Zu Besuch in der Brandzone

Gestern fuhren wir nach Nea Boutsa (Neu Voutsa) in Ost-Attika- benannt nach einem Ort in Kleinasien, aus dem die Griechen 1923 vertrieben wurden. Er gehört zu dem von der sommerlichen Brandkatastrophe stark betroffenen Gebiet. 26 Menschen fanden hier den Tod. Der schwarze Boden zwischen den verbrannten Pinien-Stämmen brachte eine Unzahl zärtlicher Zyklamen hervor.

Mittendrin hat meine Schwägerin ihr Haus. Sie und ihre Familie brachten sich rechtzeitig in Sicherheit. Das Haus wurde von den Flammen nur beleckt. Nun arbeitet ein tüchtiger Handwerkertrupp aus Polen, die Renovierungsarbeiten sind schon weit fortgeschritten. Die Klingel und ein verbranntes Toilettenfenster, hoch oben im Dachfirst, hob man auf, der Künstlersohn Vassilis soll sich ihrer annehmen, meint die Mutter.

Drinnen ist alles wie ich es kannte, sogar die Bilder meines Neffen Vasilis Botoulas (s.a. hier) und eine Portraitstudie von mir haben den Brand wohlbehalten überstanden.

Mehr Licht als früher fällt nun durch das schmale Fenster, denn die Bäume davor sind nicht mehr da. Wir sitzen zusammen und hören Geschichten vom Brand.  So  von dem kleinen Wand-Teppich, der die Flucht aus Kleinasien 1923 überstand und der nun verbrannte. Oder vom Archiv des großen Filmemachers Theodoros Angelopoulos (hier und hier), das mitsamt dem Häuschen in Flammen aufging. (Th. Angelopoulos selbst kam 2012 tragisch ums Leben).  Von der Frau, die in ihrer Villa mit Swimmingpool verbrannte, während das Holzhaus daneben völlig intakt blieb. So als suchte sich das Feuer seine Opfer nach Lust und Laune, hier tötend, dort verschonend.

im Gespräch

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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32 Antworten zu Zu Besuch in der Brandzone

  1. kormoranflug schreibt:

    Die Alpenveilchen blühen.

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  2. Ulli schreibt:

    Mich rühren die Alpenveilchen auf dem schwarzen Boden sehr, wieder sind Tod und Leben ganz nah beieinander!
    Was verbrennt und wer und was und wer nicht, da denke ich auch an Schicksal, an Schutzengel, an Willkür des Feuers …
    liebe Grüße, Ulli

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    • gkazakou schreibt:

      Ja, Ulli. Das sind so schwere Fragen. Wer davon kam, vergisst sie schnell. Wen es traf, der knaupselt sein Leben dran. Kennst du das Morgensterngedicht?

      Der Wolke Zickzackzunge spricht:
      „Ich bringe dir, mein Hammel, Licht.“

      Der Hammel, der im Stalle stand,
      ward links und hinten schwarz gebrannt.

      Sein Leben grübelt er seitdem:
      warum ihm dies geschah von wem.

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  3. kunstschaffende schreibt:

    Deine Familie hatte, Gott sei dank,
    einen ganzen Trupp an Schutzengel!😁🙏🙏🙏🙏
    Das Pitrait von Dir ist ein Meisterwerk! Auch die Minimalkunst, so nenne ich es jetzt einfach mal, finde ich sehr interessant gelungen! Und Ulli hat es sehr treffend kommentiert!

    Liebe Grüße Babsi

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  4. wildgans schreibt:

    Eindrucksvoll, alles! Nur beleckt werden, so als Haus, was für ein Glück!
    Gruß von Sonja

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  5. Susanne Haun schreibt:

    Ein eindringlicher Bericht, liebe Gerda. Fast surreal muten deine Worte an! Einen schönen Sonntag von Susanne

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    • gkazakou schreibt:

      Danke,Susanne. Es ist tatsächlich ein surreales Gefühl, dort herumzuschlendern und zu fotografieren. Zugleich ein starkes Gefühl des Wieder-Auferstehens und Neubeginns. Die Zyklamen vor allem, die so überreich blühen, die geweitete Sicht, die frisch geweißten Wände zwischen all dem Schwarz. Es gab auch schon frisch gepflanzte junge Ölbäume dort, wo vorher Pinien standen….Hab einen schönen Sonntag!

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    • gkazakou schreibt:

      Stimmt, ich kenn das, Susanne, es braucht Kraft. Und in gewisser Weise ist das auch der Grund, warum ich schon so lange nicht mehr ausgestellt habe. Dennoch fehlt es mir. Liebe Grüße!

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    • gkazakou schreibt:

      Du hast dir wohl allzuviel gleichzeitig vorgenommen, Susanne. Einerseits ist es ja wunderschön, sich so inmitten des Lebens zu fühlen, aktiv nach allen Seiten – aber nun MUSST du eine kleine tiefe Pause einlegen, um wieder zu Kräften zu kommen. Alles andere kann warten! Von Herzen, Gerda

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      • Susanne Haun schreibt:

        Liebe Gerda,
        eigentlich hatte ich alls gut geplant.
        Den Master wollte ich im Frühjahr abgeben. Mein offizieller Abgabetermin ist der 2. April. Mein 2. Gutachter hat mir den Strich durch die Rechnung gemacht. Er verläßt unsere Uni und bat mich, doch bis Ende des Jahres meine Arbeit abzugeben. Mit dem 2. April hätte ich die Ausstellung in Ruhe organisieren und bewältigen und den Master ganz in Ruhe schreiben können und hätte auch noch in Ruhe die Zeit für meine Dozententätigkeit gehabt.
        Aber ist der Plan noch so gut gelungen, verträgt er noch ein paar Änderungen ……
        Diesen Samstag und Sonntag habe ich frei, da schreibe ich an meinem Master, nächsten Samstag muss ich schon wieder unterrichten…
        Danke für deine Führsorge, liebe Gerda, du hast so recht. Ich hoffe, ich schaffe es nächstes Jahr, weniger zu machen. Zumindestens habe ich mich für keine Ausstellungen beworben.
        Liebe Grüße und eine dicke Umarmung, Susanne

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    • gkazakou schreibt:

      Wie dumm! da wird dein Programm, das sowieso schon ziemlich gedrängt war, noch mehr zusammengedrückt. Andererseits wirst du dann ab Januar mehr Luft haben, darauf kannst du dich schon mal freuen. Un abbraccio!

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  6. Xeniana schreibt:

    Schwer zu diesen Kommentaren noch etwas hinzuzufügen. Aber auch hat dieser Beitrag und die Fotos sehr bewegt.

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  7. hdmaier schreibt:

    Sie sind auch eine prima Fotografin! Künstlerische und handwerklich fotografische Gestaltung geben sich offenbar die Hand. Die bildlichen Inhalte selbst sind uns von Spanien her sehr vertraut. hdm-marketing.de

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  8. www.wortbehagen.de schreibt:

    Ein Lesen hier dauerte, denn ich bin den Links mal wieder gefolgt und habe nun mehr Ordnung in meinem Kopf *g*. Einfühlsam sprichst Du vom Feuer, von dem Deine Familie zum größten Teil gottseidank verschont blieb…
    Das Feuer hat keine Seele, es verbrennt, wen und was es mag, sein Züngeln ist bösartig, heimtückisch, gemein. Es zerstört, was liebevoll aufgebaut war und macht keine Untereschiede zwischen diesem und jenem.
    Doch die Natur ist stark, sie wartet ein Weilchen und dann schickt sie ihre Boten und hier halte ich mich fest, an der Hoffnung, die nie ganz versiegen sollte, auch wenn alles rabenschwarz scheint

    Liebe Sonntagsgrüße von Bruni

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe Bruni, auch mich hat die Überfülle der Zyklamen auf dem schwarzen Boden, inmitten verbrannter Bäume, hinter verbrannten Zäunen und Balken stark angerührt. Es sind so zärtliche rot-violette Gebilde, Schräubchen gleich, die einen Teppich herzförmiger schön gemusterter Blätter um sich breiten – ein großer Trost.

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  9. hdmaier schreibt:

    Sie sind auch eine prima Fotografin! Künstlerische und fotografische Gestaltung gehen offenbar Hand in Hand. Die bildlichen Inhalte sind uns aus Spanien höchst vertraut.

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  10. kopfundgestalt schreibt:

    Ein recht lebendiger Bericht, danke dafür!

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  11. elsbeth weymann schreibt:

    Danke, Gerda für das Teilnehmenlassen… der auf der Flucht einst gerettete, jetzt verbrannte Teppich bewegt mich sehr …und die Zyklamen mit ihrem stillen, leuchtenden , farbigem—ja , auch „Feuer“. aber eben so ganz anderer Art.
    Ein Zornstachel bleibt. Weil es nicht einfach Schicksal oder übermächtige Naturgewalt war, was da geschah. Brände–fast jedes Jahr ??!! Schlamperei ? Nichtverantortung? Vorsorge—zu teuer ,und bringt keinen Profit? …
    Liebe Grüße,
    Elsbeth
    P.S. Das von Dir gemalte Porträt ist sehr sprechend !!

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Elsbeth, für deine schönen Worte. Die Zyklamen — ein anderes Feuer – das gefällt mir sehr. Was die Ursachen der Brandkatastrophe anbetrifft: ja, da bleibt Zorn, aber auch Selbstvorwurf, denn wer in einem Pinienwald baut, geht das Risiko ein, dass sein Haus abbrennt.

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  12. Chrinolo schreibt:

    Das Haus wurde vom Feuer nur beleckt … ausdrucksstarke Worte, mit denen du das Geschehen beschreibst!

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  13. Pingback: Kunst am Sonntag: Verkohlter Wald und der künstlerische Umgang damit (2) | GERDA KAZAKOU

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