Vorrede: Ich habe das Wort SKRUPULÖS selbst ins abc-Spiel gebracht und frage mich nun: was habe ich mir eigentlich dabei gedacht? Ist ja kein schönes Wort, dies „skrupulös“. Hat mit Skrupeln zu tun – und wer hat die schon gern?
Aber nun ist es einmal da, dies skrupulös, und ich muss etwas damit anfangen. Bei meinem Nachdenken erinnerte ich mich an das Enneagramm – ein Selbsterforschungsinstrument, das ich gelegentlich gern zu Rate ziehe.
Das Enneagramm unterscheidet die Menschen nicht nach vier Temperamenten, sondern nach neun Charaktertypen. Der erste ist „Der Perfektionist“.
ABC-Etüde: Bin ich eine Perfektionistin?
Gleich der erste Typ des Enneagramms ist der Perfektionist, zu dem das skruplöse Nachdenken, Erforschen, Abwägen gehört. Der ewige Zauderer, der nichts beginnt, ehe er nicht alle Eventualitäten bedacht hat. Der sich selbst zugrunde richtet – und gelegentlich auch seine Mitmenschen -, weil er nächtelang über ein angemessenes Wort grübelt und feilt und nicht zu Potte kommt. Und mit dem muss ich mich nun beschäftigen. Ausgerechnet ich! Wo ich doch Perfektionisten lieber schneide! Sag selbst, welchem Charaktertyp würdest du dich gern zuordnen? Du hast zur Auswahl: (1) Perfektionist (2) Geber, (3) Dynamiker, (4) Tragischer Romantiker, (5) Beobachter, (6) Advokat des Teufels, (7) Genussmensch, (8) Boss, (9) Vermittler.
Der Perfektionist also.
Das SELBSTBILD des Perfektionisten ist: ICH HABE RECHT. Und da muss ich gleich mal zugeben: Das passt zu mir. Natürlich habe ich recht.
Ein UNREIFer Perfektionist ist rechthaberisch, pharisäerhaft, zersetzend. Nein, das bin ich nicht, hm, doch, manchmal schon. Also rechthaberisch kann ich schon sein, aber pharisäerhaft? oder zersetzend? Nein, nein.
Der NORMALe Perfektionist ist perfektionistisch – klar. Und skrupulös. Er zaudert, will wissen, worauf er sich einlässt, und er will sich nicht ins Unrecht setzen. Ich will mich auch nicht ins Unrecht setzen. Schließlich will ich recht haben. Aber um rechtzuhaben, muss ich vielleicht ja auch wirklich Recht haben. Also noch mal nachprüfen, obs so stimmt.
Der REIFe Perfektionist – und da atme ich auf, denn damit kann ich mich identifizieren! – ist kritisch, wach, gelassen, und ethisch hochstehend. Niemand kann mir an die Karre fahren. Alles tipptopp abgesichert, nachgeprüft und ethisch einwandfrei. Nichts kann mir vorgeworfen werden. Da kann ich gut gelassen sein.
Und so gehe ich in die Welt und rufe voller Selbstvertrauen: Werdet wie ich, dann seid auch ihr im Recht!
(278 Wörter)
Sehr schön aufgebaut. Und das Bild passt so gut dazu: der Perfektionist steht über Allem und Allen, denn auch optisch ist er der Größte und mit Hut und Stock der Vorbildlichste.
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Wie ich sehe, hast du ihn gleich erkennt. (Woher weißt du, dass das Kind hinter der Frau nicht gemeint ist?) 😉
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Die Etüde selbst gefällt mir gut, der darin beschriebene Typ eher nicht so wirklich 🙂
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Wem gefällt er schon? Aber ein Stück von seiner Rechthaberei steckt ja doch in uns. Und er hat auch liebenswerte Züge, denn er möchte das Beste geben.
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Ja, tatsächlich haben ja alle Charaktere nach welchen Klassifizierungen auch immer auch irgendwelche liebenswerten Eigenschaften. Rechthaberei ist mir auch nicht gaaaaanz fremd 🙂 🙂
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Ist der Perfektionist eigentlich nicht der unperfekteste Zeitgenosse, weil er ja nie perfekt sein kann!🤔😴Perfektionisten sind oft auch Moralisten!🙄
Deine Legearbeit zeigt dies ganz beeindruckend!😊👍
Liebe Grüße Babsi
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Ich fürchte du hast recht, liebe Babsi. 😉
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🙈☺😉
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Interessant, vielen Dank dafür, das ist sehr unerwartet! Zwei Fragen: Wie werden denn nun „wirklich“ im Enneagramm die Menschen den Charaktertypen zugeordnet? Und: Bist du wirklich ein Perfektionist? 😉
Liebe Grüße
Christiane
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Das Enneagramm ist ein dynamisches Modell. D.h. Man „ist“ kein Charaktertyp, sondern man durchschreitet ihn. Man muss selbst herausfinden, wo man sich grad befindet und in welche Richtung man sich bewegt. Natürlich würde ich mich nicht als Perfektionisten bezeichnen – eher als Chaotin – aber da auch ich zu Rechthaberei neige, tue ich gut daran, mich von diesem Typis nicht feindlich abzugrenzen, sondern mich damit zu befassen.
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Ich fürchte, ich neige zu ähnlichem, allerdings bin ich keine Chaotin, eher strukturiert! Aber in der Malerei kann ich immer mehr loslassen und ganz intuitiv sein! Das ist ein befreiendes Gefühl!😁😊
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Deine Malerei ist befreiend – man merkt es! ich glaube, sie hilft auch, um zu Gesunden.
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Lieben Dank Gerda und tatsächlich denke ich, wenn ich male, nicht an meine Krankheit! Da spüre ich sie kaum!😊
Liebe gute Nacht Grüsse und schlaf gut!
Babsi
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Ja, Gerda, was hast du dir nur bei skrupulös gedacht, das habe ich dann auch gedacht 😉
Schön, wie du das Dilemma löst und dann noch gleich mit einem Perfektionisten, so eine Frau Perfektionist in mir kenne ich auch, so im Sinne von akribisch oder detailverliebt und auch mal rechthaberisch und dann auch manchmal Recht habend und dann auch wieder nicht.
Und dann bleibe ich bei einem meiner Lieblingssätze: „When too perfect dann liebe Gott böse“ (Namjun Pike)
eine feine Etüde, mit sehr feiner Ironie, nahezu filigran!
herzlichst, Ulli
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Ich denke, du siehst mich lächeln. 🙂
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🙂
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Pingback: #INKTOBER2018 08: star und abc.etüden 41.42.18 – Ein Märchen von der Bösen Königin – Agnes Podczeck
Die Legearbeit ist wiedermal klasse… und dann fragte ich mich, Was bin ich? Perfektionist sicher nicht. Eher Beobachterin. Und ja, das Enneagramm begleitet mich schon so lange. Es war mir in einer schmerzlichen Lebensphase Retter und Befreier. Es hielt mir den Spiegel vor…was nicht unbedingt spaßig war. Als Perfektionistin sehe ich dich nicht, aber als unglaublich vielseitig begabt. Einfach genial. Liebe Grüße von Marie
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Danke, Marie! Im Ernst halte ich mich nicht für eine Perfektionistin, aber es ist gut, sich auch die weniger geliebten Eigenschaften vor Augen zu führen, wie du als Enneagram-Kennerin ja wissen wirst. Ist manchmal gar nicht so leicht, drum mag ich die humoristische Version der Selbstveräppelung.
Alle 9 Typen haben es ja in sich. In ihren „unreifen“ Formen sind sie grässlich, im Normalzustand erträglich, in ihren „reifen“ äußerst liebenswürdig.
Nimm die „Beobachterin“: 5 (Selbstbild) Ich blicke durch – (unreif) isoliert, nihilistisch, exzentrisch – (normal) analytisch, distanziert, abstrakt – (reif) erfinderisch, weise, tatkräftig. Mir scheint, wenn ich mein Leben überblicke, auch ich habe viel von der Beobachterin.
Wie auch immer! habs gut, Marie!
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Ich liebe ja Neologismus und fand dein Wort sofort interessant, egal ob es dies schon gibt oder nicht 😉
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Ja, sehr interessante Etüde, finde ich auch. Und in jedem von uns stecken ja diese und jene Seiten, mal mehr und mal weniger ausgeprägt und es tut immer wohl, sich und andere zu hinterfragen.
Wunderbar und passend auch Deine Legearbeit. Da habe ich mich gelich auch selbst ein wenig kleingeredet und zurechtgestutzt gefühlt.
Liebe Grüße zu Dir!
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Mit wem auf dem Legebild hast du dich denn identifiziert?
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Nun, das ist schon eine therapeutische Frage. Eher fühlte ich mich als machtlose Person außerhalb des Bildes, unfähig einzugreifen und unter der Ohnmacht leidend …
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Nanu, Wendi mit keiner der Personen im Bild identifiziert bist: wieso willst du dann eingreifen?
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Wieder eine therapeutische Frage … Ich möchte nicht nur, dass es mir, sondern auch anderen Menschen gut geht, und ich fühle mich trotzdem ein und „leide“ mit. Die notwendige Distanz zu wahren, fällt nicht leicht… Und natürlich bin ich auch einmal abgekanzelt worden, ich weiß wie sich das anfühlt, und bin drum bemüht, alles so perfekt wie möglich zu machen: jenen Den-Finger-Hebern möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten (Perfektionismus als Schutz)
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Jedenfalls ist das Kind ohne jede Hand-lungsfreiheit die Figur im Bild, die mir am meisten nahegeht, gleich neben der Frau, die ihre Arme nicht zu heben wagt, nicht nur skrupulös, sondern resigniert verstummt und ängstlich beide, das Kind, wenn später mal mehr Freiheit erlangend bereits in die Spur gesetzt auf den Weg zu späterem Perfektionistentum, weil Kontrolle Sicherheit
bedeutet und damit die beste Verteidingungslinie .
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Danke! Ich selbst fühle mit der Frau, die bald von zwei Perfektionisten in die Mangel genommen wird, vermutlich. Dabei sieht sie jetzt schon ganz zerflattert aus. Sie steht da, um ihr Kind zu schützen, aber das wird ihr in den Rücken fallen, sobald es heranwächst – perfekt wie Papa.
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Wie gut bist Du mit den eigenen Worten umgegangen und meisterlich gleichzeitig die Etüde gemeistert, liebe Gerda. Sehr interessant, das Enneagramm, das ich nicht kannte und ich versuchte gleich, mich einzuordnen und merkte, wie schwer es mir fiel.
Ich scheine der wohlgeordnete beobachtende Romantiker mit Vermittlertätigkeiten zu sein 🙂
Dein Legebild zeigt den Perfektionisten, bis ins kleinste von sich selbst überzeugt, und keiner anderen Meiung zugänglich . Ein Despot, dem sich das unterordnet, was vermittelnd tätig ist…
Das schwächste Glied in der Dreiergruppe, so schaut es wenigstens für mich aus
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Deine Selbstcharakterisierung, liebe Bruni, ist zauberhaft und zeigt ein gesundes Selbstvertrauen, grundlegende Voaussetzung für alle übrigen Tugenden.
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Du baust mich auf, liebe Gerda, mich ewigen Zweifler *schmunzelsvhmunzek*
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Liebe Gerda,
bei deiner Wortkreation ist mir nur „skrupelos generös“ in den Sinn gekommen…
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Mit dem perfektionisten kann ich mich auch anfreunden. Im schach gewinnt der, der sehr präzisse ist. Ich bin ein rechthaber, wie er im buche steht.
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