Nie betreten habe ich den schwarzen Kontinent, bin nur an den arabisch besiedelten Rändern entlanggestrichen: Algerien, Ägypten. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da wollte mein Mann nach Afrika auswandern – ich wehrte mich mit Händen und Füßen. Nein, eine Weiße in diesem von Weißen geschundenen Kontinent, das wollte ich nicht sein. Niemals! Mir reichte es, eine Deutsche im von Deutschen geschundenen Europa zu sein. Mehr würde ich nicht ertragen.
Also hielt ich mich fern von den schwarzafrikanischen Gebieten. Aber im Untergrund meiner Seele lebt dies Afrika und sendet starke Farben und grausame Schmerzen herauf in mein weißes Leben. In meinen Legearbeiten kommt es manchmal zum Vorschein, so in „Mama Afrika“ (https://gerdakazakou.com/2015/06/24/mama-afrika/) und in der fiktiven Geschichte vom kongolesischen Dichter Victor, der als Krüppel vor einer deutschen Fußgängerzone hockt und den milden Gebern als Quittung Gedichte überreicht (https://gerdakazakou.com/2016/02/22/victor-2-mit-emma-kaesetheke-und-schwer-bepackt/).
Als ich in Lübeck von der Ausstellung „Aklama – Hilfsgeister der …“ im St. Annen-Museum erfuhr, wollte ich sie unbedingt sehen. Es handelt sich um eine große Sammlung von Holzfiguren, die der deutsche Künstler Horst Antes zusammengetragen hat. Antes ist mir durch seine primitiven „Kopffüßler“ wohlbekannt. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9a/Horst_Antes.JPG/220px-Horst_Antes.JPG. Mehr und Interessantes könnt ihr lesen bei „Aklama – geheimnisvoll und unerforscht“ von Nadine Dietrich.
Wozu die lange Vorrede? Ich kam, sah, eilte durch die Räume mit den endlosen Reihen von Hilfsgeistern, fotografierte hastig ein paar – und floh. Als seien all diese Kultfiguren, die den Vorbesitzern angeblich nichts mehr bedeuteten, als sie christianisiert wurden, hinter mir her. Mir schien, dass diese entweihten Figuren Dämonen geworden waren, die Rache schrieen, weil man sie aus ihrem angestammten Milieu entfernt hatte.
Eine Welle dumpfen Entsetzens trieb mich vor sich her, und ich fand erst Ruhe, als ich zwischen den farbigen Schnitzwerken der deutschen Kirchenkunst und den Puppenstuben der Lübecker Bürgerhäuser stand. Aufatmend vertiefte ich mich in den Anblick von Schnittbögen, aus denen Kinder Puppen herausschneiden konnten, betrachtete ausgiebig eine Laterna magica – Vorläuferin unserer Filme („als die Bilder laufen lernten“) – und ruhte mich aus im Milieu eines soliden Bürgertums, das durchaus gleichgültig war gegen die Zerstörung des afrikanischen Kontinents.
Was war in mich gefahren? Ich liebe ja diese „primitiven“ Schnitzereien, wollte sie mir gründlich ansehen. Ich weiß schon, was es war: wir Weißen haben nicht nur die Menschen des dunklen Kontinents enterbt und versklavt, nein, wir haben auch seine geistige Substanz herausgesogen und in Museen verschleppt. Die moderne Kunst hat sich von ihr genährt und verkauft das, was sie ihr abgeguckt hat, für Millionen an wohlhabende Händler. Wie sollte ich die hilflose Drohung, die von diesen entweihten Figuren ausgeht, nicht wahrnehmen?
Es folgen ein paar „gemischte“ Fotoeindrücke: Die Stabpuppen aus Mali (Bild 1 und 3) fand ich im Figurentheater, alles andere im St-Annen-Museum in Lübeck.
Ich vergleiche Unvergleichliches? Ja, sicher, doch alles lebt gleichzeitig in mir. Man möge mir verzeihen.
Was du berichtest Gerda, finde ich äußerst interessant, einerseits faszinieren diese Figuren,
andererseits beängstigen sie sehr viele Menschen. Viele der Figuren besitzen noch immer
magische Kräfte. Eine andere Art der Afrikaner, sich zur Wehr zu setzen. Hatte in Afrika selbst
damit zu tun, nur indem ich dies erkennen konnte, nutzen gelernt habe, war der Fluch, der auf
mich gelegt wurde, möglich,wieder los werden, eine längere Geschichte, aber alles ging am Ende
doch gut aus. Unsere, bzw. die Geschichte unserer Vorfahren hat Spuren in Afrika hinterlassen,
die sich bis heute manifestiert haben. ( Unterbewußtsein) prägt häufig noch immer das Verhalten
vieler Afrikaner. Eine Beschäftigung damit ist notwendig, um auf diesem Kontinent klar zu kommen.
Unsere Generation hat keine Schuld, ein Lernprozess auf beiden Seiten……
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danke Afrikafrau. Ich wusste, dass du verstehst.
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Das Schlimme ist, dass diese afrikanischen Völker von ihren diktatorischen Schlächtern ausgebeutet gequält werden.
Diese Diktatoren tragen ebenfalls dazu bei, dass dieser Kontinent keine Perspektive hat, durch die vielen Milliarden vom Westen, wenn sie denn an der richtigen Selle ankämen, müssten die Lebensbedingungen schon deutlich verbessert sein. Natürlich trägt auch die Klimaveränderung ihren Teil dazu bei. Ich glaube, es ist die Summe des Ganzen.
Aber weiß, was in 100 Jahren bei uns für Zustände herrschen, vielleicht geht’s uns dann ebenso.
Die Intelligenz des Menschen ist nämlich nicht zum Lernen gegeben, sondern für die Unterdrückung all derjenigen, die weniger damit gesegnet sind und mehr Herz besitzen.
Wenn ich all das Leid und Elend dieser Welt aufsauge, dann bin ich nicht mehr lebensfähig.
Oft frage ich mich, bin ich schuldig hier geboren zu sein.
Ein Thema liebe Gerda, dass die Welt beschäftigen wird, solange die Intelligenz Mensch existiert.
LG Babsi
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Afrika ist ein faszinierender Kontinent, der so viel mehr zu bieten hat, als nur Armut, Elend, Trockenheit und Stammeskriege…
Sehr viel Kraft haben diese Figuren, das sieht man auch auf den Fotos.
Die Rückgabe von Kunst an die Länder in denen sie erzeugt wurde, ist ja ein Thema über das wenigstens schon gesprochen wird ..
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O, dass Afrika „viel mehr zu bieten hat“ – das glaube ich sofort. Ich habe Sehnsucht nach dieser mir unbekannten aber innerlich sehr vertrauten Welt.
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Für mich gibt es nichts zu verzeihen. Ich kann dich so gut verstehen, weil ich bei den ein und anderen gelegenheiten àhnliches bis Selbiges dachte und empfand. Wir schämen uns fremd. Diese Welt ist wahrlich nicht einfach.
Als junges Ding träumte ich davon Afrika einmal zu Fuss zu umrunden, immer am Meer entlang…
Afrika, die Wurzel und so fürchterlich ausgebeutet, gebeutelt, ausgesogen und verseucht. Hunger und Durst und die, die all das zu verantworten haben schliessen ihre Grenzen und warnen vor dem Bösen. Du meine Güte…
schwermütige Abendgrüsse
Ulli
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Wenn ich schwarz wäre … Vielleicht war ichs ja mal. Nun bin ich weiß. Im nächsten Leben vielleicht wieder schwarz. Tiefe Gräben sind da. Schön wärs, wie Afrikafrau vorschlägt, dass wir voneinander lernen und das tief Verschüttete heraufholen und uns anschauen. Insofern haben die modernen Künstler, die wie Picasso, Nolde, die Expressionisten und eben auch Antes, der die Figuren sammelte, die Kunstformen Afrikas studierten, schon einen Schritt in die richtige Richtung getan. In der Musik ist diese Wendung zurück sogar noch ausgeprägter.
Zuversichtliche Abendgrüße, denn immer gibt es auch Brückenbauer. Gerda
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Vor ner Weile war ich ziemlich überrascht über meine überraschung darüber, daß es in Afrika auch Blogs gibt (und bin sofort einigen gefolgt).
Jetzt lese ich mich gerade durch die von mir gefolgten Blogs, und das vor-vorletzte Post, das ich Dir zeigen möchte, ist hier:
http://www.tribe53.com/?p=2178
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Danke! Das sind Beiträge, wie ich sie liebe: die Innensicht dessen, den wir nur von Außen wahrnehmen können. da fühle ich mich dann auch. obwohl so ganz anders in die Welt gestellt, verstanden. Denn teile nicht auch ich, weil ich Deutsche (Weiße) bin, mit jedem-jeder Deutschen (Weißen) in der Fremde ein Thema und frage mich_ what is the protokoll?
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Leider kann ich keines der angezeigtren Fotos öffnen, liebe Gerda
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Ich habe die Fotos alle noch mal neu reingestellt. Eigentlich sollte es nun gehen.
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oh ja, nun konnte ich sie alle ansehen, liebe Gerda, und weiß nun, wie ein- und aussrucksvoll sie sind. Sie regen meine Sinne an und zeigen mir das, was mir in der neuen Ausstellung fehlte. Ich weiß nicht, ob ich es Seele nennen sollte, aber so scheint es mir
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Ich finde sie auch etwas beängstigend, die Figuren und die Gedanken, die sie auslösen. Danke für diesen interessanten Beitrag, liebe Gerda.Wahrscheinlich hätte ich beim Anblick dieser Figuren auch aufgeschreckt die Flucht ergriffen, um mir über die Wirkung auf mich klar zu werden – fassen zu könne, was Afrika alles widerfahren ist, um in den Zustand zu geraten, in dem es heute ist.
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