Der Nachtzirkus, Teil I, Kapitel „Unerwartete Post“, S. 13-14*:
Der Direktor bringt ihr einen Tee mit einem Extrastück Zucker, den sie aber nicht trinkt, sondern kalt werden lässt. Das Mädchen rührt und regt sich nicht auf seinem Stuhl. Mit auf dem Schoß gefalteten Händen sitzt sie mucksmäuschenstill da. Ihr Blick ist auf ihre knapp über dem Boden baumelnden Stiefel gerichtet. Die Schuhspitze ist abgewetzt, aber sie sind tadellos gebunden. Der versiegelte Umschlag bleibt am zweitobersten Knopf ihres Mantels hängen, bis Prospero eintrifft.
Sie hört ihn, noch ehe sich die Tür öffnet, denn im Gegensatz zum vorsichtigen Gang des Direktors, der mehrmals wie auf Samtpfoten ein und ausgegangen war, hallen Prosperos schwere Schritte im Gang wider.
„Da ist noch eine – ähm – Sendung für Sie“, sagt der Direktor (….). Der Zauberer steht in seinem weißgesäumten Samtumhang mit einem Stapel Briefe in der Hand im Büro und (…).
Zur Szenerie gehören auch die „unbändigen braunen Locken“ des Mädchens, das Celia heißt und etwa fünf Jahre alt ist, und natürlich der Zylinder des Zauberers. *
Bei Legearbeiten ist es wie im wirklichen Leben: man muss etwas aus dem machen, was man hat. Gar nichts nützt es zu sagen: Mir fehlen die Mittel. Wie soll ich den Samtumhang mit der weißen Bordüre, wie die mal dunklen, mal hellen Augen von Vater und Tochter, wie die Teetasse oder die „üppigen Locken“ mit Jürgens Schnipseln darstellen? Kann ich nicht was Neues schneiden oder was zeichnen? Klar, könnte ich, aber: ich will ja gerade zeigen, was sich aus dem beschränkten vorhandenen Material machen lässt. Wie im Leben eben.
*Ich zitiere aus dem Buch „Der Nachtzirkus“ von Erin Morgenstern, in der deutschen Übersetzung von Brigitte Jakobeit erschienen 2012 bei Ullstein.
Fantastisch was Du aus den wenigen Schnipsel gezaubert hast! 👏👏👏👍
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Danke, Babsi! Diesmal hatte ich Probleme mit den Locken, ich musste lange suchen, bis ich passende Teile fand und zusammenlegen konnte 😉
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Ja und Du hast es super hinbekommen!👍
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Aus dem heraus und mit dem, was vorhanden ist, etwas Neues schaffen … das ist eine Haltung und eine Kunstfertigkeit, die dir immer wieder aufs Neue so wunderbar gelingt!
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Ganz herzlich bedanke ich mich für diese Zusammenfassung dessen, worauf es mir ankommt: Sich nicht beschweren über das, was NICHT da ist, sondern die Fülle entdecken in dem, was da oder leicht zu beschaffen ist.
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oh, Gerda, Du hast es wieder wunderbar hinbekommen. Der übermächtige Prospero und die kleine Celia mit der unbändigen Lockenpracht (wie Du die hinbekommen hast, ist kaum zu glauben)
Ein Bild, das ich nicht glauben würde, könnte ich es nicht selbst sehen.
Ich weiß gar nicht, ob eine Katze vorkam, aber Du hast eine geschaffen und ich weiß nicht wie, aber ich sehe sie und sie ist Dir vollendet gelungen.
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Ah. liebe Poetin, diese Katze ist ein Katzentisch mit Teetasse, die der freundliche Direktor der Celia hinstellte.
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*lach*, aaah, jetzt begreife ich die Form des unteren Teils!
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Ich freue mich. Schon gestern dachte ich, dass es in dem Buch auch viele interessante Dialogszenen gibt, die Dich sicher reizen würden – starke Bilder durch die von einander sehr verschiedenen Protagonisten, und genau das hast Du hier wieder schön herausgearbeitet. Ich bin schon ganz kribbelig, mehr zu sehen.
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Herzlichen Dank, liebe Christa, Wer mit solchen Mitguckern und Mitlesern gesegnet ist, dem geht alles leichter von der Hand.
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Du verdienst jeden Deiner Bewunderer. Umso wichtiger, dass Dich das nie unter Druck setzt, die Erwartungen zu erfüllen. Wenn eine kreative Pause fällig ist, mach sie! 🙂
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Keine Bange, liebe Christa! Das Gute am Bloggen ist: man ist verbunden und bleibt doch ein freier Mensch,
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So ist es, und doch hatte ich bei einigen Bloggern schon den Eindruck, sich dessen nicht bewusst zu sein. Bei Dir allerdings nicht!!! 😀
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„Bei Legearbeiten ist es wie im wirklichen Leben: man muss etwas aus dem machen, was man hat. “ … wundervolle Worte, so wahr! Und dir gelingt es, uns zu beeindrucken, denn du schaffst das! Fantastisch, was du uns zeigst! 🙂
Ganz Liebe Grüße, hab einen schönen Tag 🙂
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Vielen herzlichen Dank! Ich hoffe, auch du machst dir einen schönenTag.
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Hmmm … ich habe eine nervtötende Sitzung hinter mir: Frisör ! Ich erhole mich langsam wieder 😉
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O weh! Das habe ich mir im ganzen Leben nur fünfmal angetan – und auch da nur zum Waschen und Schneiden. Gestern öffnete versehentlich die Tür zum Frisiersalon neben einem Geschäft, in das ich wollte Schwaden von merkwürdigen Chemiedünsten kamen mir in die Nase und ich floh. Dachte dabei: die armen Angestellten, den ganzen Tag müssen sie mit diesen Chemikalien umgehen, grauenhaft.
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Ich hab´s überlebt, jetzt ist wieder für eine Weile Ruhe 🙂
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