Sonnenaufgang / Sonnenuntergang

In wenigen Tagen werden sich Tag und Nacht die Waage halten. Danach wird sich die kosmische Waage unaufhaltsam der Nacht zuneigen.

Noch aber überwiegt der Tag. Ich begrüßte ihn, als die Sonne sich gerade anschickte, über dem Taygetos aufzugehen….

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Dort also ist der Osten, dachte ich wenig überzeugt, denn der Osten verbindet sich für mich mit Meer, nicht mit Gebirge. Bin ich doch an der Ostsee geboren….

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Der spitze Gipfel mit dem schwarzen Pfeil ist „unser“ Berg, an ihm kann ich mich orientieren (auch das kommt vom Wort Osten, Orient). Der rote Pfeil weist auf den höchsten Gipfel des Taygetos, die „Pyramide“ – 2600 m hoch ist sie, gemessen von der Meeresoberfläche, und tatsächlich hat sie die Form eines gleichschenkligen  Dreiecks. Wenn die Sonne hinter ihr aufgeht, wirft sie ein perfektes Schattendreieck auf das Meer.

Leider habe ich es nie geschafft, bei Sonnenaufgang auf der Pyramide zu stehen und ihren Schatten auf dem Meer zu sehen. Andere aber haben ihn gesehen und sogar fotografiert. Also dürft ihr mir glauben.

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Den Sonnenuntergang habe ich heute auch betrachtet. Das tue ich eigentlich jeden Tag und werde es nicht müde. Meistens schwimme ich dabei und singe. Heute war ein sehr warmer, irgendwie träger Abend, die Felsen schwappten wie uralte Tiere im leicht bewegten Wasser. Beim Foto vermied ich den Feuerball der Sonne, mir reichte, wie auch am Morgen,  ihr Schein.

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Ich war ein wenig traurig, denn kurz zuvor hatte ich eine Riesenschildkröte gesichtet, eine Caretta Caretta, und die war tot. Sie wirkte aber fast lebendig, als ich sie in eine kleine Felsenbucht trieb. Eine Verletzung konnte ich nicht feststellen, aber eine Frau, die das Tier vorher gefunden hatte, sagte mir, es habe auf dem Rücken gelegen mit durchgeschnittener Kehle. Ich betrachtete sie lange, wie sie mit ihren Flossen, die sich wie Flügel bewegten, im Wasser schaukelte, bis sie erneut auf dem kiesigen Grund festsaß.

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Es ist mir immer noch so schwer, den Tod zu akzeptieren. Aber das muss ich wohl, genauso wie, dass die Nacht sich nun vertiefen wird, bis in der Mitte des Winters die Tage erneut anfangen zu wachsen….

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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31 Antworten zu Sonnenaufgang / Sonnenuntergang

  1. Myriade schreibt:

    Schwimmen und Singen bei Sonnenuntergang könnten mich eventuell damit aussöhnen, dass ich es den ganzen Tag über viel zu heiß finde 🙂 Stimmungsvolle Bilder …

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  2. kunstschaffende schreibt:

    Danke Gerda für die wunderschönen Impressionen und Fotos. Interessant auch die Beschreibung dazu!

    Wer macht sowas, einer so schönen Schildkröte den Hals durchzuschneiden, widerlich! Da wurde der Täter wohl gestört!
    Das trübt Deinen Beitrag etwas!

    Schöne gute Nacht Grüße!
    Babsi

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  3. Monika schreibt:

    Liebe Gerda, ich hatte nicht gewusst, dass es so hohe Berge in Griechenland gibt. Ja, die Jahreszeit verändert sich und es wird deutlich merklich. Das was wir den Ländern nahe dem Äquator vor raus haben, ist die Zeit der Dämmerung. Die Augenblicke der Stille, dem still werden. Den Tag leise verabschieden. Wir können nach innen spüren. Vielleicht mit uns Frieden schließen.
    LG. Monika

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    • gkazakou schreibt:

      Schön sagst du das. Die Dämmerung führt nach Innen, ja. Könnte es sein, dass zu viel oder zu wenig Dämmerung zu Ungleichgewichten zwischen Innen u Außen führt?

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      • Monika schreibt:

        Liebe Gerda, ein Ungleichgewicht? Ich denke schon. Wir haben bestimmte Muster in unserem Kopf, die unsere Empfindungen lenken. So eine Schildkröte ist ein Objekt, das störend wirkt. Genauso den Wechsel der Jahreszeiten, sie erinnern uns an unsere Endlichkeit. Die Dunkelheit dämpft unsere Aktivität. Die Heilungsprozesse verlangsamen sich. Die Dunkelheit lässt uns näher zusammen rücken. In der Dunkelheit dürfen wir uns nicht verlieren. Wir finden uns nicht, und nicht den anderen.
        LG. Monika

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    • gkazakou schreibt:

      Dass die Schildkröte ein Objekt ist, das störend wirkt, kann ich so nicht empfinden. Verstörend wirkt ihr Tod, ja, weil es ein gewaltsamer war. Und als totes Tier ist sie irgendwie auch ein Objekt, das stört.
      ich finde auch nicht, dass der Wechsel der Jahreszeiten uns an unsere Endlichkeit erinnert. Er erinnert daran, das alles Lebendige ständig seine Form ändert, entsprechend einem ihm innewohnenden Gesetz. Die individuelle Blüte vergeht, nicht aber das Blühen. Die individuelle Frucht verfault, nicht aber das Fruchten. Alles sind Durchgangsstadien, und endlich ist nur die Form, die wir festhalten wollen.

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  4. Ulli schreibt:

    Liebe Gerda,
    danke-
    mehr nicht …
    herzlichst
    Ulli

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  5. teggytiggs schreibt:

    …wunderschön der Schatten des Pyramidenberges auf dem Meer…aber auch die anderen Fotos…eine schöne Melancholie kommt da rüber zu mir…auch wenn Sterben traurig ist, gewaltsames um so mehr, es gibt die Möglichkeit für neues Leben frei…ob tote Schildkröten träumen?

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  6. bruni8wortbehagen schreibt:

    Text und Bilder sind bewegend, liebe Gerda.
    Wenn auch der Tod dieser bestimmt sehr alten Riesenschildkröte die Freude etwas trübt
    und wieder zeigt, was alles an Schlimmem geschieht

    Die Pyramide im Sonnendunst ist unglaubich schön. Unvergesslich muß dieser Anblick sein.
    In was für einer wundervollen Landschaft darfst Du wohnen.

    LG zum Sonntag von Bruni

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  7. karfunkelfee schreibt:

    Das ist wieder sowas von Dir, wo ich mitschwimme und die Bilder, allen voran die pyramidale Berg-Fata ist faszinierend! Ein geradezu magisches Bild und du hast, genauso wie ich, das Glück, an einem magischen Ort wohnen zu dürfen…
    ‚Die Schildkröte kann uns nicht helfen‘ , sagt Stephen King in seinem Buch über die Angst ‚Es‘.
    Die Schildkröte steht für ein langes Leben und Weisheit.
    Stirbt ausgerechnet eine Schildkröte durch Gewalt, ist das kein gutes Omen. Ich meine, dass ich dieses Gefühl bei Dir heraus gelesen habe.
    Kehle durchgeschnitten…😔…

    Ich wünsche dir einen zauberhaften Sonntag, Herbstlich-Waldige Grüße von der Feld-, Wald-, und Wiesen-Fee✨

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    • gkazakou schreibt:

      Du hast genau gelesen, Fee! Danke dir. Aber ich nehme jetzt das Bild von der träumenden Schildkröte mit mir. Leben – Traum – Tod sind grad so Themen, bzw es ist ein Thema.

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      • karfunkelfee schreibt:

        …ich möchte auch gern denken, dass sie sich nur ausruht… eine Schildkröte ist in ihrem Leben von Anbeginn großen Gefahren ausgesetzt… frisch geschlüpfte kleine Kiefermäuler müssen vom Land ins Wasser um ihr gerade erst geschlüpftes Leben rennen, wenn die Mutter die Eiergelege ein Stück vom Meer entfernt platzierte. Normalerweise haben Schildkröten, wenn sie diesen Todeslauf vor Vögeln und Krabben über den langen Strand überstehen, dank ihres gewaltigen Panzers gute Überlebenschancen und wenig natürliche tierische Feinde… ‚und wenn der Mensch ein Tier ist, so ist er schlimmer als ein Tier‘ (R. Tagore)

        Traum-Tod-Leben Sind auch meine Themen im Herbst. Ich erwarte deine Beiträge mit freudiger Vor-Spannung✨

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    • gkazakou schreibt:

      Hier irrt Tagore: Tiere sind nicht schlimm.

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  8. Pingback: Sonntag, den 18. September 2016 | Kulturnews

  9. tikerscherk schreibt:

    Ein schöner Text und die passenden Bilder dazu. Wunderbare Stimmung.
    Traurig, die ermordete Schildkröte. Wer so etwas tut und wieso? ich möchte es gar nicht wissen.

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  10. San-Day schreibt:

    Ein wunderschönes Bild das einem den eigenen Sonnenuntergang näher bringt. Welch schönes Tier, das da ohne Augen, meine Augen mit Tränen füllt und zum Denken anregt.
    Begleitet von den Sonnenuntergängen hast Du ein melancholisches Bild gezeichnet, dass mit in meine Nacht gehen wird.

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  11. Madame Filigran schreibt:

    Macht mich fertig, das mit der Schildkröte.
    Liebe Grüße.

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