Paul Cezanne hat sich das Thema der Kartenspieler von 1890-95 in einer Vielzahl von Varianten erarbeitet. Eine Version galt lange als verschollen, tauchte im Jahr 2011 wieder auf: Das Bild war im Besitz des griechischen Reeders Giorgos Embirikos gewesen und wurde anscheinend für den absoluten Rekordpreis von einer Viertel Milliarde Dollar an einen Unbekannten verkauft. Hier die erste (heute im Metropolitan Museum NY) und eine spätere Version (unbekannter Besitzer), Abb. von Wikipedia übernommen.
- Cezanne, Kartenspieler, Metr. Mus.of Art NY
- Cezanne, Kartenspieler, Privatbesitz
Das, was die nachfolgende Malergeneration daran vor allem faszinierte, war das Raumgefüge. Im ersten Bild sieht man noch eine fast idyllische Szene mit drei Karten spielenden Landarbeitern, zwei Zuschauern und einer Draperie. Ungewöhnlich ist, dass beim Tisch die Beine und beim Bild an der Wand der obere Teil abgeschnitten sind. Das ganze Geschehen ist quasi oben und unten am Bildrand „festgenagelt“ und wirkt, obgleich ja durchaus noch Raum wiedergegeben ist, wie auf die zwei-dimensionale Fläche gebannt.
Im späteren Bild werden die beiden Spieler weit mehr von den geometrischen Gesetzen des Bildaufbaus (Vierecke, Dreiecke, Spiegelsymmetrie) als von ihrer natürlichen Körperlichkeit bestimmt. Von hier ist es kein großer Schritt mehr zur geometrischen Abstraktion und zum Kubismus.
Doch davon mehr das nächste Mal. Heute möchte ich nur zeigen, wie das Thema während und kurz nach dem 1. Weltkrieg von zwei bedeutenden Malern – einem Franzosen und einem Deutschen – aufgegriffen und umgeformt wurde.
Francois Leger, Kartenspieler, 1917
Otto Dix, Kartenspieler, 1920
Der Begriff „Kartenspieler“ hat seine Unschuld verloren. Was bei Cezanne noch eine ländliche Idylle war, die sein formales Interesse herausforderte, ist nun ein Symbol für ein schreckliches Geschehen geworden, bei dem Leben und Glück der Menschen den Spieleinsatz bilden. Mit den Karten spielen die Generäle, Bankiers, Industriellen und Kriegstreiber, während die Menschen in den Schützengräben oder Fabriken verrecken.
ps. Die „Skatspieler“ von Otto Dix sind auf der obigen Abbildung nicht komplett, wie ich eben sehe. Ich habe das Bild (wie auch die anderen) aus dem Bildband „De l’Impressionism a l’Art moderne“, Librairie Hachette 1975, abfotografiert. Das ganze Bild zeigt die Männer als Kriegs-Invaliden.
Tolle Lektion, danke!!
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Sehr schön. Dazu fiele mir noch das der Falschspieler mit dem Karo-Ass von Georges de la Tour ein.
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danke! Ja, das wäre quasi ein eleganter Vorläufer von Cezanne.
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Apropos Kriegsinvalide: Zu der Zeit von Gross und Dix erfand man verstärkt Ersatzteile. Ich habe mal Bilder aus solchen Manifakturen gesehen…
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Tja, der Krieg Vater vieler Dinge…..
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oh, was für eine tolle zusammenstellung, spannende entwicklung!
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Danke,Diana!
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kann man sich so richtig vorstellen, schön gestaltet, herzliche Grüße aus dem heißen Norden.
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Danke, Klaus.
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Während die Werke von P. Cezanne noch eine gewisse Romantik ausstrahlen, sind die Werke von Otto Dix und Francois Leger ganz klar vom mechanischem 1.Weltkrieg geprägt! Man sieht die Bedrohung und die Neuartige Entwicklung der Kriegsführung, die diese Zeit prägt. So ist mein Empfinden bei den Bildbetrachgungen!
Danke liebe Gerda für diesen interessanten Beitrag!🤗👍
LG Babsi
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Ja, der 1Weltkrieg hat die Kunst sehr verändert. Vorbereitet hatte sich das aber bereits vorher. DerKubismus entwickelte sich von 1907 bis 1914, danach war so ziemlich Schluss damit.
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Wäre ein Thema für einen ganzen Bildband, denn das Kartenspiel durchzieht ja als Sujet alle Epochen der Malerei. Danke für Deinen Ausschnitt , wobei mir der Dix ein Gräuel ist und bleibt. Vom heissen Dach einen herzlichen Gruss, Karin
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Gern, Karin. Ist dir der Otto Dix ein Gräuel – oder das, was er darstellt?
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Seine Malerei mag ich gar nicht, sie drückt für mich in Formen und Farben immer etwas Gewalttätiges aus, er ist natürlich ein Kind seiner Zeit , doch meine Beurteilung ist eine rein subjektive und man kann die eigene Abneigung nicht begründen,weil es emotional geschieht.
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Er mal sehr ehrlich, liebe Karin, legt malend den Finger in die Wunden und offenbart die Greuel der Welt, schonungslos und rigoros. Es gibt ja leider nicht nur das Schöne und Feine in der Welt…
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Liebe Bruni, das bestreite ich ja gar nicht, aber muß es mir gefallen? Ich mag auch nicht diese für mich so entsetzliche Grafittimalerei überall. Ein Grünewald, ein Bosch , ein Dürer und viele andere haben auch sehr schonungslos gemalt, gezeichnet, es wirkt aber auf mich nicht aggressiv und abstoßend. Ein Bacon z.B. ist für mich verträglicher als Dix und der malt den Horror pur. Ich habe ja gesagt, es ist nicht zu begründen.
In der Literatur ist es ja ähnlich.
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Liebe Karin, deine Abneigung gegen Dix kann ich durchaus nachvollziehen. Seine Thematik ist brutal, krass, sein Stil hingegen der „neuen Sachlichkeit“ verpflichtet und trotz expressionistischer Ausdrucksformen nicht wild, sondern korrekt, fast altmeisterlich. Und so bekommt man den Eindruck, dass er die Scheußlichkeiten, die sich die Menschen zufügen, nur darstellt, um sie darzustellen und ohne irgendeine Message, die darüber hinaus wiese. Bei den von dir genannten alten Meistern Grünewald, Bosch, Dürer ist das ja ganz anders: sie malen nie Schreckliches um seiner selbst willen, sondern interpretierten es in einem religiösen bzw philosophischen Kontext. Bacon ist, meine ich, ein anderer Fall – da ist es vor allem die von ihm gefundene Bildsprache, die mich herausfordert – anzieht und abstößt -, und nicht so sehr der Inhalt.
Am Verwandtesten mit Dix ist für mich Goya. Auch da werden die Infamie, die Gewalt, die Bösartigkeit, Eitelkeit und Dummheit der Menschen direkt und krass zum Thema. (NB; Ich liebe Goyas Werk).
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Liebe Gerda, Goya ist einer der Maler, der mir gestern nicht gleich einfiel. Beim ersten Sehen in einem Kunstband über Goya seines Los Caprichos war ich erschrocken und (widerwilllig) fasziniert, bis ich mehr darüber las, z.B. auch in der Biographie von Robert Hughes „Goya, der Künstler in seiner Zeit“.
Habe Dank für Dein Verständnis -:))))
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Eine wunderbare Auswahl, liebe Gerda, und diese Entwicklung von Cezanne bis Dix zu sehen, ist schon grandios. Ich sehe und staune, immer wieder aufs Neue und bleibe dann bei Dix hängen.
Vor winigen Wochen erst war ich am Bodensee und im Dix-Haus, stand andächtig in seinem Atelier und bewunderte die friedlichen Räume, in dem er mit seiner Familie so lange lebte.
Schonungslos nannte Dix sein Bild auch Kartenspielende Kriegskrüppel; er versteckte das Grauen nicht, er zeigte es und malte sich den Kriegsfrust von der Seele. Schaut man sich das ganze Bild an, sieht man genau, was der Bildband versteckte. Es erschreckt, aber es weckt auch auf!
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Danke, liebe Bruni! Du warst kürzlich in seinem Haus? Ich weiß von seiner Lebensgeschichte wenig, werde gleich mal nachlesen.
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ja, liebe Gerda, und es war ein sehr starker Eindruck, der sich mir sehr eingebrannt hat.
Ein gepflegtes, sonniges Haus mit Garten am Hang mit wundervollem Blick auf den See.
Hier lebte er mit seiner Familie drei Jahrzehnte lang und hier starb er auch.
Mit einem kostenfreien Medienguide, der sehr aufschlußreich ist, kann man das Haus durchwandern und hat alle Zeit der Welt dabei.
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Ich habe das Haus vor vier Jahren auch besucht und ich finde, es lohnt sich. Die großzügige Villa mit dem verwunschen Garten und dem lieblichen Blick bildet einen starken und auch seltsamen, etwas verwirrenden Kontrast zur Malerei von Dix – hier das Idyll, dort seine oft drastischen Bilder. Er fand es ja dort „zum Kotzen schön“.
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„Zum Kotzen schön“ – o, das zeigt die Wunde seiner (und auch meiner) Generation. Wie die Wunde in Kafkas „Landarzt“
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Den „Landarzt“ von Kafka habe ich gar nicht gelesen, aber sicher trug Dix eine Wunde mit sich, immerhin galt seine Kunst als „entartet“. Er hatte im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern zwar noch „Glück“, dass er dieses Refugium hatte, aber in dieser heilen Parallelwelt zu leben, muss ihm wirklich seltsam vorgekommen sein.
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Andererseits ist er ja 30 Jahre oder so in diesem Haus geblieben, freiwillig, nach dem Krieg. Ich denke, es hat ihm quasi „wider Willen“ gefallen.
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Aber sicher hat’s ihm gefallen. Ich meine die Unfähigkeit in unserer Generation , diese Gebrochenheit, die es uns so schwer macht, etwas einfach nur schön zu finden. Rühmkorfs „Schön ist der Mond über Polen einen Genickschuss lang“.
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Ja, verstehe, das spielt sicher auch eine wichtige Rolle.
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Ja, stimmt, das war sein Spruch über diese idylle am See. Es war seine Art zu sagen, ich finde nichts, was mir missfällt und ich muss mich damit wohl abfinden… *lächel*
Hier fand er den Frieden, von dem er doch so genau wusste, wie brüchig er war
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