Die Puppe mit dem blauen Haar

Eines Tages, vor vielen vielen Jahren, kam sie zu mir. Es war finstere Nacht in einer finsteren Gegend von Athen …. Ich eilte, um die letzte U-Bahn zu bekommen, da sah ich sie zwischen geparkten Autos liegen. Seither wohnt sie bei mir.img_7670

Meist lehnt sie in einem Winkel auf der Fensterbank im Atelier. Dort setzte sie Spinnweben an, bis ich entdeckte, dass ich sie sehr gut als Statistin in Aufstellungen brauchen konnte, wenn mir ein Kind fehlte.

In der ersten Zeit aber diente sie mir als williges Modell. Ich malte sie, und sie erzählte mir Geschichten, Abenteuer für ein Kinderbuch, das ich nie schrieb. Schade. Drei der Bilder habe ich zwischen den Stapeln alter Leinwände gefunden, andere bleiben verschwunden. Bedauerlicher Weise fehlt das Bild der Puppe mit dem roten Kater und das andere, wo sie ziemlich beschickert an einer Likörflasche lehnt. Drei der Bilder aber kann ich euch zeigen, habe sie heute fotografiert.

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Auf dem ersten Bild ist die Puppe (sie hat bis heute keinen Namen) noch recht klein

img_8621 und sitzt gemächlich auf dem großen alten Sessel, den ich im Atelier stehen hatte. Auf dem zweiten

img_8625 gerät sie in einen heftigen Wasserwirbel, der sie mit sich reißt. Eine Maske saust mit ihr zusammen hinab, und wenn ich mich recht erinnere, hatte die kleine Blauhaarige weit mehr Angst vor der Maske als vor dem rasenden Wasser.

Froh, wieder auf dem Trockenen zu sein, verspricht sie, künftig unübersichtlichen Abenteuern  fernzubleiben. Sie ist ja nun auch schon fast ein kleines Fräulein, das auf seine Garderobe acht gibt. img_8622 Hier seht ihr sie, wie sie Blumen in ihrem Schürzchen sammelt, die der Himmel auf sie regnet, als sei sie Sterntaler.

Gemalt sind die Bilder mit Pigmenten und Leinöl auf Leinwand. Das Öl hat sich an manchen Stellen verfärbt, ist gelb geworden, wie billige Malmittel es an sich haben.  Aber die Augen der Maske waren immer schon gelb.

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Ab morgen wird sie wieder allein im Fenster des Ateliers lehnen, denn wir fahren für einen Monat nach Athen. Aber keine Sorge, meine Kleine, bald sind wir schon zurück.

Guten Abend, Gute Nacht. Und angenehme Träume!

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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45 Antworten zu Die Puppe mit dem blauen Haar

  1. Maren Wulf schreibt:

    Das ist eine sehr schöne Geschichte, liebe Gerda – und besonders von dem „kleinen Fräulein“ bin ich gerade total entzückt.

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  2. Arabella schreibt:

    Zauberhaftes Wesen, auf deinen Bildern voller Leben.

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  3. Myriade schreibt:

    Aha, Pigmente mit Leinöl. Machst du das genauso wie man auch Ölkreide mit Leinöl verreiben kann ?

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    • gkazakou schreibt:

      Das hab ich noch nie ausprobiert. Ich kaufe fertige Pigmente, die ich meistens mit Kleister und manchmal eben auch mit Leinöl binde. Bei Leinöl sollte man auf gute Qualität achten, sonst sieht das Weiß nach ein paar Jahren aus wie Senf. Bei diesen Bildetn sind die Verfärbungen nicht sehr schlimm.

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  4. waehlefreude schreibt:

    Tolle Bilder! Ein Buch wäre wirklich etwas… 😉

    Liebe Grüße,
    Frank

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  5. Susanne Haun schreibt:

    Die Bilder haben viel Dynamik und gefallen mir ausgesprochen gut!

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  6. kunstschaffende schreibt:

    Deine Bilder sind wunderschön!Vielleicht findest Du in Athen einen Puppenfreund für sie, damit sie nicht mehr alleine ist, wenn Du auf Reisen bist.
    Wünsche Dir eine gute Zeit!

    LG Babsi

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  7. Katrin - musikhai schreibt:

    Liebe Gerda,
    die Puppe mit den blauen Haaren ist wunderbar… wie auch deine Bilder mit ihr.

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  8. Alice Wunder schreibt:

    Die echte Puppe sieht schon bißchen gruselig aus. Als sei sie in ner schlechten Gegend aufgewachsen. Auf Deinen Bildern ist sie sympathischer.

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    • gkazakou schreibt:

      Hm, hab ich gar nicht bemerkt. Die Gegend, in der ich sie fand, hat zwar keinen guten Ruf (Drogen, Anarchoszene), aber die Kleine wirkte doch unschuldig in ihrem sauberen Dress. Und dass ich sie aus der Gosse gezogen habe, besagt ja erst mal nicht so viel 😉
      Liebe Grüße!

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  9. mmandarin schreibt:

    Liebe Gerda, dann hat die blaue Lady ja jetzt sturmfrei. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sie die ganze Zeit still auf der Fensterbank sitzt und stumm auf dich wartet. Dafür ist sie viel zu umtriebig und neugierig. Wahrscheinlich hopst sie buchstänblich in letzter Minute an ihren Platz, zupft sich das Kleid zurecht und schaut ganz harmlos und brav. So sind sie …. die scheinbar braven Mädchen.

    In diesem Sinne … eine angenehme Woche in Athen. Marie

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    • gkazakou schreibt:

      Daran hab ich noch gar nicht gedacht, liebe Bruni! Ich halte mich eigentlich für eine liberale Mama, aber wer weiß, wie die kleine Blauhaarige mich wahrnimmt. Mir gefällt die Idee sehr, dass sie sich aus dem Staube macht, während wir weg sind, und sich im letzten Momrnt mit Unschuldsmiene wieder einfindet. Ist ne schöne Vorlage für Geschichten.
      Danke für die guten Wünsche! Wir sind grad in der Athener Wohnung angekommen, die uns still und sonnig begrüßte. Ich bin auch hier sehr gern. Liebe Grüße dir!

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe Marie, wollte ich schreiben…..

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  10. bruni8wortbehagen schreibt:

    Was für wundervolle Bilder von Deiner Puppe mit den blauen Haaren, liebe Gerda, und Deine Geschichten passen so gut dazu,. daß es wirklich sehr reizvoll wäre, alles zusammengefaßt in deinem kleinen Büchlein zu finden.
    Dein Modell ist so originell, als wäre es extra für Dich aus einer besonderen Geschichte entlaufen,
    damit Du es damals finden konntest.

    Liebe Gutenachtgrüße an Dich und einen interessanten und wunderschönen Aufenthalt in Arthen
    wünsche ich Dir und Deinem Mann

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  11. Ulli schreibt:

    Liebe Gerda, ich mag die Puppe mit den blauen Haaren sehr und deine Bilder dazu, deine Bilder sind die geschichten, die du nicht geschrieben hast, nun kann ich sie mir selbst erzählen, wie zum Beispiel eine Maske mit gelben Augen die Puppe vor dem Untergang bewahrte …
    Und nun weiss ich auch wielang du in Athen weilen wirst … da wünsche ich dir eine reiche Zeit … schön finde ich es, dass du einen Ort in der Stadt und einen am Meer hast …
    herzliche Grüsse auch hier an dich
    Ulli

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  12. bruni8wortbehagen schreibt:

    hehe, Ulli, sei still, sonst komme ich aus dem Lachen nicht raus.

    Liebe Gerda, nun komme dort an und freue Dich, daß Ihr da seid.

    Herzliche Grüße von Bruni

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  13. Zoé schreibt:

    Die Bilder gefallen mir, die Geschichte sowieso. Danke fürs zeigen. 🙂

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