Ein besonderer Charme eignet zerbrochenen Strukturen: Burgruinen, Ausgrabungsstätten, zerbröckelnden Mauern, umgefallenen Säulen. Diese Art von Ruinen beweisen eine Festigkeit über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg – etwas blieb, es lässt sich berühren, man kann seine Hand drauf legen und sich verbunden fühlen mit längst verflossenen Zeiten. Das macht ihren Charme aus.
Ganz anders die Bomben, die bewohnte Städte in Ruinen, oder richtiger: in Trümmer verwandelten. In Deutschland sind einige Ruinen als Mahnmale erhalten geblieben, zB die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche von Berlin. Im übrigen hat man sich ans Renovieren, Nachbauen, Neubauen gemacht – fest, sauber, ordentlich, so, als wäre der Krieg eine Episode, die man vergessen möchte und darf. Besonders sorgfältig baute man Mittelalterliches wieder auf, als wolle man sich der Kontinuität der eigenen Existenz und Kultur vergewissern. Doch tief im Innern halten sich die Bilder der Zerstörung und hallen die Sirenen wider, das Sirren und Dröhnen, der Lärm des Einschlags, das Feuer und die verbrannte Puppe.
Andere Völker haben so wenig Vertrauen in die Stabilität der Verhältnisse, dass sie sich in brüchigen Häusern einrichten. Da stürzt schon mal ein Wohnhaus zusammen und begräbt seine Bewohner unter sich, oder es reicht eh nur für ein paar Wände mit einer Wellblechbedeckung darüber. Brüchige Strukturen, durch die Unwetter und Kriege fegen. Kein bisschen romantisch. Und doch ziehen sie mich an. Sie kommen mir irgendwie wahrer, wirklicher vor als die schön gemalten Fachwerkhäuser einer deutschen Kleinstadt. Ich glaube ihnen, was sie sind. Sie entsprechen meiner eigenen Wahrnehmung von der Brüchigkeit des Daseins. „Wir sind alle nur Vorübergehende“.
In vielen Varianten und über viele Perioden meines Bilderschaffens kehren sie wieder, diese brüchigen, zerbrechlichen, zerbrechenden Strukturen. Heute möchte ich zwei neuere zeigen – jeweils ganz und als Bildausschnitt. Die Technik, die mein Gefühl am besten widergibt: Klebestreifen, Wasserfarbe, Kugelschreibergekritzel auf Papier.
das HEUTE in teilchen … und … zerkritzelt … symptomatischeres JETZT kaum möglich
JEDOCH
possibile für deutsches (und anderes) betoniertes ignoranz-BEWUSSTSEIN.
BIN LUISE
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Hat dies auf haluise rebloggt.
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wow, toll, ich finde das Bild faszinierend schön
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welches, madameflamusse? das hellblaue oder das gelb-rosa Bild? Es sind ja zwei.
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Wundervoll, Deine Art der Darstellung.
In diesen Falle sind es die Ruinen, die Reste der einstmals architektononischen Schönheiten. Du stellst das Brüchige, das auseinander Gefallene in angerissenen geometrischen Formen und scheinbarem Gekritzel so deutlich dar, daß ich mir das ehemals Gewesene schon fast wieder vorstellen kann, wenigstens bei der ersten Zeichnung.
Bei Zeichnung Nr. 2 haben Kriege und auch die Natur ganze Arbeit geleistet, da blieb kein Stein auf dem anderen und Deine Zeichnung zeigt es.
Ich kann mir vorstellen, daß Du mit den zu schön wieder aufbereiteten mittelalterlichen Städtchen Deine Probleme hast, mit den zu gepflegten Gärtchen vor dem Häuschen und vielleicht irgendwo einem Gartenzwerglein, das sich schamhaft im Rittersporn versteckt.
Ich mag es, weil es meine Kindlichtkeit weckt *g*. Aber ich weiß auch, daß es nur noch die schönes Fassade ist und nicht Echtes mehr dahintersteckt. Es gibt aber andere/gute Beispiele, da erkennst Du die Nachlässigkeit des Lebens, das Bröckelnde, das Lebendige, das Vergehende, da wird es gut. Der Sandstein sieht aus, als würde er mit letzter Kraft der Verwitterung widerstehen und gegen jegliches Anmalen hatte er sich gesträubt, da ist es richtig.
Die Kunst liegt ja nicht in der Nachahmung, sondern im Verborgenen, im Weggelassenen, in den Dingen, die wir ahnen können, die uns nicht auf die Nase gebunden werden.
LG in die Nacht von Bruni
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danke für deinen ganz und gar wundervollen, verstehenden Kommentar. Wie sehr ich die Art deines Denkens liebe! gute Nacht!
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Das freut mich jetzt aber sehr, liebe Gerda
und jetzt ist Bettzeit auch bei mir, leider, so gerne ich noch hier sitzen würde, um dies und das zu tun *g*. Es geht nicht mehr. Es müßte von irgendwoher ein Wachwichtel her *lach*
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hier ist auch Nacht, sogar schon um eine Stunde fortgeschrittenere. Ich war eben noch kurz auf deiner Seite, las dein Gedicht. Ja, es geht mir gut.
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Da hast du sicherlich die dunklen Gedanken gelesen.
Ich bin jemand , der meist im Schreiben etwas verarbeitet.
Das war auch hier so.
Tja,dein leben ist sehr anders als meines, liebe Gerda
Einen wunderschönen Tag wünsche ich dir
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Was für ein Bruni-Kommentar, wow!
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Ja. Er ist da, um oft gelesen zu werden. Satz um Satz, bis zur Neige „Die Kunst liegt ja nicht in der Nachahmung, sondern im Verborgenen, im Weggelassenen, in den Dingen, die wir ahnen können,“.
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Ja, wundervolle Worte 🙂
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*lächel* es freut mich sehr , was ich hier lese. Aber ich habe nur geschrieben, wie ich Gerdas grandiose Bilder empfand und ihre ausführlichen Gedanken dazu.
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Danke, liebe Gerda, daß ich dies alles hier sehen und lesen durfte. Nun verstehe ich besser, was Du an den brüchigen Bauten in Kalamata und auch sonst so magst, was Dich dabei so fasziniert und inspiriert.
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