. Von links kommt durch die Balkontür gedämpftes Tageslicht in den Raum und zeichnet Schatten der weißlichen Stuhlbeine auf den weißlichen Marmorfliesen. Die Schatten sich rötlich, im farbverstärkten Foto zeigen sie sich Orangerot.
Abendliche Schatten auf einem Kiesweg im Park, original und farbverstärkt. Die Schatten sich bläulich bzw tiefblau.
Aha, es stimmt! Und nicht nur das! Die farbverstärkten Schatten machen deutlich, dass sich Innenraum- und Außenraum-Schatten komplementär verhalten. Orangerot und Blau sind Komplementärfarben – zusammen bilden sie das weiße Licht.
Vor lauter Begeisterung suchte ich noch ein paar Fotos heraus und verstärkte die Farben. Draußen: blauer Schatten, drinnen: rotoranger Schatten.
Hach, wäre es so einfach, wir wären alle große Koloristen! Diese schöne Deutlichkeit ergibt sich leider nur, sofern nicht mehrere Lichtverhältnisse zusammenwirken, was meistens der Fall ist. Schon beim letzten Foto mit dem Holzschiff siehst du den Einfluss des Tageslichtes, das durchs Fenster daneben fällt, im Blau der Wand. Im folgenden Foto erscheint das braune Balkengerüst grün bis blau, denn es wird vom Tageslicht beleckt, und nur die Schatten, die vom Tageslicht kaum erreicht werden, haben eine rötliche Einfärbung.
Und was sagst du zu den Farbspielen, die sich zwischen dem weißlichen Küchenboden und dem weißlichen Stuhlbein entfalten? Dunkelrot der Schatten im Bereich der Tischplatte, blau der Boden, wo er vom seitlich einfallenden Tageslicht erreicht wird, gelb der Schatten, in dem sich beide Einflüsse vermischen … Von wegen grau!
„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum!“ (Goethe, Faust I, Im Studierzimmer, Mephistopheles).
Und nun, wenn du Lust hast, schau doch mal ein paar Maler der Fauves (Beginn 20. Jh.) an: Vlaminck, Matisse, Derain, oder auch deren Vorreiter Gauguin. Die Farborgien, die du da siehst, werden dir auf einmal ganz natürlich vorkommen.
Wie Schatten doch ein Bild verändern können. Schatten in der Malerei machen ein Gemälde mystisch oder melancholisch oder zaubern eine Plastizität die zum greifen nah ist.
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Das ist eine sehr schöne, abschauliche und didaktisch ausgefeilte Demonstration über farbige Schatten mit modernen Mitteln (digitale Fotografie). Wegen der chromatischen Adaptation unserer Augen müssen wir durch Farbverstärkung davon überzeugt werden, was die genannten Künstler ohne dies sagen.
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aha! wegen der chromatischen Adaptation … Vielleicht hast du da schon mal was Ausführlicheres veröffentlicht?
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Es gibt ja auch tests, in denen man das feld eines schachbretts durch die gegenwart eines farblich irritierenden röhrenobjekts andersfarbig wahrnimmt, obwohl es das gleiche grau hat wie die anderen.
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Schatten ist überall, wieder gut ins Bild gebracht und guter Text dazu, möge es eine gute Woche werden.
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Ja, Klaus, Schatten gibt es überall, und sie haben die tollsten Farben, die wir leider nicht wirklich sehen können, weil unsere Augen „chromatisch adaptieren“ (Kommentar von Joachim Schlichting).
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Faszinierend
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du kannst es ja mal bei deinen Fotos ausprobieren – wie sie reagieren, wenn du die Farben intensivierst. Ist wirklich spannend.
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Das ist ja wirklich spannend! Und lehrreich! Deine Experimente werde ich selbst demnächst wiederholen und damit bestimmt den Nachwuchs zum Staunen bringen 🙂
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Ja, tu das, damit sie verstehen: Schatten sind nicht grau oder schwarz…
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sehr inspirierend und animierend, ich danke dir dafür und Joachim auch!
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freu!
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Ich sage nichts mehr, bin sprachlos.
Über die Farbe von Schreien habe ich schon mal geschrieben, aber über die Farben der Schatten habe ich noch nie nachgedacht. Sie waren für mich immer dunkler als alles, worauf die Sonne schien, und weiter gingen meine Gedanken nie
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Tja. Ich hingegen kam erst durch dich darauf, dass Schreie Farben haben. Wie gut solch ein Austausch tut!
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*lächel*
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Oh, das letzte Bild hat ja wunderschöne Farben! Ein sehr interessanter Beitrag, liebe Gerda, danke!
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ich war selbst überrascht, macht mit vielen Fotos diesExperiment der Farbverstärkung. Prober es mal aus, es ist spannend.
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Sehr instruktiv!
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danke, Maren!
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