Die Wunde

….Mit einer schönen Wunde kam ich auf die Welt; das war meine ganze Ausstattung.« »Junger Freund«, sage ich, »dein Fehler ist: du hast keinen Überblick. Ich, der ich schon in allen Krankenstuben, weit und breit, gewesen bin, sage dir: deine Wunde ist so übel nicht. Im spitzen Winkel mit zwei Hieben der Hacke geschaffen. Viele bieten ihre Seite an und hören kaum die Hacke im Forst, geschweige denn, daß sie ihnen näher kommt.« (aus: Franz Kafka, Ein Landarzt)

Diese Geschichte „Ein Landarzt“ wieder und wieder zu lesen – ich kann es nur empfehlen. Die ganze Geschichte. Unbedingt die ganze. Man findet sie, falls man sie nicht zu Hause unter seinen Büchern hat, als Text im Gutenberg-Projekt.

Von Wunden und Spaltungen in unserer Welt las ich zuletzt bei Ulli (Reisenotiz – 5 – Spaltung), kommentierte auch bei mir (Damit wir Leben haben), und fühlte mich müde angesichts der vielen Worte, die so wenig greifen. Da fiel mir diese Erzählung von Kafka ein. Und ein Bild, das ich in meinem Atelier an der Wand hängen habe. Es ist vor einigen Jahren entstanden, als ich viel mit Ölkreide und Klebestreifen auf Papier experimentierte. Ich nannte es „Die Wunde“.  Ein wenig großspurig für das kleine Bild. Aber sei’s drum.

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Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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17 Antworten zu Die Wunde

  1. Ein sehr kraftvolles Bild. Würde ich sofort bei mir aufhängen

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  2. Und die Idee mit den Klebestreifen probiere ich auch mal aus (wenn ich darf?)

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  3. Ulli schreibt:

    Liebe Gerda, müde bin ich auch Zurzeit sehr, aber nicht wegen dir oder weil die Welt so ist, wie sie ist, vielleicht darum, weil ich so sehr ringe mit mir und auch mit der Welt.
    Dein Bild „die Wunde“ erzählt (mir) davon. Mehr kann ich gerade leider nicht sagen.
    Herzliche Grüsse an dich
    Ulli

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe Ulli. Ich fühle dein Ringen, das auch meines ist, und möchte Worte finden, doch die gefundenen bleiben zu flach. Drum bin ich in Dichtung u Bild übergewechselt. Liebste Grüße! Gerda

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      • Ulli schreibt:

        Ich schwenke gerade auch hin zu den Bildern, das geht mir immer so, wenn die Worte nicht hinreichen wollen. Schön, dass es bei dir ähnlich ist, da muss ich mich nicht so fremd in der Welt fühlen!

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  4. Monika schreibt:

    Liebe Gerda, ja man muss den Text “ Ein Landarzt“ mehrmals lesen, um zu verstehen. Es werden so viele Punkte angesprochen und alles ist – offen -, blutet wie eine Wunde. Es ist nicht heilbar, wohl deshalb nicht, weil keiner – Hilfe – Abhilfe, leistet. Wir sehen, aber verstehen nicht. Ich muss es noch öfter lesen. Dann werde ich bestimmt traurig, weil ich dann vor den nicht lösbaren Problemen stehe, wie der Arzt und erkennen muss, dass ich machtlos bin und mein Wissen, nichts verändert. Alles müsste ineinander greifen und das tut es nicht.
    LG. Monika

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  5. Ein klasse Bild. Kraftvoll, kontrastreich… an eine Wunde hätte ich nun nicht gedacht (obwohl ich oft welche sehe)…

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  6. bruni8wortbehagen schreibt:

    Würde alles ineinandergreifen, sich harmonisch zueinander schmiegen, wäre die Welt i. O., sie hätte nicht diese Spaltungen, über die ich nie als Spaltungen nachdachte. Ich fand andere Namen, aber alle sagen das Gleiche. Es sind die Risse in der Gesellschaft, dort, wo sich Menschen unterschiedlicher Meinung treffen und sich Wunden zufügen, wie im Landarzt, den ich noch nicht gelesen habe, aber seine wenigen Worte, die Du uns hier lesen läßt, machen neugierig.
    Wunden schlägt sich der Mensch gegenseitig und mancher bietet SchEINBAR willig seine Schwachstellen, er nimmt die Rolle des Opferlamms ein.

    Oh ja, da kann man müde werden, wenn man darüber nachdenkt, aber müde bin ich schon vom eigenen kleinen Leben, oder ist es jetzt nur die Nacht, die fortschreitet u. ich noch ein bissel mit ihr gehe?

    Liebe Grüße in die Nacht von Bruni

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe Bruni, danke dir! Ja, lies es, aber lass dich von der Eiseskälte des Jahrhunderts, das K erlebte, nicht niederschlagen. Es gibt ja auch die Freude. Grad komm ich heim von solch einem frohen Abend und grüß dich von Herzen. Gute Nacht! G

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  7. bruni8wortbehagen schreibt:

    Kafka steht für mich immer für schwer zu verarbeitenden Ernst. Deshalb meide ich ich ihn meist.
    Ich kenne nur das Urteil und habe es als sehr eindrucksvolles u. dramatisches Bühnenstück gesehen.
    So viel ich weiß, ist nun auch Ein Landarzt auf dem Spielplan.
    Ich werde mich informieren, liebe Gerda

    LG am Morgen von Bruni

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    • gkazakou schreibt:

      Ich weiß nicht, ob ich es mir als Schauspiel ansehen würde. Es ist eine Erzählung, eine der wenigen, die Kafka zu Lebzeiten veröffentlicht hat und die den Titel für die Erzählsammlung gab. Sehr vielschichtig und düster, sie treibt mich schon ein Leben lang um.
      Kafka hat neben schwerem Ernst eine besondere Art von Humor, der mir nahe geht. Auch den Landarzt kann man durchaus unter diesem Aspekt lesen. Das Besondere an seinem Stil ist ja, dass er Bilder und Dinge, die noch ganz unseren Wahrnehmungsgewohnheiten entsprechen, konkret und peinlich genau erzählerisch weiterführt in immer hoffnungslosere Verwicklungen. Das ist durchaus auch komisch.
      Der Landarzt endet mit einer Art Resümee: „Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt – es ist nie wieder gutzumachen“.

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