Griechische Kunst am Sonntag: „Ordnung im Chaos“. Opi Zouni

Gestern besuchte ich vier Ausstellungen, alle im modernen architektonisch interessanten Benaki Museum, in der Piräus-Straße, Athen. Die eindrucksvollste war eine Retrospektive der Arbeiten von Opi Zouni (1941-2008), griechisch-ägyptische Künstlerin des Neo-Konstruktivismus mit internationaler Resonnanz.

Wer sich einmal auf ihre vollkommen geordneten geometrischen Chaos-Räume einlässt, kommt ins Grübeln. Wie funktioniert Raum? Ist er für mich begehbar? Oft lockt er mit

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leuchtenden Farben, aber darf ich mich ihm anvertrauen? Er endet an einer Wand,

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und wenn sich ein Gitter öffnet, steht schon ein Horizont bereit, die Bewegung zu beenden.

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Wie fröhlich auch die Farbe sein mag, die in den Raum hineinführt, sie endet im schwarzweißen Käfig, mal so, mal anders.

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Sie nennt die beiden folgenden schwarz-weißen mit Akryllfarbe auf Holz gemalten Scheinräume Positiv- und Negativ-Raum, doch die Öffnung im Boden ist immer dieselbe. In diesem leeren flachen Rechteck verstummt die Welt. Da ist nichts. Nichts. NICHTS.

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Manchmal führen dich Spiegel hinunter, tief hinab – das scheint lustig zu sein, aber da ist nichts als deine eigene Spiegelung.

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Auch die Throne der Mächtigen sind leerer Schein, will mir scheinen. Du erklimmst

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prächtige Stufen, du wirst sitzen über den anderen, aber um dich gibt es nichts, nicht mal eine schöne Aussicht.

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Opi Zouni wurde 1941 in Kairo geboren, von griechischen Eltern. Dort hat sie auch studiert und als noch sehr junge Frau eine erste Ausstellung gemacht mit Bildern wie diesem.

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Eine Wand mit dunklen Öffnungen und stehengebliebenen Uhren, an der eine rote Lebensgestalt vorbeistreicht, der der schwarze Schatten bereits folgt.

opizouni140a Wer einmal in Kairo war, versteht die Herausforderung für diese junge Frau, im Chaos der Stadt ein Struktur aufzutun. Mir scheint, ihre Lösung führt zu den leeren Totenmonumenten (kainotaphio-Leergrab), die das Leben in Kairo überschatten. Sie malt ihre Formen starkfarbig an, und so fühlt man, wenn man in den Ausstellungsraum mit all den bunten Bildern und Raumskulpturen hineingeht, nicht die tiefe Depression, die ihre menschenleeren Räume mir auszudrücken scheinen.

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Opi Zouni starb 2009 nach vielen Jahren Kampf gegen den Krebs im Alter von 67.

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Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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28 Antworten zu Griechische Kunst am Sonntag: „Ordnung im Chaos“. Opi Zouni

  1. Ulli schreibt:

    Menschenleere Räume und immer wieder Wände vor die der Blick stösst, wie könnte ich jetzt nicht an meinen Text: Das Zimmer zu „nichts, nichts weiter“ denken?! Als tröstlich empfinde ich das von dir als erstes gezeigte Bild, weil dort wenigstens noch Fenster sind, die ein Leben davor zeigen und ich zur Seite dem Raum entfliehen kann, während bei den anderen kaum ein Ausgang wahrzunehmen ist, es sei denn, ich drehe mich um. Ich denke auch an die Gefangenschaften der Menschen in sich selbst, wie schwer es ist die eine und andere Fessel zu durchtrennen. Und doch muss da bei all dieser Farbenfreude etwas sein, was ich Lebensfreude nennen will oder Hoffnung. Bei dem Spiegelbild denke ich an Murakamis Brunnen in dem Buch Mr. Aufziehvogel, der dort auch immer nur sich selbst begegnet ist.
    Liebe Gerda, ich danke dir, dass du uns zu diesem Gang mitgenommen hast und schick dir einen Herzensgruss
    Ulli

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Ulli, für deinen feinen Kommentar. Das erste Bild ist insofern eine Täuschung, als über das Gemälde ein Video läuft, das von drei anderen Künstlern produziert und 1999 als Video-Installation gezeigt wurde. Offenbar gab es ein Bedürfnis, die starre in sich selbst gefangene Form durch darüberflutendes Leben erträglicher zu machen. Ich schaute mir die Installation lange an, es war ein irgendwie tröstliches, wenngleich illusionäres Gefühl, wie die Form sich mit Leben zu füllen schien, mit Vogelsang und Blüten und allem nur irgendwie Wünschbaren.

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      • Ulli schreibt:

        Nichts muss man aushalten können, wenn es bedrohlich erscheint, was es aber für mich gar nicht immer ist, allerdings bei diesen Darstellungen schon! Da kann ich das Bedürfnis verstehen etwas Leben darüber laufen zu lassen, auch wenn es vielleicht nicht im Sinne der Künstlerin ist?

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    • gkazakou schreibt:

      Doch, es war schon im Einverständnis und in Zusammenarbeit mit der Künstlerin. Beim Drübernachdenken ging mir auf, dass dies Drüberhinlaufen von Bildern über ein Kainotaphio (Leergrab) – so sehe ich diese Form – die Fragestellung sogar noch verschärft nach dem Zusammenhang unseres Skeletts (Todesform) und unserer Empfindungen (Lebenseindrücke). Diese flüchtigen Eindrücke gehen drüber hin und lassen gar keine Spuren zurück – jedenfalls im Kunstwerk.

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      • Ulli schreibt:

        Das ist eine gute Frage, denn bei allem, wo wir von Spuren hinterlassen oder Spurensuche schreiben oder denken, bleibt ja die Frage wie weit diese Spuren reichen werden, wenn man nicht grad Goethe heisst. Und was jedes spezielle Leben überhaupt im Grossen dalässt, ob all das nicht auch wieder nur tröstende Illussionen sind?!

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  2. Myriade schreibt:

    Sehr kühl und steril sind diese Bilder trotz der Farben. Sie als Gegenmodell zu der hoffnungslos überbevölkerten, chaotischen Verkehrshölle Kairo zu sehen, ist, finde ich ein interessanter Ansatz. Wir Menschen versuchen ja immer irgendwelche Ordnung ins Chaos zu bringen

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    • gkazakou schreibt:

      Tatsächlich ist der Titel der Ausstellung „Ordnung im Chaos“. Ich empfinde sehr stark die Spannung zwischen dem chaotischen Leben und der hierarchischen Ordnung, die das ägyptische Lebensgefühl durchdringt. In dieser Spannung leben wir alle auf die eine oder andere Weise, und ringen um einen Ausgleich zwischen Todes-Starre und Lebens-Chaos. Du als Lehrerin kannst sicher ein Liedchen davon singen…..

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  3. bruni8wortbehagen schreibt:

    aber da ist nichts – als … (nichts, aber etwas, oder etwa nicht?)
    Ach, wie schwer ist für mich, NICHTS zu packen. Ich möchte alles mit etwas füllen.
    Scheinbar ist das Nichts für mich zu viel Leere und die will mich verschlingen, also suche ich nach etwas im Nichts…
    Eine wundervolle Ausstellung, liebe Gerda, die ich sehr genossen hätte.
    Es bedrückt mich nichts hier.
    Die Formen, Farben, das Geometrische, die Tiefenperspektiven, das alles inspiriert mich und
    erfreut meinen Ordnungssinn ebenso, wie meine Freude an Farben in keinster Weise zu kurz kommt. Sie starb viel zu früh…

    Liebe Sonntagsgrüße von Bruni

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    • gkazakou schreibt:

      sehr interessant, liebe Bruni, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind. Ich vermute ich denke zu viel, anstatt einfach zu sehen und zu genießen.
      Beim Durchgang durch die Ausstellung war ich übrigens nicht bedrückt, sondern angeregt durch die intelligente und präzise Arbeit. Erst im Nachhinein ging mir die andere Ebene auf.
      Mir scheint, es gibt verschiedene Arten von Nichts. a. Nichts ist das Gegenteil von Etwas. Fehlt dies Etwas, bleibt das Nichts, die Leere. So auf diesen Bildern. Das ist eine starre Betrachtungsweise, denn es fehlt das Gebären und Sterben, also das Leben.
      b. Aus Nyx, der absoluten Nacht, wurde geboren, was ist, sagt der Mythos. Etwas trat ans Licht – so wie du, als du aus dem Dunkel des Mutterleibs ins Licht kamst. Dies Nichts ist also eine gebärende Finsternis.
      c. In der Meditation entstehen wabernde farbige Zustände des Nichts, in dem sich die Grenzen des eigenen konkreten Körpers verlieren. Es ist ein Zustand der Auflösung der materiellen Form und steht damit am anderen Ende des ins Konkrete hinein gebärenden Dunkelraums. (Das ist womöglich der helle Nichts-Raum, von dem Ulli spricht).

      Das Nichts kann man eigentlich nur denken, nicht fühlen. In Wirklichkeit gibt es kein Nichts, und du wehrst dich zu Recht. Kennst du die Fibunacci-Spirale des Wachstums? 1-1-2-3-5-8-13-21-34-55 etc pp? Sie beginnt bei 1 und nicht bei Null.Wachstum bedeutet, immer auf schon vorhandene Stufen zurückzugreifen.
      Dieser Kommentar gehört auch zu Ullis leerem Zimmer.

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      • Ulli schreibt:

        Wenn ich doch nur manchmal deine schlichten und erhellenden Worte zur Verfügung hätte, das würde mir viel hin und her ersparen 😉 – danke Gerda. ich habe dem nichts hinzuzufügen, weil es darum geht.

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    • gkazakou schreibt:

      och Ulli, machst du dich vielleicht über mich lustig? Meine Worte schlicht und erhellend – das höre ich allzugern, glaube es aber selten. Dir aber glaube ich es jetzt mal, und Danke!

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  4. Babsi Schnabel schreibt:

    Ich bin begeistert, diese Bilder haben alle eine minimalistische Ausstrahlung mit einer Dreidimensionalität, die irgendwie die Liebe zur Architektur widerspiegelt! Ich denke dabei auch an Bauhaus!
    Diese Künstlerin interessiert mich sehr, damit werde ich mich noch mehr beschäftigen!

    Vielen Dank für Deinen Beitrag!

    ❤ Grüße Babsi

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  5. kunstschaffende schreibt:

    Ich bin begeistert, diese Bilder haben alle eine minimalistische Ausstrahlung mit einer Dreidimensionalität, die irgendwie die Liebe zur Architektur widerspiegelt! Ich denke dabei auch an Bauhaus!
    Diese Künstlerin interessiert mich sehr, damit werde ich mich noch mehr beschäftigen!

    Vielen Dank für Deinen Beitrag!

    ❤ Grüße Babsi

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    • gkazakou schreibt:

      das freut mich, Babsi! Tatsächlich sind ihre Arbeiten faszinierend. Wenn du davor stehst, weißt du oft nicht, ist das nun gemalt oder dreidimensional gebaut? Oft benutzt sie zwei Schichten Holzplatten, die einen kleinen Abstand einvonander haben, so dass die obere einen leichten Schatten auf die untere wirft und die Illusion der Plastizität erhöht wird. Ihre gebogenen Zäune, ihre spitzen bunten Pyramiden, Triumphbögen, Kuben … ist schon toll.

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      • kunstschaffende schreibt:

        Das kann ich mir vorstellen, direkt davor zu stehen, ist bestimmt sehr beeindruckend! Wie Du es beschreibst, sie hatte eine besondere Technik!
        Was mich noch interessieren würde, in welchem Format waren die Exponate, bestimmt sehr groß, oder! Wie hat sie das nur gemacht, als sie so krank wurde, es ist sehr schade, dass sie so früh gehen musste!

        Nochmals Danke Gerda!

        ❤Grüße Babsi

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    • gkazakou schreibt:

      auf den beiden Übersichtsfotos siehst du ungefähr, wie groß die Werke sind. Recht groß in der Regel, aber doch nicht riesig. Meistens hat sie auf Holz gearbeitet, das sie mit Akryllfarbe bemalte. Ja, es ist schade, dass sie früh so krank wurde. Immerhin hinterließ sie ein gewaltiges Werk, und errang sich einen internationalen Namen. Ich kenne nur zwei griechische Künstlerinnen, die das in jener Generation geschafft haben. Die andere ist Chryssa (1933-2013).

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  6. bruni8wortbehagen schreibt:

    doch, sehr sehr erhellend, liebe Gerda. Jetzt weiß ich, warum ich mich wehre und die schon gedachten Gedanken immer neue zur Welt bringen und weiß auch, von was genau Ulli spricht, was sie meint.

    Du hast es wundervoll erklärt, sagt die, die als Etwas ans Licht trat und nun ihre Zeitspanne lebt.

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  7. lieberlebenblog schreibt:

    Danke für den spannenden Beitrag und die erhellende Diskussion!

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  8. Pingback: Griechische Kunst am Sonntag: Bokoros und Tsarouchis im Benaki-Museum Athen | GERDA KAZAKOU

  9. mmandarin schreibt:

    Wie konnte ich düsen Blog nur übersehen. Wunderbar diese Klarheit, Es zieht mich förmlich hinein. Danke, Marie

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  10. Pingback: Besuch im Benaki-Museum für griechische Kultur | GERDA KAZAKOU

  11. Pingback: Opy Zouni und die Räumlichkeit | Arte Concreta

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