Io, Argos und die Herkunft der Pfauenaugen – eine abc-etüde in freiem Rhythmus

Pfauenauge, versiegeln und schlendern sind die etüden-Wörter der Woche, gespendet von Natalie  aus dem fundevogelnest.wordpress.com, von Etüden-Betreuerin Christiane und Bildspender lz. freundlichst angepriesen. Sofort war mir klar: ich werde noch einmal die Geschichte von Io erzählen. Oder doch jedenfalls den Anfang. Neue Bilder brauchte ich nicht zu legen, denn die steckten schon in früheren Beiträgen zu dieser mythischen Jungfrau, hier und hier. Die wenigsten von euch werden sie kennen, denn damals hatte ich noch nicht viele LeserInnen.

Und hier nun meine Neudichtung für die abc-Etüden. Das darin enthaltene Zitat stammt, in eigener Übersetzung, aus dem Drama von Aischylos: Der gefesselte Prometheus.

Io, Argos und woher die Pfauenaugen wirklich stammen.

Als der göttliche Herrscher des Himmels, Zeus,
mal wieder im herrlichen Land der Hellenen schlenderte,
Ausschau haltend nach Lust versprechenden jungen Frauen,
Knospen gleich, bereit, von ihm gebrochen zu werden,
Fiel sein Blick auf die liebliche Jungfrau Io,
Tochter des Flussgottes Inachos.
Von einer Mutter wissen wir nichts.
Die Jungfrau wurde sogleich von heftigem Sehnen
Nach dem göttlichen Herrscher ergriffen:
„Nächtige Traumgestalten schwebten still in meine
Kammer herein und liebkosten mich mit leisen Worten.
‘O du glückseliges Mädchen’, flüsterten die Stimmen, ‚was bleibst du jetzt noch
Jungfrau, da dich die höchste Brautschaft erwartet?
Zeus erglüht in Liebe zu dir’.

So sprach sie zum Vater, dem Fluss. Ach! hättest du doch
geschwiegen, liebliche Io, hätte Scham dir
Die schönen Lippen versiegelt!
Denn so vernahm dich die Ehegattin des Zeus,
Hera die himmlische Herrscherin, und verwandelte dich
In eine vor Liebeskummer verrückt gewordene Kuh.
Sie ließ dich bewachen vom hundertäugigen Argos.
Wäre nicht der geflügelte Bote des Zeus, Gott Hermes, gekommen,
und hätte die Augen des Argos mit dem Spiel seiner Leier bezwungen,
so dass sie sich schlossen zu seligem Schlaf,
immer noch stündest du dort, an den Baum gefesselt,
vor Inbrunst muhend, dem großen Gott zu gefallen.
Doch Hermes erschlug deinen Wächter, zerschnitt auch das fesselnde Seil.
Hera aber nahm die Augen des toten Riesen, setzte sie ein in den Schwanz
Ihres liebsten Gefährten, des Pfaus, wo sie nun allzeit glänzend
Als Pfauenaugen der Menschen und Götter Herzen entzücken.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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18 Antworten zu Io, Argos und die Herkunft der Pfauenaugen – eine abc-etüde in freiem Rhythmus

  1. Elke H. Speidel schreibt:

    Coole Ideen hast du immer wieder. Ich bewundere deine unerschöpfliche Kreativität, liebe Gerda!

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  2. Mallybeau Mauswohn schreibt:

    Liebe Gerda!

    Ich schließe mich meiner Vorrednerin an. Wirklich eine tolle Umsetzung aus Text und Bild.
    Immer wieder spannend, was es hier zu entdecken gibt.

    Herzliche Grüße 🙂
    Mallybeau

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  3. Werner Kastens schreibt:

    Einfach grandios die Antike in unsere Welt geholt!
    Ich bin sehr beeindruckt von der Leichtigkeit, mit der sich Dein Beitrag lesen lässt und in einem Platz greift.
    LG Werner

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  4. christahartwig schreibt:

    Sage kommt ja von sagen (nacherzählen), und man kann es gar nicht oft genug tun – wenn man es denn kann. Du kannst, und Deine Legearbeit dazu begeistert mich wieder besonders.

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    • gkazakou schreibt:

      Wenn du willst, schau doch auch die anderen Beiträge zu Io an. Sie hat, immer als Kuh, eine enorme Strecke zurückgelegt, war bei Prometheus im kaukasus und am Goldstrom, und gelangte von den Quellen des Nils nordwärts rennend bis zum Delta, wo sie endlich ihren Gott traf und von ihm schwanger wurde. Ihr Sohn, Epaphos, ist der Urvater der Ägypter und der Danaer (so nennt Homer oft die Griechen). Ich erzähle davon in meinem Romanfragment „Schwanenwege“.

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  5. Christiane schreibt:

    Was du alles Tolles kannst, liebe Gerda, das ist wieder mal so nach meinem Geschmack!
    Ach, mir fehlen schier die Worte bei deiner feinen Dichtung, und außerdem fühle ich mich in meinen Griechischunterricht versetzt, in dem wir lange Zeit Homer gelesen haben – und ich will jetzt nicht darüber nachdenken, wie lange das schon her ist, interessant, was da so haften bleibt 😉
    Ich glaube, ich gehe mal nach deinem Io-Zyklus schauen.
    Liebe Grüße
    Christiane, die wieder mal bedauert, dass man deine Schwanenwege nicht lesen kann

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    • gkazakou schreibt:

      O, ich freu mich, Christiane, wenn du nach der Io schaust, die ich wirklich sehr mag. Ich hab mal die ganze Serie als große Drucke ausgestellt – und schwupp, weg war sie. Die Schwanenwege sind ja leider nie fertig geworden – aber ich mag mich auch nicht gänzlich von seinem Personal lossagen. Zombies.

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  6. Ulli schreibt:

    Und zack … wieder etwas gelernt … ich mag es so, wie du die griechischen Mythologien auf deine ganz eigene Art darstellst!
    herzliche Grüße, Ulli

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  7. ele21 schreibt:

    Dein Beitrag hat mir Anstoß gegeben, mal wieder den „Prometheus“ zur Hand zu nehmen. 🔥

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