Creative Arts Therapy – III

Aller guten Dinge sind drei. Heute ging die dreitägige Fortbildungseinheit zu Ende. Einen winzig kleinen Einblick in die Möglichkeiten dieser Arbeit möchte ich heute noch geben. Die Theorie lasse ich aus, denn „Grau, lieber Freund, ist alle Theorie …“ (Goethe, Faust) selbst dann, wenn sie sich farbenfroh und witzig am Whiteboard darbietet.

Erst die Anwendung der Theorien im lebendigen zwischenmenschlichen Prozess lässt erkennen, was sie taugen bzw was man mit ihnen erreichen kann. Das erste Beispiel zeigt eine Zusammenarbeit der Fortbildungsgruppe (PsychologInnen, SozialpädagonInnen, TherapeutInnen): Waggons einer Eisenbahn aus Schuhkartons, mit verschiedenen Szenen individuell bemalt. Zusammen ergeben sie eine Geschichte, die im Gruppenprozess entwickelt und erzählt wird – mit viel Gelächter und ein paar Tränen.

Ich hatte dann die schöne Möglichkeit, mit SchülerInnen eines Abendgymnasiums (7.-9. Klasse, in Griechenland Pflichtschulzeit für alle) ein paar Sachen auszuprobieren. Die jungen Leute  leben unter schwierigsten Verhältnissen, arbeiten tagsüber in schlechten Jobs, kommen oft aus zerrütteten Familien, manche aus anderen Ländern, und waren bisher ohne jede künstlerische Anleitung. Eine Freundin, die dort Altgriechisch unterrichtet, und der verständnisvolle Direktor ermöglichten mir, diese Erfahrung einen Winter lang zu machen.

Fasziniert schaute ich zu, wie sie mit dem Material, das ich im Rucksack anschleppte – allerlei Farben, Knete, Fähnchen, Malpappen, Korken, Kerzen, Plastikbecher – fantastische Szenen zusammenbauten.

 

Mit dem Malen und Zeichnen wenig vertraut, gingen die meisten doch recht frei ans Werk, manche sogar mit starken künstlerischem Ausdruckswillen, wie dieser 17jährige Griechisch-Russe …

…oder mit einer SOS-Message, dass in seinem Lebensfeld etwas sehr Schwieriges passiert (von einem 15jährigen Griechen), wo ein Mensch „AAA, Hilfe“ schreit, während alles ringsum brennt. G, 2. Phase

Aber auch die eher konservativen Bildmotive sind es wert, genauer betrachtet zu werden – und das taten wir dann auch im Kreis. Für viele, zum Beispiel einen sehr zurückhaltenden 45jährigen Mann, geschah es zum ersten Mal, das etwas, was sie geschaffen hatten, ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und ernst genommen wurde. Allein so etwas ist heilsam.

Ja selbst wenn ein Schüler eine – nach herkömmlicher Meinung – riesige Schmiererei produziert, ist es wichtig, sie als Kunstwerk zu betrachten, ernst zu nehmen und mit der gesamten Gruppe zu betrachten und zu besprechen.

A, Endstadium

Persönlich war ich am meisten beeindruckt von drei jungen Männern – einem Armenier, flankiert von zwei Albanern, die sehr stolz auf ihren Freund und sein Werk waren. Ja schaut selbst: So große kräftige Burschen, und welch eine feine, feine ausdrucksstarke Figurengruppe aus Tonmasse!

 

C, 3

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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21 Antworten zu Creative Arts Therapy – III

  1. Simmis Mama schreibt:

    Ich bin tief beeindruckt. Wundervoll!

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  2. Sylvia Kling schreibt:

    Gerade aus diesen Menschen fließt so viel Kreativität – die Seele ist gefüllt.
    Du machst wundervolle Sachen – ich ziehe den Hut vor Dir! 💜💛💚

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    • gkazakou schreibt:

      Ja, mir gefallen die Arbeiten dieser Menschen auch viel besser als die der gelernten Psychologen. Es war für mich ein fantastisches Erlebnis.

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      • Simmis Mama schreibt:

        Also die gelernten Psychologen die bei uns rumhüpfen die verschlimmern Alles nur. Da müsste man gleich noch ein paar Bonusbildet malen ;). Ich finde es ganz toll was du dort ermöglichst! 🙂

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      • Sylvia Kling schreibt:

        Das glaube ich Dir gern. Ich verbrachte einst viel Zeit mit essgestörten Mädchen und Frauen. Da waren Talente darunter: Wahnsinn. Nicht umsonst ist Bärbel Wardetzki so angetan von diesen Menschen („Der weibliche Narzissmus – Hunger nach Anerkennung“).

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  3. Ulli schreibt:

    Eine tolle Arbeit machst du, liebe Gerda!

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  4. barbarabosshard schreibt:

    toll so eine reichhaltige ernte nach dem säen – und mit welchen gefühlen der anerkennung die menschen nach hause gehen konnten – auch dies wunderbar und sicherlich auch nachhaltig.

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  5. kunstschaffende schreibt:

    Du hast ihnen etwas sehr schönes mit auf den Weg gegeben, die Kunst als Ausdruck und Möglichkeit Erfahrungen zu verarbeiten! Überhaupt hast Du den Weg zur Kunst ermöglicht und vielleicht auch die Auseinandersetzung mit sich selbst!

    Ganz ❤ Grüße Babsi

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    • gkazakou schreibt:

      Ich weiß leider nicht, liebe Babsi, ob sich etwas weiter entwickelt hat. Die Lebensumstände dieser jungen Menschen sind extrem schwierig, sie haben nicht mal genug zu essen, da ist für Kunst und Selbstfindung nicht viel Raum. Aber es war eine sehr schöne Erfahrung für mich und vielleicht auch für Sie.

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  6. Pingback: Es weihnachtet sehr | GERDA KAZAKOU

  7. christahartwig schreibt:

    Das ist sehr schön und beeindruckend. Die künstlerische Arbeit mit Jugendlichen, und besonders mit Jugendlichen aus problematischen Verhältnissen, ist eine große Erfahrung, und man begreift sehr schnell, was in diesen Kindern und Jugendlichen steckt, und um was wir uns und die gesamte Menschheit bringen, wenn wir sie nicht fördern, Ich habe während mehrerer Jahre die Arbeit von Stipendiaten der Akademie der Künste (junge Künstler aus allen Disziplinen) während einer jährliche Projektwoche mit Schülern einer sog, Problemschule begleitet. Es war phantastisch.

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    • gkazakou schreibt:

      Du hast recht, es ist ein Jammer, was alles den Bach runter geht. Wie gern hätte ich den jungen Leuten bei der Entwicklung geholfen! Aber ich hatte keinen legalen Status. Meine Freundin hatte mir, mit Erlaubnis des damaligen Direktors gestattet, ihren Unterricht (Altgriechisch) dafür zu benutzen. .. In welcher Funktion hast du denn die Kunststudenten begleitet?

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      • christahartwig schreibt:

        Ich habe die letzten Jahre dort in der Sektion „Junge Akademie“ gearbeitet, zu deren Hauptaufgaben die Betreuung der Stipendiaten gehört. Als wir dann auch noch eine Art Kunst-Patenschaft für diese Schule übernahmen, bot es sich an, während des „Monats der Stipendiaten“, wenn alle Stipendiaten sich in Berlin aufhalten und sich und ihre Arbeit den Akademiemitgliedern und dem Publikum präsentieren, eine Projektwoche in der Schule zu bestreiten. Das war eine wertvolle Erfahrung für die Künstler, und viele der Schüler haben ungeahnte Begabungen und viel Kreativität an den Tag gelegt.

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  8. www.wortbehagen.de schreibt:

    Wie gut, daß ich jetzt noch hier lesen durfte, liebe Gerda!

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  9. Myriade schreibt:

    Kunsttherapie ist sicher eine tolle Sache.Leider gibt es bei „meinen“ Hoffnungslosen nichts dergleichen obwohl zwei meiner Kolleginnen dafür ausgebildet wären.
    Auch bei Jugendlichen mit Zukunft liegt die Kreativität sehr im argen. Kürzlich hatte jemand in meiner besten Klasse, wirklich gescheite, ambitionierte Jugendliche eine Knetmasse mitgebracht und diese 18, 19-jährigen waren hingebungsvoll damit beschäftigt Entchen und Gartenzwerge zu kneten. Es war eine Freude zuzuschauen …..

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    • gkazakou schreibt:

      Genau! Die Erinnerung an diesen jungen Armenier, der, gerahmt von zwei kräftigen staunenden Albanern die zierlichsten Knetfiguren herstellte, gehört zum schönsten.

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  10. Pingback: Creative Arts Therapy (Buch-Neuerscheinung) | GERDA KAZAKOU

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