Die Einladungskarte hat Christiane gestaltet, die weiterhin diese Etüden betreut. Die Wörter stammen diesmal von mir.
Vor dem Bewerbungsgespräch (innerer Monolog)
Morgen muss ich muss ich
Mir die Nägel die Haare schneiden, schneiden
Muss ich muss ich mich
Für das Vorstellungsgespräch
Korrekt und sogar akribisch kleiden
Skrupulös drauf achten muss ich muss ich
Dass ich, jedes Wort wägen, Leumundszeugnis
Ach. Was soll ich nur sagen, wenn er
Oder sie? sie? mich fragt wo ich bisher
Und überhaupt, ob ich…
Wie soll ich soll ich nur
In den Genuss einer Arbeit …
Genuss? Das ist ja wohl ein Witz,
wo ist da der Genuss? Ach was, ich
schneide mir nicht die Nägel und auch nicht das Haar
und krieg die Stelle nicht an der Kasse, schon klar!
Soll ne andre da sitzen
und schwitzen
Und Gemüse abwiegen
Und Anpfiffe kriegen
und Kleingeld rausgeben
und träumen vom Leben
mit geschnittenem Haar
und achthundert Kröten in Bar.
Welches Kleid nehm ich?
Oder lieber Bluse und Rock?
Die Schuhe mit Schnallen oder die mit den Hacken,
Modern meine Kleidung oder lieber altbacken?
Das Haar als Knoten oder doch lieber Zopf?
Obs ein Junger ist oder ein alter Sauertopf,
der mich da prüft, wegen der Stelle
ich glaub ich nehm doch das Helle
mit dem Blümchenmuster, das passt
noch, ist mir es ja reichlich verhasst,
und das Haar werd ich schneiden
lässt sich wohl doch nicht vermeiden.
Die Stelle muss ich kriegen
Auf Brechen und auf Biegen.
Brauch die achthundert Kröten
Sie sind mir sehr vonnöten.
Die Freiheit ist zu teuer
Bei den Mieten von heuer.
Das Kind braucht auch Essen
Oder soll es Brennnesseln fressen?
Also reiß dich zusammen und mach dich schön
Dann kriegst du die Stelle, es wird sicher gehn.
Dann kriegst du sicher noch Extra-Rabatt
Und machst die ganze Familie mit satt.
Soll ich – soll ich nicht – oder doch – egal, ich muss.
Ja, so geht es uns oft im Leben. Herrlich beschrieben!
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Danke Werner! Gute Nacht ! 🙂
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Genuss oder Verdruss. Auf jeden Fall ein Muss.
Schön dargestellt, liebe Gerda!
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Herzlichen Dank, liebe Meermondin!
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Ein gekonnte innerer Monolog und diese absolut charmanten graziosen bittstellerinnen. Ein feines Kunstwerk!
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Danke für dein tiefes Gespräch,
liebe Gerda.
Ich wünsche mir, nein allen: Arbeiten + Genuß = Berufung
und wie heißt es so schön: „Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe.“
Ein skrupulöses Sein in diesem Leben,
alles Liebe, Raffa.
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danke Raffa. Dein Wunsch in Gottes Ohr.
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Na, wir dürfen als mit freiem Willen gesegneten Wesen, welche von sich behaupten auch geistreich zu sein, nicht alles in Gottes Ohr wünschen. So ein „bißchen“ dürfen auch wir tun. Und dabei können wir uns jederzeit unterstützen. Danke dir, für deine Anstöße und Worte.
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Liebr Raffa, wenn du anstelle des „wir“ ein „ich“ setzen würdest, wäre mir wohler. Die Frau in meiner Geschichte hat leider zwar einen freien Willen, aber wenige Möglichkeiten, ihm entsprechend zu handeln. Sie würde schlicht verhungern – und ihr Kind auch. Also wird sie ihren eigenen Willen hintanstellen und sich einem fremden Willen unterordnen müssen. Und zwar nicht, weil sie das will, sondern weil sie das muss.
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Verzeih mir, liebe Gerda,
als verdrehter Revoluzzer sehne ich mich so nach dem Wir – und daß die Frau in der Geschichte mit ihrem Kind verhungern müßte, ist genau das, was wir im wir ändern dürfen – damit dieses seltsame „Müssen-müssen“ mal so langsam ein Ende hat. Und verzeih ein weiteres Mal, ich allein kann das nicht.
Mit dem Drücken soll ich ja vorsichtig sein,
hab´einen wunderbaren Tag,
wir schaffen das(;-)
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Wat mut, dat mut, nicht wahr, liebe Gerda!
Die immerwiederkehrende Frage, was ist freie Wahl im Leben, was ein Diktat der Vernunft? Ja, man kann wählen zwischen dem Blümchenkleid und dem anderen, zwischen Haare ab oder nicht, aber das Brot muss eben auch auf den Tisch!
herzlichst, Ulli
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Freie Wahl zwischen Bagatellen – und nicht mal die ist frei, sondern konditioniert – denn von der Wahl der Mittel hängt schließlich das Ergebnis ab. Hier kommt wohl erschwerend hinzu, dass die Frau eine Vorgeschichte hat.
Arbeitssuchende mit einem Makel im Leumundzeugnis müssen besonders demütig auftreten und haben unbedingt dankbar zu sein, wenn man ihnen als „zweite Chance“ einen langweiligen schlechtbezahlten Job gibt. Meine Protagonistin hat schlechte Karten, denn sie scheint aufmüpfig und für den Job zu gebildet zu sein (akribisch, skrupulös). außerdem hat sie ein unmündges Kind. Ich weiß nicht mal, ob ich ihr wünschen soll, dass sie den Job als Supermarkt-Kassiererin bekommt. Zum Glück stecke ich nicht in ihrer Haut.
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einfach tun, Bauchgefühl, genieße den Rest des Tages.
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Danke schön, Klaus
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Sehr kreativ!
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Danke, Joachim
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Zum Schmunzeln schön, Dein innerer Monolog, liebe Gerda.
Tja, Freiheit ist zu teuer, ohne Arbeit geht´s nicht auf Dauer.
Und die Kleidungsfrage ist nicht so ohne. Dadurch alleine kann schon so viel schiefgehen.
In Deinen Worten klingt durch, als wäre dieser Job, egal was es für einer ist,
die letzte Rettung aus einer schon zu lange anhaltenden Misere.
oh, oh, hoffentlich geht da nichts schief
Liebe Grüße zum späten Abend von Bruni
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Danke, liebe Bruni! Der Mist ist, wie ich oben schon schrieb, dass ich mir gar nicht sicher bin, ob ich ihr den Job wünschen soll. denn einerseits braucht sie ihn verzweifelt, andererseits verabscheut sie ihn und wird ihn deshalb, selbst wenn sie ihn bekommt, wohl kaum lange aushalten. Ich wollte, ich hätte einen Job für sie, den sie liebt und der ihr gestattet, ihre Talente zu entfalten.
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ja, liebe Gerda, ich hatte es gelesen und eigentlich auch in Deinem Text schon erkannt, da skizzierst Du jemand, der sehr eigen ist und ob der sich an einer Kasse wohlfühlt???
Wie geht es Tito?
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Danke, Bruni, für die Nachfrage! Dem Tito geht es recht gut,er ist fröhlich und liebevoll. ich weß aber nicht, wie es mit dem Gesundheitsproblem aussieht. Da muss ich noch ein bisschen abwarten.
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Wie schön wäre es, wenn wir alle Jobs machen könnten, die wir mögen können. Überqualifiziert zu sein muss ja nicht schlimm sein, solange man mag, was man zu tun hat, das Geld und die Kollegen stimmen …
Aber bei deiner Etüde weiß ich nicht, ob ich ihr wünschen soll, dass sie den Job bekommt.
Liebe Grüße
Christiane, buchmessenabgelenkt
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Wenn nicht mal du, liebe Christiane, weißt, ob sie den Job kriegen soll, dann verstehst du ihr Dilemma ausgezeichnet. Hab Spaß bei der Buchmesse! (Da wär sie jetzt vielleicht auch lieber als beim Vorstellungsgespräch im Geblümten ;( )
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