Mein Malen, Fortsetzung (3) – Tritt näher!

 

Japanpapier auf Leinwand 2Wenn du ein Bild betrachtest, versuchst du meist als erstes zu verstehen, „was es darstellt“. Viel anders ist es auch nicht, wenn man mit dem Malen beginnt. Kinder werden dir erzählen, was die Klingel, Kästen und Linien „bedeuten“, die sie aufs Papier gezeichnet haben. Werden sie älter, wollen sie, dass ein Pferd wie ein Pferd „aussieht“. Sie bewundern Akuratesse und sind streng gegen „Geschmiere“. Jugendliche neigen dazu, eine innere Dramatik mithilfe von klar abgegrenten Symbolen darzustellen.

In der Geschichte der Malerei ist es ähnlich.  Der berühmteste griechische Maler der Antike, Apelles, galt als Genie, weil er Menschen und Gegenstände so lebensecht darstellen konnte, dass man danach greifen wollte. In der mittelalterlichen Malerei war es nicht so sehr die natürliche Widergabe, als der geistige Inhalt, die Symbolik,  auf die es ankam.

Wann beginnt die Moderne in der Malerei? Hier mein Versuch einer Antwort: Wenn du eine Postkarte mit einem Motiv von Monet in der Hand hältst, könntest du meinen: Monet malt eine Brücke, einen Teich mit Seerosen. Geändert, denkst du, hat sich vor allem das Motiv – keine Heiligen mehr, keine Schlachtenszenen, sondern Landschaften, Gebäude, Menschen in der Natur. Nun, auch das Licht ist ein anderes, wirst du sagen. Und die Farben.

Stehst du aber vor einem Originalbild von Monet, vergeht dir Hören und Sehen. Alles, was du dachtest, verschwindet. Du stürzt in ein Gewimmel von Farbflecken, die dich in die Fläche hineinsaugen. Da ist nichts, rein gar nichts, an dem du dich festhalten kannst. Nur dies farbige Geflacker.   – Wundersamerweise fügt es sich, sobald du gehörigen Abstand nimmst, doch zu Objekten. Beruhigt stellst du fest: Aha, eine Frau in einem Mohnfeld.

Mit den Impressionisten, allen voran Monet, hat sich die Malerei grundlegend geändert. Es ist eine stille Revolution, die man gar nicht überschätzen kann. Kein Maler kommt heute daran vorbei. Er wird eine irgendwie „impressionistische“ Phase haben, in der er von der aufgelösten Fläche fasziniert ist, und sein „Thema“ sich erst bei gehöriger Entfernung herstellt.

Hier ein Beispiel aus meiner eigenen Produktion. Sie liegt ein paar Jahre zurück. Ich nenne das Bild  „Wintersonne“. Es ist gemalt mit Akryllpigmenten und Binder auf Japanpapier auf Leinwand. Leider musst du mit schlechten Fotos vorliebnehmen, obgleich bei dieser Art von Malerei das Haptische (die Berührung mit den Fingerspitzen) nicht fehlen sollte.

Das ganze Bild …

Japanpapier auf Leinwand ganz

Und nun tritt langsam näher. Was siehst du? Eine Wintersonne über einer Insel. Alles klar.

Japanpapier auf Leinwand 4

Und nun?

Japanpapier auf Leinwand 2

Jetzt?

Japanpapier auf Leinwand

Ich nehme an, du siehst immer noch den Widerschein der Wintersonne auf dem Wasser. Dabei siehst du „in Wirklichkeit“ ein Stück auf Leinwand geklebtes Japanpapier, leicht geknautscht und blasig, ein paar flüchtige Pigmente und ein krauses Gewimmel von dunklen Linien.  Ich finde es faszinierend.

Japanpapier auf Leinwand 3

Und so entstand die moderne Malerei.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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21 Antworten zu Mein Malen, Fortsetzung (3) – Tritt näher!

  1. Myriade schreibt:

    Danke für deine illustrierten Betrachtungen. Die persönlichen Wege zur Malerei sind wohl verschieden, aber ich denke es gibt schon auch Gemeinsamkeiten.
    Was mich immer wieder erstaunt, ist dieses Bestreben der Betrachter, konkrete Gegenstände oder Personen erkennen zu wollen, genau wissen zu wollen, was mit einem Bild gemeint ist. Ich denke aber die Freiheit des Betrachters liegt darin, etwas in sich selbst zum Schwingen zu bringen und es muss nicht unbedingt das sein, was der Maler/die Malerin sagen wollte.

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    • gkazakou schreibt:

      Ohne diese persönliche Freiheit kommt gar keine Kommunikation mit dem Kunstwerk zustande. Dennoch ist es nicht willkürlich, was der Betrachter wahrnimmt.
      Auch ich höre oft: „Was willst du damit sagen?“ Viele fordern eine „Übersetzung“ von Bild in Sprache, weil sie es nicht anders kennen. Bei Museumsbesuchen schauen sie zuerst auf den Titel und den Namen des Malers, sagen „aha“, prüfen, ob Titel und Bild „übereinstimmen“, und gehen weiter. Im Bild ist alles gleichzeitig da, vielschichtig, uneindeutig, es gibt eine Sprache ganz anderer Art (Kandisky hat sich sehr damit beschäftigt), das macht vielen Menschen Mühe. Sie haben eigentlich keine Lust, sich wirklich auf Bilder einzulassen. Ihnen reicht die Gefühlsschwingung (schön, gefällt mir, faszin iert mich, mag ich nicht, würde ich nie an meine Wand hängen, ist ne Sudelei…).

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  2. Ulli schreibt:

    „Und so entstand die moderne Malerei, Gerda, du bringst mich zum lachen, fein auf den Punkt gebracht!!! Das sind wunderbare Bilder,
    liebe Grüsse
    Ulli

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    • gkazakou schreibt:

      In mir entsteht grad was Neues, glaub ich. Weißt du, ich habe heute in deinen Seiten gelesen und etwas darin hat mich tief angerührt. Ich nenne es in meinem Kommentar zu den Großmüttern: homöopathische Medizin.

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      • Ulli schreibt:

        Ich bin sehr, sehr gespannt auf dein Neu, liebe Gerda- und ich bin dir sehr dankbar für deinen Besuch bei den Grossmüttern- diese Ausstellung muss endlich wirklich in die Öffentlichkeit und nicht nur hier- habe vorhin, durch deinen Besuch, nach langer Abstinenz noch einmal selbst geschaut und spüre nur: Ja, das muss in die Welt. Jetzt!

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  3. elsakgaertner schreibt:

    Tolle Bilder! Deine Beschreibung von Monets Bildern hat mich richtig mitgerissen. Nächste Woche gehe ich ins Bucerius Kunstforum. Es werden „Die Farben Frankreichs“ gezeigt und ich freue mich nun noch mehr auf die Ausstellung.

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  4. teggytiggs schreibt:

    …ich finde es faszinierend, Dein Bild…

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  5. gkazakou schreibt:

    O, dann sind wir schon zwei! oder sogar drei? Hab herzlichen Dank!

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  6. afrikafrau schreibt:

    ohne eigene Faszination und Freude an einem Enstehungsprozess von Farben und Formen, ohne die eigene Phantasie,die Umsetzung wären es vielleicht nur Farbkleckse…..deine
    Erklärungen finde ich aufschlußreich…

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  7. dasgrauesofa schreibt:

    Nicht nur das Bild ist toll, auch Deine Erklärungen, wie Impressionismus „geht“. Das ist ja schon geradezu eine Blog-Vorlesung in Sachen Malerei.
    Viele Grüße, Claudia

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    • gkazakou schreibt:

      Hm ja. Eine verkürzte und sehr persönliche Vorlesung. Aber mir hilft es, mich selbst besser zu verstehen. Und wenn es auch dir Aufschlüsse gibt, ist es ein doppeltes Vergnügen. Sonst wärs wie ins Ofenrohr gesprochen. Noch einen schönen Tag wünsche ich!

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  8. Maren Wulf schreibt:

    „Und so entstand die moderne Malerei.“ Liebe Gerda, dies ist die wahrscheinlich kürzeste und zugleich kurzweiligste Vor- und Verführung über Malerei, der ich je gefolgt bin. Ich habe gelacht, gestaunt – und ab und zu auch genickt.

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    • gkazakou schreibt:

      jetzt machst du mich schmunzeln, Maren, und das, obgleich draußen schon wieder ein Gewitter heranzieht. Liebe Grüße aus der Mani!

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  9. ele21 schreibt:

    Ihr Beitrag gefällt mir – ebenso die Bilder.

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  10. Pingback: Was ist das? und von wem? Malerische Rätsel (1) | GERDA KAZAKOU

  11. www.wortbehagen.de schreibt:

    Wie schön, daß ich diesen Beitrag von Dir jetzt noch finde, liebe Gerda, und schon liebe ich Deine Wintersonne und alle Deine Worte dazu und zur Entstehung der modernen Malerei *schmunzel* sowieso

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  12. www.wortbehagen.de schreibt:

    Das ist bestimmt ein wundervoller Platz für dieses Gemälde, liebe Gerda
    Das, was man mag, sollte man immer um sich haben …

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