Zeichnen (6): Selbstportraits

„So siehst du aber nicht aus!“ ist der häufigste Kommentar, den ich bei meinen diversen Versuchen, mich selbst zu portraitieren, zu hören bekam. Wieso ist es so schwierig, sich selbst zu konterfeien? Liegt es daran, dass man sich nur im Spiegel sieht? Nun, das spielt natürlich eine Rolle. Man sieht sich seitenverkehrt, man starrt auf sein Gegenüber, das einen sorgenvollen Ausdruck annimmt. Finster und sorgenvoll sehe ich sicher auch aus, wenn ich andere zeichne – das hat mit der inneren Anspannung zu tun. Ein intensiver Blick, Folge des Prüfens, herrscht in vielen Selbstportraits vor.

Viel wichtiger aber ist die Frage: wie will ich mich zeichnen? Wie stehe ich zu mir selbst? Wie soll die Welt mich sehen? Ein paar Beispiele aus der Geschichte der Kunst mögen das illustrieren:

Dürer hat sich als Edelmann gemalt: streng en face, mit elegantem Pelzmantel. Er strahlt das neue Selbstbewusstsein einer eben aus der Anonymität auftauchenden Zunft aus. In seinen Zeichnungen herrscht vor allem das Bedürfnis nach Genauigkeit vor. Gesicht, Hand, Kissen – alles hat eine sachliche Beschaffenheit, die es abzubilden gilt.

Dürer_-_Selbstbildnis_im_Pelzrock_-_Alte_Pinakothek 2510014a Rembrandt liebte es, sich zu kostümieren, Rollen zu spielen, Grimassen zu schneiden und, als er älter wurde,  sich mit einer fast schon grausamen Akribie seiner Knollnase und seinen Falten zu widmen. Dabei ist er nicht minder selbstbewusst als sein älterer Kollege Dürer.

selbstportrait-palette-weisser-turban-gr Rembrandt Von Gogh studierte sich  in hunderten von Selbstportraits mit einer Inbrunst und Intensität, als ringe er hart darum, sich selbst zu verstehen. poster-vincent-van-gogh-121128 Es gibt Maler, die sich als Helden, Abenteurer oder Heilige abbilden, andere, wie Frieda Kahlo, die sich sehr oft und sehr bewusst zur Ikone ihrer mexikanischen Heimat stilisierte, ohne einen persönliche Ausdruck zu suchen,  Kahlo-Dornenkranz, oder wie Beckmann, der sein verletzliches Wesen hinter einem extravaganten Outfit verbarg und mit Zigarre, Sektglas und anderem bourgoisen Zubehör seine Zeitgenossen irritierte. 100900302 Max-Beckmann-Self-portrait-with-champagne-glass

Ich selbst habe ein paar Selbstportraits aus der Anfangszeit gefunden, als ich mich mit Bleistift und Kohle vertraut machte, einmal sogar zusammen mit meiner schwarzen Katze.

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Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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49 Antworten zu Zeichnen (6): Selbstportraits

  1. ©lz schreibt:

    Hammer feiner Beitrag

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  2. Katrin - musikhai schreibt:

    Und wieder durfte ich viel lernen! Danke, Gerda! ❤

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  3. ©lz schreibt:

    Zeichnen ist einfach die hohe Kunst und die älteste Form / ich liebe es / auch wenn ich nur dilettantiere

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    • gkazakou schreibt:

      wer tut das nicht: Dilettieren – und das Zeichnen lieben 😉

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    • haluise schreibt:

      DEIN selbstwertgefühl ist klein, denn dilletieren gibt es nicht, sag ICH.
      DEINe bilder sieht nur anders aus und dann hast DU vielleicht andere POTENTIALE, die DIR noch mehr FREUDE bereiten ; ÄH ??
      BIN LUISE

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      • ©lz schreibt:

        liebe luise,
        deine ehrenrettung und den hinweis in ehren / ich lächle.
        prinzipiell würde ich dir da einfach recht geben. bei genauere betrachtung und auch wenn du mich und/oder meine werke/kreativformen kennen würdest / würdest du verstehen was ich meine. es schwingt auch etwas ironie da mit. auch gibt es viele texte auf meinem blog die sich mit dem richtig und falsch auseinandersetzten und ich sehr wohl schon lange mit diesem thema vertraut bin.
        in bezug auf den obigen edit und das zeichnerische können dieser verschiedener künstler sehe ich dennoch zwischen ihren fähigkeiten und meinen ganze welten liegen.
        und es ist beileibe nicht so das man in der kunst keine qualitätsunterscheidungen machen kann. diese gibt es sehr wohl und ich selbst sehe dies auch so. in diesem falle.
        abgesehen davon das ich es niemals als zielsetzung meines künstlerischen schaffens angesehen habe / tausende und mehr stunden ( wie dürer, rembrandt, van gogh ) damit zu verbringen einen fast perfekten faltenwurf oder mein ohrläppchen auf papier zu bannen. hierzu nehme ich einfach die kamera. meine hochachtung und meinen respekt zolle ich dennoch jenen die diese hohe fähigkeiten pflegen und sich ihnen hingeben.
        und in diesem sinne schreibe ich gerne von dilettieren und dilettantismus.
        und ich bin durchaus stolz ein echter dilettant zu sein.
        https://de.wikipedia.org/wiki/Dilettant
        dieses thema ist sicherlich ambivalent und meine oben erwähnten edits nahmen dies auch als anreiz und hinweis.
        ein feiner edit hier:
        http://wissenderkuenste.de/#/text/heute-denken-morgen-fertig-dilettantismus-begriffe-gestern-und-heute
        auch die folgenden gedanken sind zuweilen erhellend und disputfreudig.
        http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42853915.html


        so liebe luise
        grüsse ich frech dilettantisch und mit rebellischem eigensinn und erhobenen haupt. lz.

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      • ©lz schreibt:

        Gerda, denke da hängt ein Kommentar im Spam/ bitte schauen

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    • gkazakou schreibt:

      Ich habe eben in den Kommentaren nachgesehen, fand deinen als „genehmigt“ und nicht im Spam, aber er erscheint hier nicht, und ich weiß nicht, wie ich ihn zum Erscheinen bringen kann. Vielleicht war er zu lang? Zu viele Verweise auf links? Ich habe ihn gern gelesen.

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    • gkazakou schreibt:

      vielleicht geht es, wenn du die links einzeln schickst?

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      • ©lz schreibt:

        Alles ok
        Habs geschrieben und nun is es weg / schade halt

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      • ©lz schreibt:

        Will es nicht nochmals schreiben !
        Sie soll selber schauen

        Ich dilettantiere weiter und mag das und es hat nichts mit meinem Selbstbewusstsein zu tun / alles andere steht in den Edits auf meiner Blogbüxe

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    • haluise schreibt:

      alles ist in bester dings, was du dir erlaubst.
      — dilettieren ist eine bewertung und die finde ich eben nicht angemessen, denn statt photographieren ( finde ICH PRIMA) die obigen techniken als 100 %-qualität anzunehmen, ist nicht nötig.
      ICH meine, dass DU vielleicht lieber gepixelte bilder (schau mal: https://paradoxdevilspixel.wordpress.com/2016/10/11/dienstag-de-niro-3/)
      anfertigen wollen wölltest oder noch anderes, das wäre dann DEINE besondere fähigkeit.
      es gibt so viele UN/techniken wie menschen, sog i … und hören wir einfach auf mit den bewertungen, das tät ich mir wünschen.
      verstohsch ?
      BIN LUISE

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  4. teggytiggs schreibt:

    …sich selbst ins Gesicht zu sehen und dem, was man da alles sieht und vielleicht gar nicht sehen will, nicht auszuweichen erfordert Mut…es dann auch noch darzustellen, nötigt einem noch mehr Mut ab…eine schwierige Sache und so gnadenlos kann sie daherkommen…vielleicht mag so mancher sich selbst Portraitierende dem unbewusst ausweichen, vielleicht entstehen daher mitunter so unterschiedliche Sichtweisen, vielleicht aber auch nur, weil wir alle mehrere Wesen in uns vereinigen…

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  5. Myriade schreibt:

    Die allein herausgearbeiteten Augen gefallen mir sehr gut, da sieht man nichts von besorgt oder verspannt.

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  6. gkazakou schreibt:

    Stimmt! der indirekte Blick über einen zweiten Spiegel ist am entspanntesten.

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  7. afrikafrau schreibt:

    wow wie interessant ist dies hier, abtrakt versteckt habe ich dies auch versucht, meine Frage, ist es notwendig, um sich selbst zu finden? Warum sind Selbstportraits wichtig?

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  8. kunstschaffende schreibt:

    Das glaube ich, dass muss sehr schwierig sein. Spannend wäre, der direkte Vergleich, wie ich mich selbst sehe und wie mich andere porträtieren würden. Aber Du machst auch dass wieder meisterlich👌👏Wie alles was Du uns bisher gezeigt hast.

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  9. madameflamusse schreibt:

    wow, der Hammer deine Zeichnungen und auch die Vergleiche. Da man immer jemand anderes ist wird auch das Bild immer ein anderes sein, je nach dem was man gerade sieht. Wir haben alle viele Gesichter, ich glaube deswegen sind Wir bildenden Künstler, wenn Wir uns mit Poträts beschäftigen, gerne Serientäter. Das Poträt ist doch immer eine Selbsterforschung. Ich mag das sehr.

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  10. Susanne Haun schreibt:

    Sehr gelungene Selbstportraits, Gerda, besonders das mit der Katze!
    Wie würdest du dich heute darstellen?

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  11. gkazakou schreibt:

    mal sehen, Susanne. learning by doing.

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  12. Martina Ramsauer schreibt:

    Wie die obigen Leser schon gesagt haben, finde ich deine Präsentation , liebe Gerda, sehr lehrreich.:) Wenn ich mich zeichnen würde, möchte ich gerne, dass man mein Innenleben im Portrait sehen würde! Ich glaube Van Gogh hat das versucht. Liebe Grüsse Martina

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  13. Ich erinnere mich eher an Kommentare (zu meinen Selbstportraits) wie: ach, gehts dir so schlecht? 🙂

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  14. haluise schreibt:

    ICH hab mit FREUDE DEINe INNERE schwarze miez gefunden und liebe sie.
    ja, jetzt hast DU DICH denn seelen-äugisch entblösst …
    darf ich dich durch die kabel hindurch umarmen ? … ich tus mal .. LIABS
    BIN LUISE

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  15. juttareichelt schreibt:

    Ganz toller Beitrag, liebe Gerda – vielen Dank!

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  16. Ulli schreibt:

    Ja, wie sieht man/frau eigentlich wirklich aus? Jede Sekunde anders, und dann liegt die Wahrheit ja auch noch im Blicker der BetrachterIn/des Betrachters. All meine Selbstporträts stehen in einem Kontext, da ich nicht male, aber Fotos zerschneide und montiere, schaue ich sie mir manchmal an und staune, was ich da versucht habe zu transportieren.
    Eine feine Inspiration, mal alle nebeneinander zu stellen – lang ists her …

    Dank und Liebgrüsse
    Ulli

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