vom Granatapfel

In meinem Garten reifen jetzt die Granatäpfel. Wenn die Vögel mir welche übrig lassen, werde ich mir den Saft ihrer herrlichen roten Perlen auf der Zunge zergehen lassen. Der Geschmack ist ein wenig herb, doch die Süße überwiegt.

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Granatapfel in der Unterwelt (c) Gerda Kazakou

Von Granatapfel hat auch Persephone gegessen.

Über  sie habe ich ja schon das eine oder andere erzählt: Sie wurde von Hades, der im Lateinischen Pluto heißt, geraubt. Demeter, ihre Mutter, ließ die Erde daraufhin aus Kummer vertrocknen. Schließlich musste Zeus, ihr Vater, einschreiten. Er besprach sich mit seinem Bruder Hades (Pluto), und der erklärte sich einverstanden, Persephone der Oberwelt zurückzugeben, sofern sie in der Unterwelt noch nichts gegessen hatte.

Hat sie etwas gegessen? Sie sagt: nein. Einer, ein Spion und Verräter, ein Angeber – er hat einen Namen, aber ich will ihn nicht berühmt machen, indem ich ihn nenne – behauptet, sie habe 4 Perlen vom Granatapfel genascht. Andere exkulpieren sie: Hades habe ihr 6 Perlen in den Mund gedrückt. Persephone sei das Opfer, Hades der Täter.

IMG_4671  Ich frage mich: wieso spielt das eine Rolle? Und wieso ausgerechnet der Granatapfel? Wenn sie schon was essen wollte, so wäre eine Mohrrübe doch viel naheliegender, da sie unter der Erdkruste wächst, wohingegen die Granatäpfel oberirdisch reifen. Außerdem sind sie erst ab Oktober genießbar, und der Raub der Persephone fand bekanntlich im Frühling statt, als die Narzissen blühten.

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Andererseits: ein schönes Symbol ist der Granatapfel, viel schöner als die Mohrrübe. Er findet schon in der Geschichte von Adam und Eva Verwendung. (Ja, ja, Eva verführte Adam mit einem Granatapfel. Die Äpfel waren damals noch ungenießbar, viel zu holzig). Und war’s nicht der Granatapfel, der den trojanischen Krieg auslöste? Freilich! Drei Göttinnen stritten im Schönheitswettbewerb um den ersten Platz, und der hübsche trojanische Prinz Paris, damals noch Schäfer, sollte den Schiedsrichter machen. Er wählte Aphrodite, erhielt als Lohn die schöne Helena – und handelte sich den Zorn von Hera und Athene ein. Damit war das Schicksal von Troja besiegelt.

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das Urteil des Paris (c) Gerda Kazakou

Ach, der Granatapfel ist an allem schuld! Am Krieg, am Sündenfall, und daran, dass nun der Herbst und der Winter kommen. Hätte Persephone nicht von ihm genascht! Hätte Paris anders entschieden! Hätte die Schlange der Eva eine Mohrrübe gereicht! Wir würden noch im Paradies leben, ewiger Frühling würde herrschen und kein Krieg würde uns bekümmern.

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Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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10 Antworten zu vom Granatapfel

  1. Ich lese und schaue Deine Geschichten unheimlich gerne, denn so verstehe ich sie endlich mal… aber heute ist neben Deinen Bildern doch die Idee mit der Möhre ein echter Knaller, ich habe sofort sehr lustige Bilder im Kopf. Dabei ist es im Grunde, wie Du ja beweist, eigentlich nur logisch…
    Anyway, ich wünsche Dir eine reiche Granatapfelernte, denn auch wenn der an allem schuld ist, die Kerne schmecken einfach so herrlich!
    Liebe Grüße
    Kai

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  2. gkazakou schreibt:

    danke Kai, für die guten Erntewünsche! Schuld ist der Granatapfel natürlich eher nicht, genauso viel oder wenig wie zB das Meer, in dem die persische Flotte absoff. Dennoch ließ Xerxes das Meer zur Strafe auspeitschen.

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  3. hildegardlewi schreibt:

    Liebe Gerda, in meiner Jugendzeit habe ich die ganzen griechischen Sagen gelesen und mit den
    Römern hatte ich mich auch jahrelang beschäftigt. Irgendwann hat man anderes im Sinn, schon wenn man berufstätig ist und Kinder hat. Die habe ich aber gleich vor die Bücher gesetzt..
    Die Bücher sind noch alle da, so wie ich Zeit habe, werde ich mich wieder darin verbeißen. Doch nun muß ich schon wieder „dichten“ und Geschichten schreiben. Aber man kann immer wieder die Erfahrung machen: Ruhe und Frieden gab es eigentlich noch nie. Wäre ja auch stinklangweilig. Liebe Grüße, Hildegard

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  4. Phil Eidos schreibt:

    Wunderbar, du bist wirklich sehr belesen. Schön, dass wir an deiner humorvollen Weisheit teilhaben dürfen…

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  5. Pingback: Montags ist Fototermin: Granatapfel | GERDA KAZAKOU

  6. Ulli schreibt:

    Wenn ich dies lese:“Er wählte Aphrodite, erhielt als Lohn die schöne Helena – und handelte sich den Zorn von Hera und Athene ein. Damit war das Schicksal von Troja besiegelt.“ wundert es mich überhaupt nicht mehr, dass ich in der griechischen Mythologie immer alles durcheinanderwerfe, immerhin weiss ich um Penelope, Demeter und Hades, puh, wenigstens das 😉
    fein, dein Artikel, auch der …

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  7. gkazakou schreibt:

    Ich glaube, ich bin schuld. Ich liebe eben die ungewöhnlichen Abkürzungen. In der Langform würdest du alles leicht verstehen….

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  8. teggytiggs schreibt:

    …ich habe gelesen, dass der Granatapfel eine besondere Rolle spielte, da Bestandteile des Baumes eine bewusstseinserweiternde Wirkung besaßen…ob sie das heute auch noch tun, kann ich nicht sagen…daher durften Adam und Eva nicht von diesem Baume kosten, denn er machte sie wissend, nur hatte dieses Wissen nichts mit der Erkenntnis ihrer Sexualität zu tun…sondern mit ihrer Stellung im Sein…vielleicht spielte der Genuss der Perlen des Granatapfels auch bei Persephone diese Rolle, denn Erkenntnis kann unfähig machen, eine frühere Rolle weiterhin auszuführen oder zu leben…

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    • gkazakou schreibt:

      Danke herzlich, Teggytiggs für diese Hinweise, die mir durchaus glaubwürdig erscheinen. Man kann zwar sagen, dass der Granatapfel wegen seines Äußeren und seiner inneren Beschaffenheit starke symbolische Kraft besitzt, die allein seine Verwendung in den Mythen schon rechtfertigt, aber es ist möglich, dass auch bewusstseinserweiternde Wirkungen eine Rolle spielen.

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